Genderdebatte Frauen Ende 20 – ein Einstellungsrisiko?

Frauen Ende 20 haben schlechtere Chancen auf eine Festanstellung Quelle: imago images

Frauen in einem gewissen Alter haben geringere Chancen auf eine Festanstellung. Der Kern des Problems ist nicht, dass Frauen Kinder bekommen – sondern dass Kinder überhaupt als Problem angesehen werden.

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Die Genderdebatte nervt. Nicht etwa, weil sie unwichtig wäre, im Gegenteil – sondern weil wir noch immer sehr viel reden, während der Fortschritt vergleichsweise gering ausfällt.

Nach deutscher und europäischer Gesetzgebung soll es für Frauen und Männer Chancengleichheit im Arbeitsleben geben. Faktisch liegen wir nach Angaben des Statistischen Bundesamtes bei einem „Pay Gap“ von 21 Prozent. Zum Vergleich: Im Jahre 2006 betrug der Einkommensunterschied zwischen den Geschlechtern 23 Prozent.

Was bei der Debatte zu kurz kommt, ist allerdings die Frage, inwiefern Frauen ab einem gewissen Alter geringere Chancen auf eine Einstellung haben – nur weil sie von Arbeitgeberseite unter einen generellen Gebärverdacht gestellt werden.

Als Personalberaterin habe ich mit diesem Problem durchaus Erfahrungen gemacht. Erstaunlicherweise sind es meistens Frauen gewesen, die andere Frauen als Einstellungsrisiko betrachtet haben. Dass ein Arbeitnehmer nach ein, zwei Jahren geht, weil er ein attraktiveres Angebot bekommen hat, kann allerdings ebenso mit jedem Mann in jedem anderen Alter auch passieren.

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Daher ist es grundsätzlich die bessere Entscheidung, den qualifiziertesten Bewerber einzustellen. Wenn das nun eine Frau Ende 20 ist, dann wäre es ein großer Fehler, diese Frau abzulehnen, einzig aufgrund einer diffusen Angst. Das kann schlussendlich wesentlich mehr Geld kosten, als wenn diese Frau tatsächlich schwanger werden sollte: Es kostet ihren Beitrag an Innovation, Wachstum und Entwicklung für das Unternehmen.

Der Kern des Problems ist nicht, dass Frauen Kinder bekommen. Das Problem besteht vielmehr darin, dass Kinder überhaupt als Problem angesehen werden – und nicht als Chance. Als Chance, Arbeit endlich so zu flexibilisieren, dass Karriere und Kinder zusammen funktionieren können.

Und da wären wir dann beim eigentlichen Thema der Debatte – Vertrauen. Als Unternehmerin habe ich selbst viele Frauen Anfang 30 eingestellt. Manche hatten Kinder, andere nicht. Ich habe damit nur gute Erfahrungen gemacht.

Dazu gehört es auch, das Thema im Bewerbungsgespräch offen anzusprechen. Führungskräfte sollten deutlich machen, dass sie sich jemanden wünschen, der mindestens ein bis zwei Jahre in Vollzeit arbeitet; dass sie aber gleichzeitig ein familienfreundliches Unternehmen mit flexiblen Arbeitszeitmodelle vertreten.

Auch Bewerberinnen rate ich dazu, die Familienplanung entweder aktiv anzusprechen oder geschickt in die Gespräche einfließen zu lassen – indem sie zum Beispiel deutlich machen, dass sie Mutter sein, aber auch Karriere machen wollen. Und dass sie nach einer Babypause zügig zurück kommen werden.

Zudem lässt sich vieles aus den Lebensläufen herauslesen. Sehr gute Noten oder viele Praktika lassen auf Ehrgeiz und Zielstrebigkeit schließen. Und darauf, dass Frauen Karriere wichtig ist.

Hat die Bewerberin an einer teuren Privatuniversität studiert, kann man davon ausgehen, dass sie dieses Geld durch Arbeit erst einmal wieder hereinholen möchte, bevor sie an die Familienplanung denkt; oder dass sie schnell wieder zurückkommt, nachdem sie ein Baby bekommen hat. Gerade bei diesen Frauen ist es auch sehr wahrscheinlich, dass sie in Vollzeit wiederkommen und dem Unternehmen als gut eingearbeitete Arbeitskräfte erneut zur Verfügung stehen werden.

Ein Anstellungsverhältnis ist eine Beziehung, die auf Vertrauen basiert, ähnlich wie Freundschaften oder Partnerschaften. Vertrauen birgt immer das Risiko einer Enttäuschung, trotzdem gehen die meisten Menschen es ein. Weil sie wissen, dass sie ohne Vertrauen keinerlei Beziehung eingehen könne, gleich welcher Art.

Genauso verhält es sich mit der Einstellung von Mitarbeitern. Ja, manchmal wird dieses Vertrauen missbraucht. Aber in den meisten Fällen lohnt es sich – für beide Seiten.

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