Flexibles Arbeiten Warum Homeoffice nicht die ultimative Lösung ist

Homeoffice ist keine ultimative Lösung für mehr Flexibilität Quelle: Getty Images

Was wurde aus dem Traum vom Homeoffice? Trotz technischer Möglichkeiten ist die Arbeit von Zuhause kein Massenphänomen geworden. Ein Grund: Homeoffice ist eigentlich nur eine Ausweichlösung.

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Mobile Geräte, schnelles Internet, praktische Tools – all das würde einmal das Homeoffice zum Standard machen, damit das lästige Pendeln ersetzen und vielen Arbeitnehmern weitreichende Flexibilität bei der Arbeit schenken. Homeoffice schien vor wenigen Jahren noch die Lösung vieler Probleme zu sein, zum Beispiel dem der schwierigen Vereinbarkeit von Beruf und Familie, von Verkehrsproblemen oder Konflikten im Großraumbüro.

So ging es auch Christopher Schmidhofer, einem Programmierer aus Baden-Württemberg, der vor einigen Jahren aus familiären Gründen ins Homeoffice ging. „Als Angestellter träumte ich davon: Wohnen und Arbeiten nah beieinander, das ist es. Was ich erlebt habe, war das genaue Gegenteil. Die ersten drei Wochen im Homeoffice waren super, danach fing es an. Ich fühlte mich einsam. Trotz Skype und anderer digitaler Tools fehlte die tatsächliche Nähe zu anderen Menschen“, beschreibt er die Tücken des Alleinseins – nur ein Aspekt unter vielen, warum es damals nicht lief wie erhofft.

Schmidhofer gründete einen Co-Working Space in Reutlingen und machte dieses Organisationsmodell zu seinem zweiten Standbein. „Der Traum vom Homeoffice ist erstmal ein Wegkommen von den starren Strukturen hin zu mehr Freiheit. Dann merkt man aber, dass im Homeoffice auch nicht alles richtig gut ist.“ Personalexperten, Arbeitsrechtler und Organisationpsychologen zeigen sich bei dem Thema ambivalent: Einerseits sei Homeoffice ein Angebot, das Arbeitgeber machen sollten, wenn sie nicht als vollkommen rückständig wahrgenommen werden wollen. Fachkräfte ließen sich davon kaum noch anlocken, bei Nicht-Angebot höchstens abschrecken. Trotzdem dürfte das Arbeiten von zuhause aus eine Not- oder Teillösung bleiben. Beispiele wie das von Christopher Schmidhofer zeigen: Ausschließlich von zuhause aus zu arbeiten bekommt den meisten Menschen nicht. Und Beobachtungen unter den Pionieren der New-Work-Bewegung zeigen, dass die wenigsten das Homeoffice bevorzugen.

39 Prozent der Unternehmen in Deutschland bieten ihren Mitarbeitern inzwischen die Möglichkeit, von zuhause aus zu arbeiten, zeigte eine Studie des Verbands Bitkom. Der Anteil steigt demnach stetig. Dennoch räumen immer noch sechs von zehn Unternehmen die Möglichkeit nicht ein. Vielfach begründen sie das mit rechtlichen Bedenken. Strenggenommen bedeutet Homeoffice im Wortsinn ein Büro zuhause, das nach festgelegten Kriterien gestaltet sein muss. Der Arbeitgeber haftet dafür. Das ist einer der Gründe, warum Firmen davon Abstand nehmen. „Zuhause am Küchentisch mit dem Laptop zu sitzen, ist kein Homeoffice“, sagt Karin Schambach, Geschäftsführerin des Personaldienstleisters Indigo Headhunters aus Frankfurt.

In vielen Fällen gebe es jedoch informelle Regelungen, dass der Arbeitnehmer nicht die volle Dienstzeit im Büro verbringen muss – was ihm andere Arbeitsorte freistellt. Diese Regelung befürwortet auch der Düsseldorfer Fachanwalt für Arbeitsrecht Martin Nebeling. „Die Idee des Homeoffice ist gut, bloß der Begriff ist wegen der rechtlichen Folgen problematisch. Wenn es als mobile working ausgestaltet wird, dann ist es egal, ob jemand im Park oder zuhause auf dem Sofa sitzt - oder ob er einen eigenen Raum dafür hat“, empfiehlt der Jurist aus der Kanzlei "Bird & Bird". Sonst müssten sich Arbeitgeber strenggenommen sogar an der Miete ihrer Mitarbeiter beteiligen, wenn diese dort einen Arbeitsraum einrichteten. Daran schließt sich ein Kontrollrecht an, das beiden Seiten unangenehm sein könnte. „Aus Arbeitnehmersicht stellt sich die Frage: Möchte ich meinem Arbeitgeber ein Recht einräumen, in meine Wohnung zu kommen und zu überprüfen, ob dort alles der Arbeitsstättenverordnung entspricht. Wenn nur ein Kabel so liegt, dass man stolpern könnte, oder etwas anderes rumliegt, kann es schon Probleme geben“, warnt Martin Nebeling.

Homeoffice: 10 Regeln für Arbeitnehmer

Eine informelle Regelung jedoch hat wieder andere Konsequenzen. Das Arbeitsrecht etwa schreibt in seiner derzeitigen Fassung vor, dass die Pause zwischen den Arbeitseinsätzen elf Stunden betragen muss. Teilt sich ein Angestellter im Homeoffice seinen Acht-Stunden-Tag in vier Einheiten à zwei Stunden ein, kommt er schon in einen rechtlichen Graubereich – obwohl das Modell sonst vielleicht die perfekte Flexibilität bietet.

Dass Homeoffice eine Sehnsucht ist, könnte auch mit daran liegen, dass Unternehmen noch viel bei der Gestaltung von Arbeitsplätzen lernen müssten, glaubt Organisationspsychologin Stefanie Bathen aus Frankfurt. „Zufriedenheit und Zusammenarbeit in Großraumbüros ist ein Mega-Thema“, sagt sie. „Für viele Angestellte passt die Arbeitsumgebung nicht zu ihrer Arbeitsweise und sie haben keine Möglichkeiten, das passend zu machen.“ Mal brauche jemand Ruhe für die Kopfarbeit, dann Raum für Kontakte und Austausch. „Vor dem Hintergrund ist Homeoffice häufig nur eine Flucht“, meint Bathen.

Der Trend zu Co-Working Spaces scheint die These zu belegen. Noch sind die meisten davon in Großstädten zu finden. Das könnte sich aber ändern. Karin Schambach von den Indigo Headhunters geht so weit, dass sie das Homeoffice als „generationsspezifische Zwischenlösung“ sieht. „Je mehr Co-Working Spaces es gibt, desto mehr entsteht die Möglichkeit einer Arbeitswelt, die Flexibilität bietet und doch nicht auf das eigene Zuhause beschränkt ist.“ Es müsse zu denken geben, dass die Arbeitenden in Co-Working Spaces wieder büroähnliche Gemeinschaften und Organisationen aufbauen, nur eben ohne das Dach einer konkreten Firma und mit individuellen Absprachen und Regeln. „Möglicherweise ist Homeoffice gar nicht die Lösung. Gerade, wenn man auf die jüngere Generation blickt. Noch sind Co-Working Spaces ein neues Konzept, das unser Arbeitsleben noch nicht prägt. Aber es könnte eines werden“, glaubt Schambach.

Christopher Schmidhofer hält Homeoffice für gut, wenn es eine Möglichkeit unter mehreren bleibt – und nicht einfach nur das kleinere Übel darstellt. „In meinem Co-Working Space gibt es einige Leute, die kommen zwei bis dreimal die Woche. Sie schätzen weiterhin ihren Homeoffice-Tag, nutzen den Arbeitsplatz im Gemeinschaftsbüro aber für Kontakte. Diese Freiheit und Flexibilität zu haben, ist das, was den Leuten tatsächlich hilft.“ Was er beschreibt, betrifft vor allem Freiberufler. Unternehmen rät Schmidhofer, zwei Dinge zu beachten: „Es muss erst einmal technisch möglich sein, von außerhalb zu arbeiten. Das hat mit IT-Sicherheit und Zugriffsmöglichkeiten zu tun. Das andere ist die Unternehmenskultur: Bin ich als Homeoffice-Arbeiter über Kommunikationstools eingebunden oder bin ich ausgeschlossen und kriege nichts mehr mit?“

„Die Unterschiede zwischen den Arbeitgebern sind riesig“, weiß Karin Schambach aus der Praxis als Personaldienstleisterin zu berichten. „Manche, recht überschaubare Firmen, haben bis zu hundert Arbeitszeitmodelle, andere verweigern sich dem fast völlig. Das hängt sehr von der Führungskultur ab. Vor kurzem erst habe sie zum ersten Mal überhaupt einen Kunden gehabt, der bei seinem Personalwunsch keine Vorgaben machte bezüglich Stundenzahl und Arbeitsort. „Das Argument war: Wir verschließen uns keinerlei Talenten.“

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