Der zunehmende Zwang zum Erfolg zersetzt nicht nur in den Universitäten althergebrachte Kulturen der Anerkennung. Besonders weit fortgeschritten ist dieser Prozess auch in den Volksparteien. Vor allem die CDU ist mittlerweile zu einer Erfolgsmaschine verkommen, in der die Logik des Ertrages (konkret: Wählerstimmen und Regierungsfähigkeit) die letzten Reste an Überzeugungen aufgelöst hat. Anerkennung erhält in solch einer Partei, wer ihr und damit sich selbst Erfolg verschafft. Ein anderes Motiv ist nicht mehr vorgesehen.
Organisationen, die sich auf solche Weise selbst ihren Wesenskern amputieren, brechen irgendwann als leere Hülle in sich selbst zusammen. Denn ohne ein Fundament an Idealen, das die Mitglieder eint, verlieren sie jede Legitimation.
Wer soll sich für eine Partei interessieren, deren Politiker sich erkennbar nur dem eigenen Erfolg verschrieben haben?
In den Wahlprogrammen der Politiker wird der Erfolg daher nicht gepredigt – so erfolgsbesessen ihr Handeln auch ist. Der Erfolgskult ist unbrauchbar für die politische Kommunikation, weil er keine integrierende Kraft hat. Er schafft kein "Wir", sondern sortiert ständig Gescheiterte aus. Aber auch die sollen schließlich wählen.
Wahlkämpfer und Leistungsträger
Umso mehr umschwärmen Wahlkämpfer die „Leistungsträger“, zu denen sich fast jeder Wähler zählen kann, egal ob erfolgreich oder gescheitert. Doch je lauter die Politik die Leistung feiert, desto deutlicher wird, dass Leistung nicht mehr das ist, was sie für freiheitliche Gesellschaften einmal war: die Norm, die über Erfolg und Misserfolg entscheiden soll.
Innerhalb von Wirtschaftsunternehmen sind Leistungen bis zu einem gewissen Grad noch glaubwürdig als Basis des Erfolgs – neben der Selbstdarstellung. Doch für die gesamte Gesellschaft gilt das längst nicht mehr.
Nichts anderes hat im Grunde auch der neue Star-Ökonom Thomas Piketty in seinem viel beachteten Buch über das Kapital im 21. Jahrhundert festgestellt: Allenfalls in den Jahrzehnten nach den Weltkriegen erschien ökonomischer Erfolg als Anerkennung objektivierbarer Leistungen.
„In der Gesellschaft der Gegenwart“, stellt Soziologe Neckel fest, „haben wir es vielfach mit leistungslosen Vorteilen zu tun, die Akteuren Erfolge gewähren.“
Ohne eigene Leistung
Die historisch einmalige Erbschaftswelle zum Beispiel sorgt für eine Oberschicht der unverdient Vermögenden, die sich den Erfolg auch ohne eigene Leistung kaufen können. Aber auch die öffentlich sichtbarsten Erfolgreichen - ob Fußballprofis oder Hollywood-Stars - erbringen wohl kaum Leistungen, die ihre Millioneneinkünfte glaubwürdig rechtfertigen können.
Für den Erfolg zählt nur mehr der Output, der Ertrag, das Ergebnis - und nicht die Anstrengung.
Besonders offensichtlich wird das an der Beliebtheit von Casting-Shows wie „Germanys Next Top Model“ oder „Deutschland sucht den Superstar“. In ihnen wird ein „gehaltloser Erfolg“ zelebriert, wie Olivier Voirol und Cornelia Schendzielorz in einem gleichnamigen Aufsatz im "Leviathan" feststellen.
Die Wettbewerbe, die Heidi Klum und Dieter Bohlen da veranstalten, kommen ohne jegliche Leistungskriterien aus. Die Gunst des Publikums beziehungsweise die abstrusen Urteilssprüche der allmächtigen Heidi entscheiden über Erfolg oder Scheitern.