Gehaltstest So viel ist Ihre Arbeit wert

Ob Einsteiger, Fach- oder Führungskraft: 2015 dürfen sich Arbeitnehmer über ein ordentliches Plus auf dem Lohnzettel freuen. Zu diesem Ergebnis kommt der große Gehaltstest der WirtschaftsWoche, für den die Vergütungsexperten von Gehaltsvergleich.com mehr als 500 Berufe und Einkommen miteinander verglichen haben.

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Daniel Kronsbein Quelle: Christof Mattes für WirtschaftsWoche

Die Schlagzeilen der vergangenen Jahre haben ihn zweifeln lassen. Wer will schon in einer Branche arbeiten, in der Geldwäsche für mexikanische Drogenkartelle und iranische Terroristen durchaus üblich waren? Oder in der Zinssätze manipuliert und Millionenbeträge am Fiskus vorbeigeschleust wurden? Eben. Doch Daniel Gustav Kronsbein wollte sich seinen Kindheitstraum partout nicht zerstören lassen. Und einen ganzen Berufsstand wegen einiger weniger Unbelehrbaren verteufeln? Das ginge ihm dann doch zu weit. „Ich hatte schon immer geplant, Banker zu werden“, sagt der 25-Jährige.

Und deswegen hat sich Kronsbein nach zwei Auslandsaufenthalten, einem Betriebswirtschafts- und einem Managementstudium sowie fünf Praktika bei Beratungsfirmen wie Simon-Kucher & Partners und KPMG gegen die Berater- und für eine Bankerkarriere entschieden.

Seit vergangenem Herbst arbeitet er als Trainee bei der DZ Bank in Frankfurt. Die Zentralbank der meisten Volksbanken und Raiffeisenbanken gibt sich bieder, aber skandalfrei. Und: Sie ist laut einer EU-Verordnung seit 2010 zu Transparenz bei einzelnen Mitarbeiterkategorien verpflichtet – Vergütung inklusive. Kronsbein wusste also schon vorher, auf was er sich finanziell einlässt. „Ich finde es sehr gut, dass man transparent die Verdienstmöglichkeiten erfährt“, sagt Kronsbein. Und sein Gehalt ist für einen Einsteiger mehr als ordentlich: Dank seiner beiden Wirtschaftsstudiengänge bekommt er pro Jahr 55.000 Euro brutto.

Dieses Einstiegsgehalt bringt die Studienrichtung

Geht es nach Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig, sollen bald weit mehr Arbeitnehmer von vornherein besser über ihre Verdienstmöglichkeiten Bescheid wissen. Denn die SPD-Politikerin will noch in diesem Jahr ein Gesetz auf den Weg bringen, das Firmen dazu zwingt, zumindest das Gehaltsniveau von vergleichbaren Berufspositionen auf Anfrage offenzulegen.

Schwesig rüttelt damit an einem der großen Tabus der deutschen Arbeitswelt. An Stammtischen und Talkshows wird zwar gerne und heftig über Gehälter diskutiert – etwa über das 16-Millionen-Euro-Salär, das VW-Chef Martin Winterkorn 2014 bezog, der damit der bestbezahlte deutsche Konzernlenker ist.

Aber beim eigenen Einkommen schweigen die Deutschen lieber. Fast zwei Drittel der Arbeitnehmer fühlen sich unwohl dabei, offen über ihr Gehalt zu sprechen, und verweisen bevorzugt auf Stillschweigeklauseln, Verschwiegenheitspflichten und Betriebsgeheimnisse. Das ergibt eine aktuelle Umfrage der Firmenbewertungsplattform Glassdoor.

Die WirtschaftsWoche hat mehr als 500 Berufe und Einkommen miteinander verglichen. Das Fazit: Ob Einsteiger, Fach- oder Führungskraft: 2015 dürfen sich Arbeitnehmer über ein ordentliches Plus auf dem Lohnzettel freuen.

Während die Politik also noch an der Gehaltstransparenz bastelt, hat die WirtschaftsWoche nachgerechnet: In welchen Branchen am besten gezahlt wird, ein Abschluss in welchem Studienfach das höchste Einstiegsgehalt verspricht und welche Regionen Deutschlands in puncto Einkommen top sind, zeigt der große Gehaltsreport, den Geschäftsführer Tim Böger und sein Team vom Vergütungsportal Gehaltsvergleich.com für die WirtschaftsWoche erstellt haben.

Ärzte und Ingenieure vorn

Die Studie vergleicht 25 Berufe aus 23 Branchen – vom Produktionsleiter in der Automobilindustrie über den Softwareentwickler in der Telekommunikationsbranche bis zum Geschäftsführer einer Bank. Angesichts der Millionengehälter von Top-Managern wirken zwar viele der errechneten Einkommen auf den ersten Blick niedrig – wie die rund 350.000 Euro Jahressalär für den Geschäftsführer eines Großhändlers. Doch bei den insgesamt etwa 3,7 Millionen Unternehmen in Deutschland – wovon mehr als 99 Prozent kleinere und mittlere Betriebe sind – fallen die Gehälter von Großkonzernen bei dieser Durchschnittsberechnung kaum ins Gewicht.

Für die Erhebung haben die Vergütungsexperten mehr als 230.000 Datensätze ausgewertet – 212.000 von einfachen Mitarbeitern, knapp 18.000 von Führungskräften. Die gute Nachricht für das Gros der Arbeitnehmer: 2015 gehen die Einkommen voraussichtlich einen Tick stärker nach oben als noch im Jahr zuvor.

Welche Branchen mehr als der Durchschnitt zahlen

„Im Schnitt dürften die Gehälter um zwei bis drei Prozent ansteigen“, sagt Vergütungsspezialist Böger. Bei einer Inflationsrate von aktuell 0,3 Prozent bedeuten auch zwei bis drei Prozent Aufschlag netto einen ordentlichen Zugewinn.

Das durchschnittliche Einstiegsgehalt der zehn bestbezahlten Fachrichtungen liegt nach Berechnungen der Vergütungsexperten in diesem Jahr bei knapp über 44.000 Euro – ein Plus von rund 2,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Ingenieure und Mediziner führen schon fast traditionell das Feld der Spitzenverdiener an. Zu den größten Gewinnern gehören derzeit aber Biologen, Chemiker und Physiker. Die Naturwissenschaftler kommen im Jahresvergleich auf ein Plus von mehr als vier Prozent und verdienen 2015 im Schnitt knapp 50.000 Euro am Anfang ihrer Karriere in Unternehmen.

Brutto-Durchschnittsgehälter nach Branchen
Frankfurter Bankenskyline Quelle: dpa
Radlager Quelle: dpa
Computer Quelle: dpa
Autoindustrie Quelle: dpa
Versicherung Quelle: dpa
Medizintechnik Quelle: dpa
Messe Quelle: dpa

Ein Gehalt, von dem Nichtakademiker nur träumen können. Zwar verdienen viele Fachkräfte auch ohne Uniabschluss gut, weil die Anforderungen an Auszubildende heute weit höher sind als vor 10 oder 20 Jahren. Eine Entwicklung, die sich auch auf dem Gehaltszettel widerspiegelt. Doch das deutliche Lohngefälle zwischen Akademikern und Nichtakademikern wird dadurch nicht ausgeglichen. So kassiert laut dem Vergütungsportal Gehaltsvergleich.com ein Akademiker unter 30 mit zwei Jahren Berufserfahrung im Schnitt 45.000 Euro pro Jahr, während ein Nichtakademiker im vergleichbaren Alter und etwa sechs Jahren Berufserfahrung nur rund 33.000 Euro verdient.

Doch nicht nur Bildung und Berufserfahrung finden sich letztlich auf dem Gehaltszettel wieder: Auch je nach Branche und Arbeitsort kann es zu gehörigen Lohnunterschieden kommen. So verdient der Leiter der IT-Abteilung in einem Luftfahrtunternehmen teils um bis zu 30.000 Euro mehr als der Technik-Verantwortliche in einem Logistikbetrieb.

Welche Branchen weniger als der Durchschnitt zahlen

Und wer in München arbeitet, verdient im Schnitt um 23 Prozent mehr als Beschäftigte in Bremen. Das liegt an den höheren Lebenshaltungskosten in der bayrischen Landeshauptstadt. Allerdings ist das Nord-Süd-Gefälle auch damit erklärbar, dass in München viele Dax-Konzerne wie Siemens, Allianz und Munich Re beheimatet sind. Denn auch diese Regel gilt: Große Unternehmen bezahlen besser als kleine. Und Vertriebler verdienen mehr Geld als Sachbearbeiter oder Personaler.

Der Zeitfaktor ist nicht zu unterschätzen

Wer richtig gut verdienen will, muss sich in Karrierefragen beeilen. Die ersten zehn Jahre im Beruf entscheiden über den weiteren Verdienst im gesamten Leben. Das zeigt eine im Februar veröffentlichte Studie im Auftrag der Federal Reserve Bank of New York. Ökonomen haben dafür Daten von fünf Millionen US-Arbeitnehmern über einen Zeitraum von 40 Jahren ausgewertet.

Zwar lassen sich die Erkenntnisse aus den USA nicht eins zu eins auf den europäischen Arbeitsmarkt übertragen. Aber eine Entwicklung ist unverkennbar: Die Zeiten, in denen man gemächlich ins Berufsleben starten konnte, weil die Karriere ohnehin ein ganzes Leben andauert, sind vorbei. Wer die Konkurrenz mit Mitte 30 noch nicht abgehängt hat, wird wohl nie zu den Top-Verdienern gehören.

Verena König

Verena König muss sich da keine Sorgen machen. Die 27-Jährige zählt schon jetzt zur Einkommenselite. Seit drei Jahren arbeitet sie als Strategieberaterin bei Accenture, dem weltgrößten Outsourcing- und Beratungsdienstleister. Sie berät Banken dabei, Strategien für mobile Geräte zu entwickeln – damit Kunden ihre Geldgeschäfte künftig vor allem per App auf Smartphones und Tablets erledigen können.

„Ich bin ein Zahlenmensch“, sagt König. Und das ist ein großer Vorteil. Denn viele Frauen gibt es in ihrer Branche nicht. Schon während des Bachelor-Studiums in internationaler Betriebswirtschaftslehre und später beim Management-Master genoss sie einen Exotenstatus. Das machte sich schnell bezahlt.

Verdienen Sie genug?

König hatte ihre Masterarbeit noch nicht abgegeben, da unterschrieb sie schon ihren Arbeitsvertrag bei Accenture. Angestellte in ihrer Position und mit vergleichbarer Berufserfahrung verdienen bei dem Consulting-Konzern bis zu 95.000 Euro im Jahr. Nur Banken zahlen im Schnitt noch höhere Löhne.

Frauen wählen die falschen Jobs

König hat somit einen Fehler vermieden, den viele Frauen begehen: „Mit Blick auf das zu erwartende Gehalt wählen Frauen noch immer die falschen Jobs“, sagt Gehaltsvergleich.com-Chef Böger. In den von Frauen bevorzugten Service-, Dienstleistungs- und Pflegeberufen seien die Löhne vergleichsweise gering. Dadurch erklärten sich etwa zwei Drittel der Gehaltsunterschiede zwischen den Geschlechtern.

Männer- und Frauenberufe

Frauen verdienen hierzulande noch immer rund 22 Prozent weniger als Männer. Selbst bei vergleichbaren Jobs und vergleichbarer Qualifikation beträgt der Unterschied laut Statistischem Bundesamt etwa sieben Prozent. Auch deswegen nun die Transparenz-Offensive von Ministerin Schwesig: Sie hofft, dass mehr Transparenz auch gerechtere Löhne hervorbringt. Denn Leistung, so ihr Kalkül, würde stärker honoriert: Nicht mehr derjenige, der am besten verhandelt, bekäme am meisten Geld – sondern derjenige, der die beste Arbeit erbringt.

Für Beraterin König steht dennoch fest: „Natürlich muss das Gehalt stimmen. Mindestens genauso wichtig ist mir aber eine steile Lernkurve und abwechslungsreiche Aufgaben.“ Das bestätigt auch Helmuth Uder, Vergütungsexperte beim Beratungsunternehmen Towers Watson. „Junge Mitarbeiter wollen, dass der Arbeitgeber Weiterbildungsmöglichkeiten bezahlt, flexible Arbeitszeiten und Arbeitsorte organisiert oder für Nebenleistungen wie einen Dienstwagen oder betriebliche Altersversorgung aufkommt.“

Flexible Arbeitnehmer punkten

Ein hohes Gehalt stand auch bei Saskia Kley nie an erster Stelle. Die 41-Jährige wollte immer schon in die Wissenschaft und Karriere an der Universität machen. An ihren Doktor der Veterinärmedizin an der Universität Bern hängte sie deshalb noch einen Doktor in Pharmakologie an der University of Georgia an, der ältesten staatlichen Universität der USA. Doch am Ziel ihrer beruflichen Träume angelangt – einer Juniorprofessur am Royal Veterinary College der Universität London –, beschlich sie ein Gefühl der Unzufriedenheit.

Saskia Kley

„An der Uni ist man stark auf sich selbst getrimmt, organisiert alles in Eigenregie und arbeitet meistens alleine“, sagt Kley. Irgendwann habe sie gemerkt, dass sie lieber im Team arbeite statt abgekapselt in ihrem Büro. Der Ausblick, über viele Jahre in dem Dreiklang aus Forschung, Studentenbetreuung sowie Verwaltungsaufgaben an Lehrstuhl, Institut und Fakultät festzustecken, animierte Kley schließlich, etwas Neues zu wagen. Die Veterinärmedizinerin wechselte in die Privatwirtschaft. Zuerst zu einem amerikanischen Biotech-Unternehmen, dann zu Boehringer Ingelheim.

Seit fünf Jahren arbeitet Kley nun bei Deutschlands zweitgrößtem Arzneimittelhersteller. Mittlerweile leitet sie bei Boehringer Ingelheim eine Forschungsgruppe, bestehend aus sechs Mitarbeitern für Tierpharmazeutika. Am Stammsitz in Ingelheim bei Mainz überprüft Kley mit ihrem Team, ob die Medikamente für Hunde, Katzen und andere Haustiere, die das Familienunternehmen entwickelt, wirklich sicher sind und effektiv wirken.

Die WirtschaftsWoche hat mehr als 500 Berufe und Einkommen miteinander verglichen. Das Fazit: Ob Einsteiger, Fach- oder Führungskraft: 2015 dürfen sich Arbeitnehmer über ein ordentliches Plus auf dem Lohnzettel freuen.

Der Markt für Tiergesundheitsprodukte wächst. Und Kley ist dank ihrer Expertise gut im Geschäft. Angestellte in ihrer Position verdienen bei Boehringer Ingelheim bis zu 145.000 Euro jährlich. Im Schnitt verdienen Angestellte mit Personalverantwortung wie Kley allein im Medizinbereich um 24 Prozent mehr als Kollegen, denen nicht direkt Mitarbeiter unterstellt sind. Das geht aus dem Gehaltsreport 2015 der Stellenbörse Stepstone hervor.

Kley profitiert aber nicht nur von ihren Führungsqualitäten. Auch ihre Bereitschaft, öfter mal den Arbeitgeber zu wechseln, hat sich ausgezahlt. Denn mit jedem neuen Job stieg schlagartig auch ihr Salär.

„Wer häufiger das Unternehmen wechselt, verdient besser als jene, die jahrelang loyal bei ein und derselben Firma bleiben“, sagt Vergütungsberater Böger von Gehaltsvergleich.com. Dass Flexibilität prämiert wird, weiß auch DZ-Bank-Trainee Daniel Gustav Kronsbein. Doch seine weiteren Karriereschritte plant der 25-Jährige erst einmal bei dem Genossenschaftsinstitut. Und schlecht sind seine Gehaltsaussichten dort beileibe nicht:

Wechselt er in zwei, drei Jahren in den außertariflichen Gehaltsbereich bei der DZ Bank, kann er – abhängig von seiner Leistung – bereits mehr als 90.000 Euro im Jahr verdienen. Schafft er es eines Tages bis auf den Chefsessel des Instituts, würde er sogar mehr als anderthalb Millionen Euro pro Jahr kassieren. Aber bis dahin hat er noch ein paar Jahre Zeit.

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