Gehaltsvergleich Warum dicke Frauen weniger verdienen

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Diskriminierung aufgrund von Schönheitsidealen

So nehmen die Autoren der aktuellen IZA-Studie etwa an, dass der Schlankheits-Bonus für Frauen ausschließlich auf Schönheitsidealen beruht. Ihre Auswertung zeigte, dass der Zusammenhang zwischen BMI und Gehalt vorrangig in Dienstleistungsberufen nachzuweisen war. In diesem Bereich spielt der Kontakt mit Kunden oder Kollegen eine große Rolle - und somit wohl auch die physische Attraktivität.

Gesundheitliche Effekte, etwa dass dicke Menschen weniger leistungsfähig seien, schlossen die Ökonomen hingegen aus. Sie bezogen den Gesundheitszustand in ihre Auswertung mit ein und konnten hier keinen Zusammenhang finden.

Eine vorangegangene Studie für das IZA nahm Körpergewicht- und Arbeitsmarktdaten der OECD-Staaten 2009 unter die Lupe. Auch diese Untersuchung zeigte in allen Ländern den Zusammenhang, dass vor allem übergewichtige Frauen schlechtere Chancen haben, überhaupt eingestellt zu werden - und wenn, dann zu einem schlechteren Gehalt. Außerdem beobachtete Studienautorin Susan Averett, dass die schlechtere Bezahlung mit einer Aussortierung übergewichtiger Frauen in Jobs mit weniger Kundenkontakt zusammenhängt.

Hier verdient „Frau“ weniger als „Mann“
Versicherungskauffrau/-mannWenn frau Versicherungen verkauft, dann nicht für denselben Lohn wie ihre Kollegen. Das zeigt der Gehaltscheck der Hans-Böckler-Stiftung. Während Versicherungsfrauen monatlich einen Bruttolohn von 3012 Euro erhalten, bekommt ihr männlicher Arbeitskollege für dieselbe Tätigkeit über Tausend Euro mehr, nämlich 4160 Euro. Die Differenz zwischen den Gehältern liegt somit bei 28 Prozent. Quelle: dpa
Köchin/KochWer in Restaurants oder Kantinen den Kochlöffel schwingt und noch dazu weiblich ist, für den fällt die Lohnabrechnung am Monatsende eher gering aus. Nur 1800 Euro brutto verdienen Köchinnen, während ihre männlichen Kollegen fast 400 Euro mehr bekommen, nämlich 2179 Euro. Die Differenz liegt dadurch bei 17 Prozent. Quelle: dpa/dpaweb
Sozialarbeiter/-inAuch bei Sozialarbeitern wird die Gehaltsschere zwischen den Geschlechtern immer größer und liegt nun bei 16 Prozent Unterschied. Während Männer monatlich 3326 Euro brutto verdienen, bekommen Sozialarbeiterinnen nur 2808 Euro für ihren Job. Rechnet man alle Berufe zusammen stehen bei Frauen übrigens durchschnittlich 4291 Euro brutto auf der Lohnabrechnung am Monatsende, bei Männern sind es 5337 Euro. Quelle: dpa
Chemiker/-inAuch im Labor hat „frau“ schlechte Karten. Chemiker verdienen monatlich rund 5237 Euro brutto pro Monat, ihre weiblichen Kollegen müssen sich dagegen mit rund eintausend Euro weniger (4291 Euro) begnügen. Damit verdient „mann“ in diesem Beruf 18 Prozent mehr als „frau“. Quelle: obs
Bauleiter/-inDer Bau ist nach wie ein männerdominierter Beruf – bei den großen Gehaltsunterschieden in dieser Branche kaum verwunderlich. Frauen verdienen als Bauleiter rund 500 Euro weniger pro Monat (3133 Euro) als ihre männlichen Kollegen (3614 Euro). Quelle: AP
Bankkauffrau/-mannAuch in der Bankenbranche sind die Gehaltsunterschiede weiterhin groß. Während Bankkaufmänner durchschnittlich 4055 Euro pro Monat verdienen, kommen Bankkauffrauen nur auf 3290 Euro und verdienen somit 19 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Quelle: dpa
Krankenschwester/-pflegerErstaunlich gering sind die Lohndifferenzen bei Krankenpflegekräften. Krankenschwestern kommen durchschnittlich auf ein Gehalt von 2425 Euro brutto pro Monat, Krankenpfleger auf 2613 Euro. Damit besteht nur 7 Prozent Gehaltsunterschied zwischen den Geschlechtern. Quelle: dpa

Weitere Studien, die gezielt Diskriminierung untersuchten, zeigten, dass es nicht um Leistung, sondern um das Äußere geht. So wurde etwa bei einem Experiment eines schwedischen Forschers mit manipulierten Fotos festgestellt, dass bei identischer Qualifikation trotzdem schlankere und attraktivere Bewerber höhere Chancen auf eine Einladung zum Vorstellungsgespräch hatten.

Übergewichtige Männer hatten eine sechs Prozent geringere Chance, zurückgerufen zu werden - bei übergewichtigen Frauen waren es acht Prozent Unterschied. Zudem zeigte die Studie: bei Männern wählten die Personaler nach Attraktivität aus, bei Frauen hauptsächlich nach dem Gewicht.

Der Grund für die Verbindung zwischen zuviel Kilos und geringerem Gehalt ist wichtig, um entsprechende politische Maßnahmen einzuleiten. Während manche Länder etwa über höhere Steuern auf ungesunde Lebensmittel wie Limonaden und Co. versuchen, die Zunahme von Übergewicht in der Bevölkerung zu reduzieren, ist es auch an der Zeit, eine Anti-Diskriminierungspolitik zum Schutz übergewichtiger Menschen in Betracht zu ziehen.

Denn während etwa Diskriminierungen bei Hautfarbe, Geschlecht oder sexueller Orientierung offen begegnet wird, gilt Übergewicht meist als etwas, an dem die Betroffenen selbst schuld sind und etwas dagegen tun sollten.

Für gleiche Rechte für Übergewichtige setzt sich in Deutschland etwa die Gesellschaft gegen Gewichtsdiskiminierung ein. Der Verein kämpft dafür, dass dicke Menschen auch in der Wirtschaft als gleichwertig anerkannt und nicht durch unfaire Praktiken ausgegrenzt werden. "Wir wollen die Gesellschaft ändern, nicht die dicken Menschen", heißt es in einer offiziellen Stellungnahme.

Gesetzlich darf hierzulande zwar niemand aufgrund seines Körpergewichts diskriminiert werden - in der Realität ist es bis zur Chancengleichheit aber noch ein weiter Weg.

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