Fragen & Antworten Sind Sie geimpft? Eine heikle Frage am Arbeitsplatz

Müssen Mitarbeiter ihrem Arbeitgeber demnächst ihren Impfstatus offenlegen? Quelle: dpa

Arbeitgeber haben grundsätzlich weiterhin kein Recht darauf, zu erfahren, ob ihre Mitarbeiter gegen Corona geimpft sind. Das hat das Kabinett beschlossen. Was bedeutet das? Und wie sieht es in anderen Ländern aus? Das Wichtigste im Überblick.

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Sollen Unternehmen das Recht bekommen, den Corona-Impfstatus ihrer Beschäftigten abzufragen? Darüber ist in Deutschland eine Debatte entbrannt. Die Bundesregierung prüft eine Auskunftspflicht für Beschäftigte. Das sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin. Es gebe Argumente dafür und dagegen. „Wir sind jetzt in der Prüfung.“ Das Kabinett hatte zuvor grünes Licht für die Corona-Arbeitsschutzverordnung gegeben, die verlängert und ergänzt wurde. Arbeitgeber müssen künftig Mitarbeiter während der Arbeitszeit freistellen, wenn sich diese impfen lassen wollen. Sie müssen Mitarbeiter zudem über Risiken einer Covid-Erkrankung und Impfmöglichkeiten informieren. Eine Abfrage zum Impfstatus ist aber nicht vorgesehen.

Was hat das Bundeskabinett genau beschlossen?

Arbeitgeber bekommen mit der Verordnung weiterhin nicht das Recht, Auskunft über den Impf- oder Genesenenstatus der Beschäftigten zu erhalten. Allerdings sollen sie diesen Status der Beschäftigten bei der Festlegung der erforderlichen Schutzmaßnahmen berücksichtigen, sofern sie ihn kennen.

Wie ist die rechtliche Lage?

Gesundheitsdaten zählen nach Angaben der Landesdatenschutzbeauftragten von Nordrhein-Westfalen, Bettina Gayk, „zu den speziell geschützten besonderen Arten von personenbezogenen Daten“, deren Verarbeitung laut EU-Datenschutzgrundverordnung grundsätzlich untersagt ist. Arbeitgeber dürfen ihre Mitarbeiter also nicht nach ihrem Impfstatus fragen, weil es hier um Gesundheitsdaten geht. Für diese setzt der Datenschutz laut Thomas Gennert, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei der Kanzlei McDermott Will & Emery, hohe Hürden: „Zulässig ist die Erhebung solch sensibler Informationen ohne Rechtfertigung nur, wenn der Mitarbeiter einwilligt. Diese Einwilligung muss freiwillig sein.“

Der Mitarbeiter könne sonst eine Beschwerde bei der zuständigen Datenschutzbehörde einreichen – und im schlimmsten Falle könne die ein Bußgeld verhängen, so Gennert. Sollte der Chef trotzdem nach dem Impfstatus fragen, müssen Mitarbeiter laut dem Arbeitsrechtler nicht die Wahrheit sagen, zumindest könne der Arbeitgeber dem Mitarbeiter später nicht vorwerfen, gelogen zu haben. Denn: Die Frage selbst war schließlich schon unzulässig. (Das ganze Interview mit Anwalt Gennert lesen Sie hier.)

Welche Ausnahmen gibt es?

Im engen Rahmen ermöglicht das Bundesdatenschutzgesetz Ausnahmen. Demnach dürfen Gesundheitsdaten unter Umständen abgefragt werden, wenn das für die Ausübung des Berufs notwendig ist. Rechtlich konkretisiert wird das für Gesundheitsberufe in Paragraf 23a des Infektionsschutzgesetzes: Dort wird beispielsweise Kliniken ausdrücklich erlaubt, den Impfstatus ihrer Beschäftigten abzufragen, wenn es zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten erforderlich ist. In solchen Berufen kämen Beschäftigte mit Personen in engen Kontakt, die sich vor Corona nicht wirksam selbst schützen könnten, erklärt Brink.

Wie sieht es in europäischen Nachbarländern aus?

In Österreich dürfen Arbeitgeber unter bestimmten Umständen den Impfstatus von Arbeitnehmern abfragen. So können laut Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) Arbeitgeber dann nach dem Impfstatus fragen, „wenn der Gesetzgeber das Betreten der Arbeitsstätte nur bei Vorliegen eines negativen Covid-19-Tests erlaubt“. Das gilt etwa für Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime oder Wohneinrichtungen der Behindertenhilfe. Auch in anderen Fällen ist in Österreich eine Abfrage des Impfstatus durch den Arbeitgeber möglich. Entscheidend dafür sei eine „Interessenabwägung“. „Dabei muss zwischen dem Recht auf Privatleben bzw. dem Persönlichkeitsschutz und der Berücksichtigung legitimer Interessen zur Vermeidung der Gefährdung anderer und der Aufrechterhaltung des Betriebes abgewogen werden“, heißt es von der WKÖ.

In der Schweiz wird derzeit noch diskutiert, ob Arbeitgeber den Impfstatus der Angestellten einsehen dürfen. Ende August hat der Schweizer Bundesrat einen Vorschlag vorgelegt, wonach der Arbeitgeber befugt sein soll, Angestellte explizit nach deren Impfstatus zu fragen. Begründet wird dieser Schritt mit der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers einschließlich Gesundheitsschutz gegenüber den Angestellten. Ob und wann der Vorschlag umgesetzt wird, ist noch unklar. Kritiker des Vorschlags befürchten laut Schweizer Medien eine Ungleichbehandlungen am Arbeitsplatz. Befürworter des Vorschlags stellen die Rechtssicherheit heraus, die diese Regelung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer bringen würde.

Was hatten sich Befürworter von einer Ausweitung der Auskunftspflicht in der Praxis erhofft?

Aus Arbeitgebersicht wäre damit ein weiterer Schritt Richtung mehr Normalität möglich gewesen: Wenn klar ist, dass alle oder viele im Betrieb geimpft sind, könnten etwa Abstandsvorgaben oder Maskenvorschriften wegfallen. „Wenn alle im Großraumbüro geimpft sind, kann ich damit anders umgehen, als wenn da 50 Prozent nicht geimpft sind“, hatte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bei „Hart aber fair“ im Ersten gesagt.

Der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Steffen Kampeter, sagte am Dienstag, es gehe nicht darum, den Gesundheitsdatenschutz abzuschaffen. Die Abfrage des Impfstatus' diene ausschließlich dazu, dass man allen Beschäftigten im Betrieb einen optimalen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen könne.

Was sagten Arbeitgeber zur Idee?

Thilo Brodtmann, Hauptgeschäftsführer beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), hatte die Regierung am Dienstag zum Handeln aufgefordert: „Eine Antwort auf die Frage, ob Beschäftigte ihrem Arbeitgeber über ihren Impfstatus Auskunft geben müssen, ist überfällig.“ Er sprach sich für eine solche Auskunftspflicht aus. Es sei „nur logisch, dass die Arbeitnehmer alles tun müssen, um ihrerseits das Ansteckungsrisiko gen Null zu reduzieren. Dazu gehört mindestens eine Auskunftspflicht, ob sie geimpft sind oder nicht“.

Der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Rainer Dulger, hatte am Montag erklärt: „Unternehmen und Betriebe brauchen jetzt eine klare Ansage, dass sie den Impfstatus ihrer Beschäftigten erfragen dürfen, um die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit aller ihrer beschäftigten Mitarbeiter sicherzustellen.“

Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) unterstützte die Position der Arbeitgeber. An vielen Orten in Deutschland müssten Bürger Auskunft geben über ihren Status, um Zutritt zu erlangen etwa zu Restaurants. „Für mich ist es eine Selbstverständlichkeit, dass auch im betrieblichen Arbeitsprozess, dort wo Auskünfte über den Impfstatus notwendig sind und sinnvoll sind, um die innerbetrieblichen Abläufe zu erleichtern, diese Auskünfte gegeben werden sollen.“ Er gehe davon aus, „dass wir bis zum Ende der Woche wissen werden, was möglich ist“. Die Gespräche innerhalb der Regierung seien schwierig, vor allem zwischen Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Spahn. Es gehe darum, Infektionen zu verhindern und betriebliche Abläufe zu verbessern, dabei könne ein Auskunftsrecht der Arbeitgeber helfen, so Altmaier.

Wie argumentierten Gegner des Vorstoßes?

Heil hatte sich beispielsweise gegen eine Impfstatusabfrage von Arbeitgebern unter Beschäftigten ausgesprochen. „Ein generelles Auskunftsrecht des Arbeitgebers wird es nicht geben können, das Arbeitsrecht gibt das nicht her“, sagte der SPD-Politiker im ARD-„Morgenmagazin“. Es sei zwar weiter wichtig, dass die Arbeitswelt nicht zum Infektionsherd werde. „Was nicht geht, ist, dass wir sehr persönliche Daten über den Gesundheitsstatus allen zugänglich machen.“

Gleichzeitig sprach sich Heil aber für pragmatische Lösungen aus. So sei es etwa möglich, über das Infektionsschutzrecht an besonders sensiblen Arbeitsplätzen wie Krankenhäusern oder Altenheimen eine Art 3G-Regel aufzustellen – also von Arbeitnehmern den Nachweise zu verlangen, dass sie entweder genesen, geimpft oder getestet sind.

Zu einer solchen pragmatischen Lösung müsse der Gesundheitsminister aber einen rechtssicheren Vorschlag machen, sagte Heil. „Man muss solche Forderungen auch mal zu Ende denken. Man kann nicht nur in einer Talkshow immer irgendwas fordern.“

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht hatte Heil in seiner Ansicht gestützt. Sie hält ein Auskunftsrecht des Arbeitgebers mit Blick auf den Impfstatus der Beschäftigten nur in Ausnahmefällen für vertretbar. „Gesundheitsdaten von Beschäftigten sind besonders sensibel, dazu gehört auch die Frage einer Impfung gegen das Coronavirus“, sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Mittwochausgaben). Ein Auskunftsrecht von Arbeitgebern sei daher nur in bestimmten Fällen vorstellbar, „in denen es um besondere Gefährdungssituationen geht“.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund hatte den Vorstoß auch sehr skeptisch gesehen: Die Forderung sei ein „No-Go“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel. „Die Information, ob jemand geimpft ist, unterliegt wie alle anderen Gesundheitsdaten der Beschäftigten dem Datenschutz, sie hat Arbeitgeber nicht zu interessieren.“ Verdi-Chef Frank Werneke sagte: „Wir werben dafür, dass sich Beschäftigte impfen lassen, es darf aber keine Impfpflicht durch die Hintertüre geben.“ Für Beschäftigte dürfe nicht aus „3G“ einfach „2G“ gemacht werden. „Das stößt auf unseren entschiedenen Widerstand.“ Die Möglichkeit etwa, Zugang zu Innenräumen durch Vorlage eines negativen Tests zu erhalten, dürfe nicht ausgehebelt werden, sagte Werneke. Die Tests seien dabei weiter durch die Arbeitgeber zu finanzieren.

„Auch in Bereichen wie der Gastronomie, Kinos oder Clubs muss für die Beschäftigten weiter „3G“ gelten, selbst wenn einzelne Länder hier „2G“ vorschreiben“, forderte der Gewerkschaftsvorsitzende. „Denn es ist ein Unterschied, ob man freiwillig zu einer Kulturveranstaltung geht oder ob man dort arbeitet. Das gilt im Übrigen auch für Kitas“, sagte Werneke.

Welche Pläne hat die Bundesregierung sonst für Betriebe?

Das Bundeskabinett hat am Mittwoch die Corona-Arbeitsschutzverordnung für Unternehmen und ihre Beschäftigten verlängert. Die Verordnung von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wird an die Dauer der epidemischen Lage gekoppelt und somit bis einschließlich 24. November 2021 verlängert, wie das Bundesarbeitsministerium in Berlin mitteilte. Neu gilt ab 10. September eine Verpflichtung der Arbeitgeber, Beschäftigte über die Risiken einer Covid-19 Erkrankung und Impfmöglichkeiten zu informieren, Beschäftigte zur Wahrnehmung von Impfangeboten freizustellen und die Betriebsärzte bei betrieblichen Impfangeboten zu unterstützen.

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Ansonsten gelten bestehende Regeln fort, etwa die Pflicht zu betrieblichen Hygieneplänen und zum Angebot von Schnell- oder Selbsttests mindestens zweimal pro Woche. Homeoffice soll weiter als Möglichkeit der Kontaktreduzierung dienen. Wo andere Maßnahmen keinen ausreichenden Schutz bieten, müssen Arbeitgeber mindestens eine medizinische Schutzmaske zur Verfügung stellen.

Mehr zum Thema: Unternehmen sollten die Möglichkeit haben, den Impfstatus ihrer Belegschaft zu erfragen. Es ist der einzige Weg aus dieser Pandemie. Ein Kommentar.

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