Gerechtigkeit macht Firmen produktiv Der Bonus des Chefs demotiviert die Mitarbeiter

Hohe Boni für Top-Manager sollen sie zu Top-Leistungen anspornen. Doch was ist mit der Motivation der Untergebenen? Die sinkt dadurch, wie Untersuchungen zeigen.

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Diese Strombergs gibt es wirklich
Jeff BezosDer Gründer und Chef des Versandriesen Amazon soll seinen Mitarbeitern gegenüber einen harten Ton anschlagen. Der Businessweek-Reporter Brad Stone sammelte in seinem Buch über Amazon die gemeinsten Sprüche von Jeff Bezos. Darunter: „Bist du faul oder nur inkompetent?“ oder „Warum verschwendest du mein Leben?“ Stone sprach für die Recherchen zu seinem Buch mit vielen ehemaligen Mitarbeitern, diese berichteten von einer „Gladiatoren-Kultur“ im Unternehmen. „Wenn du nicht gut bist, frisst Jeff dich und spuckt dich aus. Und wenn du gut bist, dann springt er dir auf den Rücken und reitet dich zu Schaden", sagt ein Amazon-Mitarbeiter. Quelle: AP
Sergio MarchionneDer Fiat-Chrysler-Chef Sergio Marchionne gilt als zielorientiert, taktisch und rücksichtslos. Seine Mitarbeiter nennen den Firmenflieger, mit dem Marchionne zwischen Detroit und Turin pendelt, „Air Findus“ – Findus ist eine Tiefkühlmarke und soll das eisige Klima beschreiben, das Marchionne verbreitet. Über den Manager kursieren einige fiese Geschichten. Zum Beispiel soll Marchionne den Ehefrauen seiner Mitarbeiter Blumen nach Hause geschickt haben, als Entschuldigung, weil ihre Ehemänner am Wochenende arbeiten mussten. Allerdings sollten diese wohl nur ins Büro kommen, um sich ihre Kündigung abzuholen. Marchionne soll schon viele gestandene Manager zum Weinen gebracht haben, besonders berüchtigt ist er für seine persönlichen Beschimpfungen. Quelle: Bloomberg
Richard FuldFuld war der letzte Chef der Investmentbank Lehman Brothers, bevor das Unternehmen im September 2008 Pleite ging und für einen ersten dramatischen Höhepunkt der Finanzkrise sorgte. Fuld gilt als extrem eitel und ehrgeizig. Weil er seine Mitarbeiter so gern und häufig anbrüllte, hatte er den Spitznamen Gorilla. Damit schien er allerdings keine Probleme zu haben, so soll er sich sogar ein ausgestopftes Exemplar in sein Büro gestellt haben. Noch mehr als seine Mitarbeiter, haben nur Fulds Gegner zu befürchten. In einem internen Firmenvideo drohte er seinen Widersachern an, ihnen das Herz bei lebendigem Leib herauszureißen und es zu verschlingen. Quelle: Reuters
Anton SchleckerAnton Schlecker war schon vor seiner Pleite ein unbeliebter Chef. Der Spiegel nannte ihn sogar den „meistgehassten Arbeitgeber der Republik“. Denn um seine Ware billig anbieten zu können, sparte der ehemalige Drogeriekönig vor allem an seinen Mitarbeitern. So bezahlte er Filialleiterinnen oft wie einfache Verkäuferinnen, kranken Mitarbeitern strich er den Lohn und Überstunden wurden ebenfalls nicht vergütet. 1998 wurde Schlecker für sein Lohn-Dumping bestraft. Das Amtsgericht Stuttgart verurteilt Anton und seine Frau Christa Schlecker wegen Betrugs zu Bewährungsstrafen. Der Strafbestand: Die beiden hatten viele ihrer Mitarbeiter unter Tarif bezahlt, in den Arbeitsverträgen stand jedoch das Gegenteil. Quelle: dapd
Ferdinand PiëchUnnahbar, unerbittlich und unbequem – der Diplomingenieur und ehemalige VW-Chef Ferdinand Piëch gilt als einer der mächtigsten Manager seiner Epoche, aber menschlich als schwierig. Der Autor Wolfgang Fürweger hat eine Biografie über ihn verfasst. Darin beschreibt er Piëch als einen Menschen, der keine Fehler verzeiht und gnadenlos jeden Manager abschießt, dem er Fehler vorwerfe. Diese Erfahrung mussten schon einige machen. Als Piëch 1988 Chef bei Audi wurde, verabschiedete er rasch den damaligen Finanzvorstand. Er sei ihm zu „brav“ gewesen und er feuere lieber einen unpassenden Topmanager als eine Schwächung des Unternehmens zu riskieren. Für seine Auftritte soll Piëch besonders gerne Vorstandssitzungen benutzt haben. Bei VW soll er während einer solchen Zusammenkunft zu einem Bereichsleiter, der dürftige Zahlen präsentierte, gesagt haben: „Ach, das schätzen wir so an Ihnen – immer wenn Sie kommen, gibt es schlechte Nachrichten“. Wenig später war der Manager auch offiziell seinen Job los. Quelle: dapd
Steve BallmerBill Gates Nachfolger bei Microsoft wurde vom US-Magazin Forbes schon einmal zum schlechtesten Chef aller großen amerikanischen Geschäftsführer gewählt. Die Begründung: Ballmer habe vor allem die schnell wachsenden Sparten Smartphone und Tablet vernachlässigt. Doch nicht nur die Presse zweifelte Ballmers Chefqualitäten an, auch seine Mitarbeiter konnte er nicht überzeugen. So soll Ballmer nach der Kündigung des Entwicklers Mark Lucovsky komplett ausgerastet sein. Lucovsky war einer der Miterfinder von Windows und wechselte nach 16 Jahren bei Microsoft zum Konkurrenten Google.  Ballmer habe mit Möbeln um sich geworfen und auf den Google-Chef Eric Schmidt geschimpft haben: "Ich werde diesen Kerl begraben!", soll er gebrüllt haben und: "Ich werde Google verdammt noch mal killen!" Quelle: REUTERS
Léo ApothekerSchonungslos direkt und frei von Diplomatie lauten einige der ihm zugeschriebenen Eigenschaften. Zwar sei der ehemalige Chef der Technologiekonzerne Hewlett Packard und SAP analytisch brilliant, aber dafür hapere es im Zwischenmenschlichen umso mehr. SAP-Mitbegründer Dietmar Hopp kritisierte Apotheker nach seinem Abgang beim Walldorfer Konzern in aller Öffentlichkeit: Er hätte für zu viel negative Stimmung im Konzern gesorgt. Quelle: REUTERS

Bonus-Zahlungen an bekannte Top-Manager sind immer wieder Anlass öffentlicher Empörung. Erst Recht, wenn sie keine besonderen Leistungen belohnen, sondern auch noch bei offensichtlichem Versagen fließen. Wie motivierend für die mehr als 350 000 Siemens-Arbeiter dürfte zum Beispiel der 30-Millionen-Euro-Abschied für Peter Löscher sein, die seine Fehlentscheidungen nun unter der harten Knute seine Nachfolgers Joe Kaeser auszubaden haben?

Die Wirkung auf die Arbeitsmoral der Siemens-Mitarbeiter dürfte höchst negativ sein. Das legt nicht nur der in Gehaltsfragen dauerhaft beleidigte "gesunde Menschenverstand" nahe, sondern auch eine aktuelle Umfrage unter 1400 Beschäftigten aller Branchen:Generell werden Geschäftsführer-Boni als ungerecht und motivationsschädigend angesehen. Eher akzeptiert und für gerecht gehalten werden sie von Mitarbeitern, die selbst eine erfolgsbezogene Zulage erhalten.

Für die Studie vom Bamberger Centrum für Empirische Studien (BACES) in Kooperation mit der Hans-Böckler-Stiftung und dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) wurden im zweiten Halbjahr 2012 etwa 1.400 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte aller Branchen telefonisch interviewt, die zwischen 18 und 65 Jahren alt und repräsentativ für Deutschland waren.

Bonuszahlungen an Geschäftsführer hielten 55 Prozent aller Befragten für „ungerecht“ oder „eher ungerecht“ und nur 41 Prozent für gerecht. Unter den Mitarbeitern von Betrieben die bereits Boni für die Unternehmensleitung zahlten, empfand sie eine leichte Mehrheit von 51 Prozent als gerecht, 47 Prozent als ungerecht.

Wenn Geschäftsführer-Boni gut begründet werden, steigt deren Akzeptanz. Die Begründungen wurden direkt abgefragt oder in einzelnen Fallbeispielen gegeben. Die Akzeptanz von Geschäftsführer-Boni nahm bei folgenden Begründungen zu:

  • Damit können gute Führungskräfte gewonnen werden.
  • Geschäftsführer sind hoher Belastung und hoher Verantwortung ausgesetzt.
  • Die Geschäftsführung war maßgeblich für den Unternehmensgewinn verantwortlich (vor allem, wenn das Marktumfeld schwierig war).

Wenn Mitarbeiter am Erfolg beteiligt wurden, wurden Geschäftsführer-Boni als gerechter angesehen. Die Akzeptanz von zusätzlichen Geschäftsführervergütungen stieg um ganze 42 Prozentpunkte, wenn die anderen Beschäftigten im Unternehmen ebenfalls am Erfolg beteiligt wurden und beispielsweise eine Zulage in Höhe des Monatsgehalts erhielten.

Befragungsteilnehmer, die Bonuszahlungen an Geschäftsführer im eigenen Betrieb als ungerecht oder eher ungerecht bewerten, berichten zudem, dass infolge dieser Zahlungen die Motivation der Mitarbeiter unterm Strich sank. Nach ihren Angaben
hatten Bonuszahlungen auch auf die Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung einen negativen Einfluss. Bei jenen, die die Zahlungen generell als ungerecht ansahen, nahm sie nach eigenen Angaben sogar um 53 Prozentpunkte ab.

Gerechtigkeit motiviert

So sorgen Sie für ein gutes Betriebsklima
FeiernEs gibt immer einen Grund zum Anstoßen: Das erreichte Geschäftsziel, der Geburtstag einer Kollegin oder schlichtweg das anstehe Wochenende. Gelegentliche lockere Runden bei einem Glas Sekt heben die Stimmung und steigern die Arbeitsmoral.     Quelle: dpa
Offenheit schaffenGerade schlechte Nachrichten sickern in Betrieben schnell durch. Wenn es also schlecht um die Firma steht oder ein Stellenabbau ansteht, sollten Chefs das lieber offen sagen. Natürlich kommt das bei der Belegschaft schlecht  an – aber weitaus nicht so schlecht, wie das Unbehagen und die Unsicherheit wegen irgendwelcher Gerüchte. Quelle: dpa
Die Kollegen miteinbeziehenChefs, die ständig Alleingänge wagen und über die Köpfe der Beschäftigten hinweg entscheiden, sammeln keine Bonuspunkte im Betrieb – egal, wie gut sie damit letztlich zum Firmenerfolg beitragen.  Außer dem Ergebnis einer Entscheidung zählt auch ihr Rückhalt im Unternehmen. Je stärker ein Chef seine Mitarbeiter miteinbezieht, desto motivierter gehen sie auch an die Arbeit. Quelle: Fotolia
Gesprächsbereitschaft signalisierenJe offener Kollegen untereinander und mit dem Chef sprechen können, desto besser ist das Betriebsklima. Schließlich hilft es Probleme aus der Welt zu räumen, wenn die Mitarbeiter wissen, dass sie jedes Thema ansprechen können – ob beim Chef oder beim Kollegen. Quelle: Fotolia
Missverständnisse ausschließenFührungskräfte sollten Ziele und Aufgaben genau kommunizieren, um Missverständnisse zu vermeiden. Diese sorgen schließlich nur für Ärger auf allen Seiten:  Der Chef ist ohnehin sauer, weil die Aufgabe falsch erledigt wurde, und die Mitarbeiter, weil sie keine deutlicheren Informationen bekommen haben. Quelle: Fotolia
Respektvoll und höflich seinChefs sind Vorbilder und sollten das vorleben, was sie auch von ihren Mitarbeitern erwarten. Dies betrifft die Leistung, aber auch das tägliche Miteinander. So sollten Chefs alle Mitarbeiter gleich respektvoll und höflich behandeln – vom Hausmeister bis zur Führungskraft. Das signalisiert, dass jeder Mitarbeiter wichtig ist, es stärkt den Zusammenhalt und zeigt, dass unhöfliches Verhalten in der Firma nicht geduldet wird. Quelle: Fotolia
Sich nach den Kollegen erkundigenWie geht es meinen Kollegen? Was bewegt sie gerade in ihrem Leben? Diese Fragen sollten sich Mitarbeiter und Chefs gleichermaßen stellen und einfach mal nette Gespräche zwischen Tür und Angel führen. Das sorgt gleich für ein viel freundlicheres Betriebsklima. Quelle: dpa

In Lehrbüchern von Business-Schools kommt das Wort "Gerechtigkeit" nicht vor. Doch das Gefühl, dass es in ihrem Betrieb einigermaßen gerecht zugeht, ist für Mitarbeiter eine entscheidende Motivationsquelle. Das zeigen auch Untersuchungen des Organisationspsychologen Jason Colquitt. Er und seine Mitarbeiter haben 493 veröffentlichte Einzelstudien über die Wirkung von Gerechtigkeitsempfindungen zusammengetragen und zusammenfassend festgestellt: Durch Gerechtigkeit, beziehungsweise das Empfinden der Angestellten, dass es im Unternehmen im Großen und Ganzen gerecht zugehe, werden die Mitarbeiter fast allen Studien zu Folge produktiver und leistungsfähiger.

Colquitt unterscheidet vier Kategorien der Gerechtigkeit, die in Unternehmen von Bedeutung sind:

  • Verfahrensgerechtigkeit (procedural justice): Bestimmte nachvollziehbare Regeln werden eingehalten. Beispiel: Ein Auswahlverfahren läuft so ab, dass auch der Bewerber weiß, weshalb er eingeladen oder abgelehnt wird.
  • Verteilungsgerechtigkeit (distributive justice): Materielle oder abstrakte Güter werden so verteilt, dass jeder so viel bekommt, wie er verdient. Beispiel: Gehälter bemessen sich danach, was eine Person wirklich fürs Unternehmen leistet.
  • Zwischenmenschliche Gerechtigkeit (interpersonal justice): Man spricht in respektvoller Weise miteinander. Beispiel: Der Vorgesetzte ist zum Teamleiter genauso freundlich wie zum Facharbeiter.
  • Informationsgerechtigkeit (informational justice): Man informiert wahrheitsgetreu, schönt keine Zahlen und erklärt sich. Beispiel: Wenn der Chef den Mitarbeiter bewertet, nennt er die Kriterien und Gründe für die Einschätzung.

Alle vier Kategorien der Gerechtigkeit bewirken, so Colquitt, dass Mitarbeiter bessere Arbeitsergebnisse erbringen, sich mehr für ihre Firma einsetzen und ihr seltener vorsätzlich schaden. Als gerecht wahrgenommene Chefs gewinnen eher das Vertrauen ihrer Mitarbeiter und als gerecht empfundene Unternehmen haben Mitarbeiter, die ihrer Arbeit stärker verpflichtet sind. Eine Folge davon ist nicht nur ein besseres Miteinander, sondern auch eine verbesserte Arbeitsleistung.

Gerechtigkeit bewirkte auch, so Colquitt, dass positive Emotionen wie Freude und Glück zunahmen, negative Emotionen wie Ärger oder Wut seltener wurden. Diese Gefühle seien ähnlich wie das gute Miteinander der Weg, über den Gerechtigkeit zu leistungsfähigeren Mitarbeitern führt.

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