Bonus-Zahlungen an bekannte Top-Manager sind immer wieder Anlass öffentlicher Empörung. Erst Recht, wenn sie keine besonderen Leistungen belohnen, sondern auch noch bei offensichtlichem Versagen fließen. Wie motivierend für die mehr als 350 000 Siemens-Arbeiter dürfte zum Beispiel der 30-Millionen-Euro-Abschied für Peter Löscher sein, die seine Fehlentscheidungen nun unter der harten Knute seine Nachfolgers Joe Kaeser auszubaden haben?
Die Wirkung auf die Arbeitsmoral der Siemens-Mitarbeiter dürfte höchst negativ sein. Das legt nicht nur der in Gehaltsfragen dauerhaft beleidigte "gesunde Menschenverstand" nahe, sondern auch eine aktuelle Umfrage unter 1400 Beschäftigten aller Branchen:Generell werden Geschäftsführer-Boni als ungerecht und motivationsschädigend angesehen. Eher akzeptiert und für gerecht gehalten werden sie von Mitarbeitern, die selbst eine erfolgsbezogene Zulage erhalten.
Für die Studie vom Bamberger Centrum für Empirische Studien (BACES) in Kooperation mit der Hans-Böckler-Stiftung und dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) wurden im zweiten Halbjahr 2012 etwa 1.400 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte aller Branchen telefonisch interviewt, die zwischen 18 und 65 Jahren alt und repräsentativ für Deutschland waren.
Bonuszahlungen an Geschäftsführer hielten 55 Prozent aller Befragten für „ungerecht“ oder „eher ungerecht“ und nur 41 Prozent für gerecht. Unter den Mitarbeitern von Betrieben die bereits Boni für die Unternehmensleitung zahlten, empfand sie eine leichte Mehrheit von 51 Prozent als gerecht, 47 Prozent als ungerecht.
Wenn Geschäftsführer-Boni gut begründet werden, steigt deren Akzeptanz. Die Begründungen wurden direkt abgefragt oder in einzelnen Fallbeispielen gegeben. Die Akzeptanz von Geschäftsführer-Boni nahm bei folgenden Begründungen zu:
- Damit können gute Führungskräfte gewonnen werden.
- Geschäftsführer sind hoher Belastung und hoher Verantwortung ausgesetzt.
- Die Geschäftsführung war maßgeblich für den Unternehmensgewinn verantwortlich (vor allem, wenn das Marktumfeld schwierig war).
Wenn Mitarbeiter am Erfolg beteiligt wurden, wurden Geschäftsführer-Boni als gerechter angesehen. Die Akzeptanz von zusätzlichen Geschäftsführervergütungen stieg um ganze 42 Prozentpunkte, wenn die anderen Beschäftigten im Unternehmen ebenfalls am Erfolg beteiligt wurden und beispielsweise eine Zulage in Höhe des Monatsgehalts erhielten.
Befragungsteilnehmer, die Bonuszahlungen an Geschäftsführer im eigenen Betrieb als ungerecht oder eher ungerecht bewerten, berichten zudem, dass infolge dieser Zahlungen die Motivation der Mitarbeiter unterm Strich sank. Nach ihren Angaben
hatten Bonuszahlungen auch auf die Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung einen negativen Einfluss. Bei jenen, die die Zahlungen generell als ungerecht ansahen, nahm sie nach eigenen Angaben sogar um 53 Prozentpunkte ab.
Gerechtigkeit motiviert
In Lehrbüchern von Business-Schools kommt das Wort "Gerechtigkeit" nicht vor. Doch das Gefühl, dass es in ihrem Betrieb einigermaßen gerecht zugeht, ist für Mitarbeiter eine entscheidende Motivationsquelle. Das zeigen auch Untersuchungen des Organisationspsychologen Jason Colquitt. Er und seine Mitarbeiter haben 493 veröffentlichte Einzelstudien über die Wirkung von Gerechtigkeitsempfindungen zusammengetragen und zusammenfassend festgestellt: Durch Gerechtigkeit, beziehungsweise das Empfinden der Angestellten, dass es im Unternehmen im Großen und Ganzen gerecht zugehe, werden die Mitarbeiter fast allen Studien zu Folge produktiver und leistungsfähiger.
Colquitt unterscheidet vier Kategorien der Gerechtigkeit, die in Unternehmen von Bedeutung sind:
- Verfahrensgerechtigkeit (procedural justice): Bestimmte nachvollziehbare Regeln werden eingehalten. Beispiel: Ein Auswahlverfahren läuft so ab, dass auch der Bewerber weiß, weshalb er eingeladen oder abgelehnt wird.
- Verteilungsgerechtigkeit (distributive justice): Materielle oder abstrakte Güter werden so verteilt, dass jeder so viel bekommt, wie er verdient. Beispiel: Gehälter bemessen sich danach, was eine Person wirklich fürs Unternehmen leistet.
- Zwischenmenschliche Gerechtigkeit (interpersonal justice): Man spricht in respektvoller Weise miteinander. Beispiel: Der Vorgesetzte ist zum Teamleiter genauso freundlich wie zum Facharbeiter.
- Informationsgerechtigkeit (informational justice): Man informiert wahrheitsgetreu, schönt keine Zahlen und erklärt sich. Beispiel: Wenn der Chef den Mitarbeiter bewertet, nennt er die Kriterien und Gründe für die Einschätzung.
Alle vier Kategorien der Gerechtigkeit bewirken, so Colquitt, dass Mitarbeiter bessere Arbeitsergebnisse erbringen, sich mehr für ihre Firma einsetzen und ihr seltener vorsätzlich schaden. Als gerecht wahrgenommene Chefs gewinnen eher das Vertrauen ihrer Mitarbeiter und als gerecht empfundene Unternehmen haben Mitarbeiter, die ihrer Arbeit stärker verpflichtet sind. Eine Folge davon ist nicht nur ein besseres Miteinander, sondern auch eine verbesserte Arbeitsleistung.
Gerechtigkeit bewirkte auch, so Colquitt, dass positive Emotionen wie Freude und Glück zunahmen, negative Emotionen wie Ärger oder Wut seltener wurden. Diese Gefühle seien ähnlich wie das gute Miteinander der Weg, über den Gerechtigkeit zu leistungsfähigeren Mitarbeitern führt.