Fit im Büro Sie müssen den Hintern selbst hochkriegen

Ständig mahnen neue Studien, wie krank arbeiten macht. Rücken und Seele leiden. Tatsächlich ruht unsere Gesundheit auf vier Säulen, die der Job ins Wanken bringen kann. Dagegen muss Ihr Chef etwas tun – und Sie!

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Sitzen tötet: Wie Sie im Büro fit und leistungsfähig bleiben. Quelle: Getty Images

Ein durchschnittlicher Tag im Leben einer Online-Redakteurin der WirtschaftsWoche sieht so aus: Um Viertel nach sieben aus dem Haus gehen, 15 Minuten zum Bahnhof laufen. 20 Minuten in einem überfüllten Regionalexpress stehen, wieder 15 Minuten vom Bahnhof ins Büro laufen. Einen Kaffee holen, dabei vermutlich einen Keks mitnehmen, weil immer irgendetwas Süßes neben der Kaffeemaschine steht. Hinsetzen, arbeiten. Und sitzen. Und sitzen. Und sitzen. Zwischendrin nochmal einen Kaffee – und einen Keks! – holen. Und wieder sitzen, sitzen, sitzen. Mittags geht es dann mit den Kollegen zum Italiener, zum Türken, zur Currywurstbude. Zurück im Büro heißt es: sitzen, sitzen, sitzen.

Damit sind Redakteure nicht allein: Das Zentrum für Gesundheit an der Deutschen Sporthochschule Köln (DSHS) hat ermittelt, dass sich ein durchschnittlicher gesunder Mann heute nur noch etwa 25 Minuten am Tag aktiv bewegt. Ansonsten sitzt er. In der Bahn, im Auto, am Schreibtisch, auf der Couch. Vor 100 Jahren hat sich der Durchschnittsmann noch acht bis zehn Stunden am Tag bewegt.

Sitzen tötet

So kann man sich auch umbringen, sagen Forscher des amerikanischen Pennington Biomedical Research Center. Sie haben durch eine Langzeitstudie mit 17.000 Probanden festgestellt, dass diejenigen, die täglich mehr als drei Stunden am Stück saßen, eine geringere Lebenserwartung hatten. Außerdem kann langes Sitzen unter anderem für Probleme mit den Bandscheiben, Schmerzen und Verspannungen sorgen und Übergewicht begünstigen.

Wie zu langes Sitzen den Körper belastet
MuskelnIm Sitzen werden die Muskeln nicht gefordert und gekräftigt. Langes Sitzen führt also dazu, dass sich die Muskeln zurück bilden. Wer in der Freizeit nicht mit Sport gegensteuert, sitzt sich also sukzessive schlapp. Quelle: dpa
WirbelsäuleDas hat natürlich nicht nur Auswirkungen auf unsere Fitness: Da auch die Rückenmuskulatur leidet, verliert die Wirbelsäule ihr natürliches Stützkorsett. Im schlimmsten Fall kann es zu Bandscheibenproblemen kommen. Quelle: dpa/dpaweb
BauchVom langen Sitzen werden die Muskeln aber nicht nur schwächer. Sie produzieren auch weniger des Enzyms Lipoproteinlipase, das als Katalysator beim den Fettabbau dient. Wer lange sitzt, hat also auch ein größeres Risiko, dick zu werden. Quelle: gms
FüßeEin besonders im Sommer verbreitetes Phänomen: Bei ausbleibender Bewegung sammelt sich Flüssigkeit im Gewebe an, wodurch die Füße anschwellen. Quelle: REUTERS
BeineWie in den Füßen, sammelt sich auch Flüssigkeit in den Beinen an. Gehen hilft, die Flüssigkeit abzubauen. Wer während der Arbeit gar nicht oder nur selten aufstehen kann, sollte immer wieder die Position der Füße verändern und das Gewicht abwechselnd auf Zehenspitzen und Fersen verteilen. Quelle: dpa
NackenDie über den Tag gespeicherte Flüssigkeit sorgt nämlich nicht nur für schwere Beine und dicke Füße, sie kann auch nachts beim Liegen in den Nacken wandern. Eine mögliche Folge: Schlafapnoe. Quelle: dpa
BlutdruckWer viel sitzt und sich auch nach Feierabend wenig bewegt, riskiert außerdem Bluthochdruck. Quelle: dpa

Das Problem: Wer sich den ganzen Tag den Hintern eckig sitzt, gleicht das auch abends mit der Stunde Joggen oder Power Yoga nicht mehr aus. Wer pro Tag 40 Zigaretten raucht, macht das schließlich auch nicht mit einem Spaziergang an der frischen Luft wieder wett. „Erst seit einigen Jahren wissen wir, dass es zusätzlich und unabhängig von unserem täglichen Bewegungsausmaß wichtig ist, sich bei lange sitzender Tätigkeiten zwischendrin zu bewegen“, sagt Tobias Esch, der seit Februar 2016 die Professor für Integrative Gesundheitsversorgung und Gesundheitsförderung an der Universität Witten/Herdecke innehat. „Langes Sitzen ist ein eigenständiger Risikofaktor für die Gesundheit, der also auch eigenständig angegangen werden muss.“ Was die meisten Dauersitzer ja auch wissen. Aber oft nicht ändern.

"Mein Job bringt mich noch um"

Gleiches gilt für die Ernährung. Natürlich weiß jeder, dass es vernünftiger (und günstiger) ist, sich morgens ein paar Früchte in ein Vollkornmüsli zu schnibbeln, als sich am Bahnhof ein fettiges Schokocroissant zu kaufen. Auch dass ein Salat gesünder ist als die Currywurst und eine Handvoll Blaubeeren besser als Gummibärchen, ist für niemanden eine Überraschung. Doch wer in der Kantine isst, hat in der Regel keine große Auswahl. Und wer den Kollegen jeden Tag die kalte Schulter zeigt und lieber alleine am Schreibtisch den mitgebrachten Salat mümmelt, isoliert sich mit der Zeit.

Das sagen Wissenschaftler über gesunde Ernährung
Lebensmittelvielfalt genießen Quelle: dpa
Gemüse und Obst: Nimm „5 am Tag“ Quelle: dpa
Vollkorn wählen Quelle: dpa
Mit tierischen Lebensmitteln die Auswahl ergänzenEssen Sie Milch und Milchprodukte wie Joghurt und Käse täglich, Fisch ein- bis zweimal pro Woche. Wenn Sie Fleisch essen, dann nicht mehr als 300 bis 600 g pro Woche. Quelle: obs
Gesundheitsfördernde Fette nutzen Quelle: dpa
Zucker und Salz einsparen Quelle: dpa
Am besten Wasser trinken Quelle: dpa

Gesund zu leben und zu arbeiten ist – je nach Arbeitsumfeld – also gar nicht so einfach. Und zeigen nicht sogar offizielle Statistiken und Studien, dass Arbeit krank macht? Immer mehr Menschen leiden unter typischen Berufskrankheiten. Wer sich nicht den Rücken krumm schafft, der bekommt einen Burnout oder sonst eine psychische Erkrankung, so scheint es. Zumindest zeigt der aktuelle Fehlzeiten-Report der AOK-Versicherung, dass die Zahl der psychischen Erkrankungen, die für längere Ausfälle sorgen, in den vergangenen zehn Jahren mit 79,3 Prozent überproportional stark gestiegen ist.

Was der Arbeitgeber und jeder Einzelne tun kann

Dabei kann zwar jeder mit dem Finger auf andere zeigen – der Job verlangt eben, dass ich den ganzen Tag sitze; in der Kantine gibt es nichts Gesundes – die negativen Auswirkungen bekommt man aber selbst zu spüren. „Idealerweise geht das eine, was ich für mich tun kann, mit dem einher, was mein Arbeitgeber für mich tut. Dann kann Gesundheit am Arbeitsplatz gelingen“, sagt Esch. Wer keinen Sinn in seinem Job sieht, Berge an Arbeit vor sich, aber überhaupt keine Entscheidungsfreiheit hat und dann noch vom Chef ständig niedergebrüllt wird, den macht weder der Spaziergang in der Mittagspause noch der Magerjoghurt mit frischem Obst glücklich oder gesund.

Und tatsächlich spielt Glück für die Gesundheit eine große Rolle. Denn Glücksgefühle sind nichts anderes als eine Belohnung des Gehirns. „Ob ich dieses oder jenes tue, entscheidet sich im Belohnungszentrum in meinem Gehirn anhand der Frage, ob sich etwas lohnenswert anfühlt“, so der Mediziner. „Etwas, was sich lohnenswert anfühlt, werde ich tun, es mir merken und es wiederholen. Etwas, was sich unangenehm anfühlt, werde ich möglicherweise vermeiden.“

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