Frauen in der Fintech-Branche „Du kannst noch so gut sein, ich werde trotzdem mehr verdienen“

Delia König: Die 27-Jährige leitet die Identity-Abteilung des Fintech-Unternehmens Solarisbank. Quelle: solarisbank

Mit 27 Jahren hat Delia König eine Führungsposition bei der Solarisbank inne. Als junge Frau erregt sie damit große Aufmerksamkeit. Im Interview erklärt sie, was sich in der männerdominierten Fintech-Branche ändern muss.

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Die Fintech-Szene in Deutschland boomt, junge Unternehmen konnten im vergangenen Jahr so viel Geld wie nie einsammeln. Doch nicht alle haben teil am Erfolg der neuen Finanztechnologien: Mitarbeiterinnen, weibliche Führungskräfte und Gründerinnen gibt es in der Szene nur wenige. Zwar gibt es keine aktuelle Studie dazu, wie viele Frauen tatsächlich in der Fintech-Szene arbeiten. Doch Erfahrungsberichte von Personalern oder Gründerinnen zeichnen ein recht einseitiges Bild.

Eine der Frauen, die trotz weniger Vorbilder derzeit in der Fintech-Branche Karriere macht, ist Delia König. Die 27-jährige leitet die Identity-Abteilung des Fintech-Unternehmens Solarisbank und entwickelt Lösungen, mit denen Unternehmen ihre Kunden digital identifizieren können. Mit ihrer Arbeit schaffte es die Wahl-Berlinerin dieses Jahr auch auf die europäische 30-Under-30-Liste des Wirtschaftsmagazins Forbes.

WirtschaftsWoche: Frau König, Sie haben mit 17 Jahren angefangen, Wirtschaftsinformatik zu studieren. Sie waren also recht jung und eine von nur wenigen Frauen im Studiengang. Wie haben Sie das Studium erlebt?
Delia König: Ich habe meine Studienzeit sehr genossen und bin sehr froh, dass ich mich damals dazu entschlossen habe – obwohl wir bei 120 Leuten in meinem Semester nur sechs Frauen waren. Da kam es schon vor, dass männliche Kommilitonen so etwas gefragt haben wie „Warum studierst DU eigentlich Wirtschaftsinformatik?“ Ein Kommilitone sagte sogar einmal abends beim Bier: „Delia, du kannst noch so gute Noten im Studium haben, ich werde trotzdem später im Beruf mehr verdienen als du.“

Wie war das für Sie, mit solchen Aussagen konfrontiert zu werden und sich ständig behaupten zu müssen?
Natürlich haben mich solche Sätze geärgert. Aber ich habe sie immer als Ansporn gesehen und mich auch davon motivieren lassen. Es kann aber auch passieren, dass man anfängt, sich an solche Stereotypen anzupassen.

Wie meinen Sie das?
Rückblickend bin ich vermutlich eher in die Business- als in die Programmier-Richtung der Wirtschaftsinformatik gegangen, weil ich mit dem Vorurteil konfrontiert wurde, dass Frauen technisch weniger Ahnung haben. Als junger Mensch lässt du dich von solchen Aussagen stärker beeinflussen – auch wenn ich mir wünsche, das hätte mich kalt gelassen. Daher bin ich sehr froh, dass ich in meiner heutigen Aufgabe beide Seiten zusammenbringen kann: Ich habe in meiner Karriere als Produktverantwortliche für Fintech-Produkte viel technologisches Wissen einbringen können und bin als Managing Director bei Solarisbank neben dem Produkt jetzt auch für den wirtschaftlichen Erfolg des gesamten Bereichs verantwortlich.

Mit 21 Jahren haben Sie gemeinsam mit zwei Mitgründern ein IT-Unternehmen gestartet. War es eine schwierige Entscheidung, den Job aufzugeben und zu gründen?
Ich habe nicht lange darüber nachgedacht, weil ich einfach Lust hatte, zu gründen. Als wir dann das EXIST-Stipendium des Bundeswirtschaftsministeriums bekommen haben, wollten wir die Idee auf jeden Fall umsetzen. Von daher ist es mir sehr leichtgefallen.

„Warum bin ich eigentlich jetzt gerade hier?“

Was ist aus dem Unternehmen geworden?
Wir haben das Unternehmen zwei Jahre vorangetrieben und viel ausprobiert. Im zweiten Jahr hatten wir einen riesigen Erfolg, als wir unsere Software an eine Sparkasse verkauft haben. Die Idee ist aber nicht so durch die Decke gegangen, wie wir es uns damals in der ersten Gründungswoche erhofft hatten. Wir sind dann im Guten auseinander gegangen und haben uns neuen Projekten gewidmet.

Würden Sie sich noch einmal selbstständig machen?
Ja, auf jeden Fall. Jetzt gerade ist es für mich kein Thema; ich bin sehr glücklich bei der Solarisbank. Irgendwann werde ich das aber bestimmt noch einmal machen, selbst zu gründen war eine tolle Erfahrung.

Wie in Ihrem Studium gibt es auch in der Fintech-Szene nicht besonders viele Frauen. Was erleben Sie da?
Ich hatte das Glück, in meinen bisherigen Jobs mit tollen Chefs zu arbeiten, die mich extrem gefördert haben. Mir ist aber auch aufgefallen, je weiter ich aufgestiegen bin: Es gibt noch immer wenige Frauen in Führungspositionen. In einer solchen Position denkt man sich dann auch manchmal: Warum bin ich eigentlich jetzt gerade hier? Verdiene ich das? Auch wenn mir solche Fragen gelegentlich kommen, weiß ich, dass Selbstzweifel nicht angebracht sind. Ich wäre nicht hier, wenn ich es nicht mit meiner Leistung erarbeitet hätte.

Gab es Situationen, in denen Sie sich besonders unterrepräsentiert gefühlt haben?
Ich erinnere mich an ein Meeting, bei dem rund 20 Manager im Raum saßen. Ich war die einzige Frau – und ich glaube auch die einzige unter 30. Meine älteste Schwester ist ebenfalls in einer Führungsposition in einer männerdominierten Branche und ich habe ihr damals geschrieben, wie alleine ich mich in dieser Situation fühle. Sie hat dann geantwortet: „Überleg mal: Du hast jetzt gerade die Chance, der Runde zu zeigen, dass auch jemand weibliches, junges genau dorthin gehört und das rocken kann.“ Das hat mich motiviert. Man kann den Anfang für viele weitere Frauen in diesen Runden machen.

Es ist zwar wichtig, über die Herausforderungen von Frauen im Arbeitsleben zu reden. Gleichzeitig dürfen Genderthemen natürlich nicht die Berichterstattung zu Frauen ausmachen. Wie sehen Sie das?
Generell finde ich es wichtig, dass mehr erfolgreiche Frauen in den Medien zu sehen sind. Die deutsche Fintech-Szene besteht fast ausschließlich aus männlichen CEOs. Auch wenn man an die CEOs großer Fintechs in Europa denkt – bis auf wenige Ausnahmen sind alles Männer. Es fehlen mehr weibliche Vorbilder. Im Gegensatz dazu war ich letzte Woche beim Global Summit von Forbes, der dieses Mal das Thema Female Entrepreneurship hatte. So viele tolle Frauen, die ihr Ding trotz jeglicher Vorbehalte durchgezogen haben – das war extrem inspirierend!

Wie gehen Sie damit um, dass Sie trotz allem auch wegen Ihres Geschlechts und Ihres jungen Alters auffallen?
Ich hoffe, dass wir irgendwann an den Punkt kommen, an dem mehr über Ideen als über Frauen-Männer-Verhältnisse geredet wird. Irgendwann ist das hoffentlich kein Thema mehr. Ich will mit Ergebnissen überzeugen, anstatt aufgrund meines Alters in eine Schublade gesteckt zu werden. Die traditionelle Bankenwelt wird von Männern dominiert, die schon sehr lange in ihrem Job sind und schon sehr lange in dieser Industrie gearbeitet haben. Gerade in solchen Runden ist es schwer, als junge Person wirklich mitreden, an einem Tisch sitzen und Entscheidungen treffen zu können. Die Bankenwelt ist noch sehr in einem traditionellen Mindset gefangen, in dem Alter etwas über Fähigkeiten aussagt. Dadurch werden zu wenig Innovationskraft, neue Ideen und agile Unternehmensformen in die Banken getragen.

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