Frauen in der Tech-Branche „Frauen müssen zeigen, was sie können“

Ina Remmers Quelle: PR

Ina Remmers Berufung in die Geschäftsführung ihres eigenen Start-ups bezeichnete ihr Mitbegründer als „starkes Signal für die Branche der Tech-Unternehmen“. Im Interview spricht sie über falsch verstandenen Fleiß und die Bedeutung von Vorbildern.

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Frau Remmers, Sie sind Mitgründerin des im Jahr 2015 ins Leben gerufenen Start-ups Nebenan.de – wurden aber erst Mitte dieses Jahr in die Geschäftsführung berufen. Warum gingen dafür drei Jahre ins Land?
Ich bin gewissermaßen mit dem Unternehmen gewachsen. Wir waren ein Gründerteam von sechs Personen. Gerade in der Anfangsphase als kleines Unternehmen reichte es, wenn einer oder zwei die Verantwortung als Geschäftsführer übernehmen.

Was dann aber ausgerechnet Männer waren.
Schon, aber eben auch diejenigen, die mit der Rolle der Geschäftsführung bereits Erfahrung hatten. Mein Fokus lag von Anfang an auf Markenentwicklung und Kommunikation. Seit der Gründung hat sich das Unternehmen enorm weiterentwickelt, sodass wir die Aufgaben nun auf mehr Schultern verteilen.

Ihr Mitgründer Christian Vollmann sieht Ihre Berufung in die Geschäftsführung als „starkes Signal für die Branche der Tech-Unternehmen“, weil Frauen in der Geschäftsführung von Start-ups mit einem Anteil von nur 15 Prozent noch immer stark unterrepräsentiert seien. Fühlen Sie sich da nicht als Quoten-Frau?
Ich stelle mir die Frage selbst auch immer wieder. Aber ich persönlich erlebe mich nicht so. Ich bin aufgewachsen in Ostdeutschland, wo wir mit der Gleichberechtigung gefühlt schon ein Stückchen weiter waren. Daher habe ich immer auf das vertraut, was ich kann – und sehr wenig an männlich oder weiblich gedacht. Wenn mich jemand als Quotenfrau betitelt, dann ist das halt so. Aber die Zahlen zeigen, dass wir in diesem Bereich Aufholbedarf haben. Es gibt viele Frauen da draußen mit Potenzial, die auf ihre Chance warten.

Haben es Frauen in der Tech-Branche schwerer als anderswo?
Ja, aber ich sehe eine positive Entwicklung. Ich freue mich, dass im IT-Team von Nebenan.de mittlerweile mehr als ein Drittel Frauen arbeiten. Wir können aber meines Erachtens nicht erwarten, dass sich von heute auf morgen alles schlagartig ändert. Viele Strukturen und Verhältnisse sind gewachsen, auch wenn gerade die Start-up-Szene sehr dynamisch ist.

Wirklich? Gründerinnen aber sind in Deutschland nach wie vor deutlich seltener als Gründer.
Weil wir alle mit einer gewissen Erziehung und auch gewissen Stereotypen groß geworden sind. Vieles, was in Unternehmen passiert, kann man Männern noch nicht einmal vorwerfen, sondern läuft unterbewusst ab. Aber es führt zu einer strukturellen Benachteiligung von Frauen: Weil viele Chefs eben immer noch nicht bewusst nach ihnen schauen. Daher sind wir Frauen auch gefordert, weiter Aufklärungs- und Entwicklungsarbeit zu leisten.

Früher hieß es oft, Frauen würden nicht so intensiv netzwerken wie Männer – als ein Grund für die geringere Zahl von Aufsteigerinnen. Mittlerweile gibt es aber insbesondere in Berlin diverse Frauen-Netzwerke. Was haben die bewirkt?
Das kann ich persönlich, ehrlich gesagt, schlecht einschätzen, weil ich selbst nicht sehr stark in diesen Netzwerken aktiv bin – das ist eben vor allem eine Zeitfrage. Was aber dadurch bewirkt wird, ist ganz klar: Das Thema Gleichberechtigung gelangt in die Öffentlichkeit, Frauen werden sichtbar und bekommen eine Stimme. Dadurch werden wiederum mehr Frauen zu Panels eingeladen, wo sie ihr Knowhow zeigen können. Daher halte ich solche Netzwerke vor allem dann für wichtig, wenn sie sich darauf konzentrieren, das Können der jeweiligen Frau herauszustellen – und nicht nur die Tatsache, dass sie eine Frau ist.

Wäre die Gleichberechtigung von Frauen innerhalb der Start-up- und Tech-Welt auch etwas, worum sich Politiker stärker kümmern sollten?
Die Politik kann über die Frauenquote den ersten Schritt machen, aber ich halte nicht viel von weiteren Regeln durch Politiker. Ich glaube, dass da viel mehr von unten nach oben in den Unternehmen passieren muss. Das Beste, was die Politik machen kann, ist selbst mit gutem Beispiel voran zu gehen. Da sind wir ja an manchen Stellen auch schon einen Schritt weiter – und damit meine ich nicht nur die Bundeskanzlerin.

Wie sind Ihre eigenen Erfahrungen heute, nach einem knappen halben Jahr in der Geschäftsführung von Nebenan.de? Was hat sich für Sie selbst geändert?
Mein Aufgabenfeld hat sich deutlich erweitert, die Verantwortung ist noch einmal gewachsen – obwohl ich als Mitgründerin ja ohnehin zu 110 Prozent drinstecke. Über Kategorien wie Geschlechter und die Frage der Gleichberechtigung habe ich mir vorher weniger Gedanken gemacht. Jetzt sehe ich aber sehr wohl die Verantwortung, die mit meinem Job einher geht. Daher befasse ich mich unter anderem damit, wie ich für die Frauen in unserem Unternehmen Inspiration und Vorbild sein kann.

Fühlen Sie sich als „role model“ für andere Frauen in der Start-up- und Tech-Branche?
Durchaus. Ich halte das für enorm wichtig und glaube generell, dass es in der Berufswelt sehr bedeutsam ist, Vorbilder und Mentoren zu haben – also Menschen, an denen man sich orientieren kann und die einem auch mal die Hand reichen können – und zwar unabhängig von Mann oder Frau. Ich merke das auch im direkten Gespräch mit jungen Frauen, entweder bei uns im Unternehmen oder bei Gründerveranstaltungen, dass Vorbilder, wie ich es jetzt bin, anderen Mut machen.

An welchen Vorbildern haben Sie sich selbst orientiert?
Für mich war Mentoring vom ersten Tag an entscheidend. Mit Nebenan.de-Mitgründer Till Behnke etwa hatte ich vorher ja schon bei der Spendenplattform Betterplace zusammengearbeitet und da bereits viel von ihm gelernt. Und in den vergangenen Jahren ist dann durch den weiteren Mitgründer Christian Vollmann auch noch viel Wissen aus der Start-up-Welt hinzugekommen. Das war für mich ein absoluter Glücksmoment, gemeinsam mit so einem versierten Team am Projekt Nebenan.de arbeiten und wachsen zu können – bis zu dem Punkt, dass wir jetzt gemeinsam die Geschäfte unseres Unternehmens leiten.

Und umgekehrt – wie begleiten Sie potenzielle weibliche Führungskräfte innerhalb von Nebenan.de?
Der erste Schritt ist erst einmal, dass ich sehr präsent in der Firma bin. Es ist mir sehr wichtig, dass ich anwesend und ansprechbar bin. Es geht mir darum, dass man seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen mit gutem Beispiel vorangeht. Wenn man jungen Frauen das Angebot macht, jederzeit auf einen zuzukommen, nutzen die das auch – das tun sie dann bevorzugt bei mir anstatt bei meinen Mitgeschäftsführern. Genau so soll es auch sein. Dann achte ich auch auf regelmäßige Gespräche, um potenziellen Führungsfrauen ein Feedback darüber zu geben, wo sie beruflich gerade stehen. So begleite ich die eine oder andere Frau, die Interesse daran zeigt, mehr zu wollen und weiter zu wollen.

Und was fehlt also, damit Männer und Frauen den gleichen Einfluss in der Geschäftsführung von Tech-Unternehmen haben?
Mein Appell an andere berufstätige Frauen: Macht Euch sichtbar! Häufig machen Frauen im Unternehmen wahnsinnig viel – sie zeigen sich aber nicht. Frauen müssen zeigen, was sie können und sollten sich nicht unter Wert verkaufen. Das erlebe ich immer wieder. Es ist wichtig, dass sich Frauen nicht abspeisen lassen. Und für Männer ist es wichtig, dass sie viele hoffentlich gute Beispiele erleben, wo sie mit Frauen zusammenarbeiten – damit eine Situation wie bei uns in der Geschäftsführung dann irgendwann überall zur Normalität wird.

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