Gesellschaftliche Debatte Der Zwang zum Erfolg macht uns fertig

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Parteien als Erfolgsmaschinen

Der zunehmende Zwang zum Erfolg zersetzt nicht nur in den Universitäten althergebrachte Kulturen der Anerkennung. Besonders weit fortgeschritten ist dieser Prozess auch in den Volksparteien. Vor allem die CDU ist mittlerweile zu einer Erfolgsmaschine verkommen, in der die Logik des Ertrages (konkret: Wählerstimmen und Regierungsfähigkeit) die letzten Reste an Überzeugungen aufgelöst hat. Anerkennung erhält in solch einer Partei, wer ihr und damit sich selbst Erfolg verschafft. Ein anderes Motiv ist nicht mehr vorgesehen.

Organisationen, die sich auf solche Weise selbst ihren Wesenskern amputieren, brechen irgendwann als leere Hülle in sich selbst zusammen. Denn ohne ein Fundament an Idealen, das die Mitglieder eint, verlieren sie jede Legitimation.

Wer soll sich für eine Partei interessieren, deren Politiker sich erkennbar nur dem eigenen Erfolg verschrieben haben?  

In den Wahlprogrammen der Politiker wird der Erfolg daher nicht gepredigt – so erfolgsbesessen ihr Handeln auch ist. Der Erfolgskult ist unbrauchbar für die politische Kommunikation, weil er keine integrierende Kraft hat. Er schafft kein "Wir", sondern sortiert ständig Gescheiterte aus. Aber auch die sollen schließlich wählen.

Wahlkämpfer und Leistungsträger

Umso mehr umschwärmen Wahlkämpfer die „Leistungsträger“, zu denen sich fast jeder Wähler zählen kann, egal ob erfolgreich oder gescheitert. Doch je lauter die Politik die Leistung feiert, desto deutlicher wird, dass Leistung nicht mehr das ist, was sie für freiheitliche Gesellschaften einmal war: die Norm, die über Erfolg und Misserfolg entscheiden soll. 

So macht der Job (wieder) Spaß
SelbstwertschätzungSpaß macht vor allem das, auf das man stolz sein kann. Daher sollte man seiner Arbeit den richtigen Wert beimessen und sie als Handwerkskunst sehen, statt als Mittel zum Zweck. Die richtige Einstellung macht’s. Quelle: Fotolia
Wissen, was Spaß machtUm Freude am Job zu haben, muss man vorher identifizieren, was einem genau Spaß bei der Arbeit bereitet. Eine Liste hilft dabei, die Spaßfaktoren auszumachen. Dann gilt es so viel von den angenehmen Punkten der Liste während des Arbeitstags unter zu bringen. Und schon bereitet der Job im Ganzen mehr Freude. Quelle: Fotolia
Das Beste aus einer Aufgabe machenImmer wieder landen Aufgaben auf dem Schreibtisch, die einem weniger Freude bereiten. Die Lösung ist, nicht darüber zu jammern, sondern das Beste aus ihnen zu machen und ihnen gute Seiten abzugewinnen. Vielleicht ist es auch möglich, die Aufgabe zu verändern, seinen Vorstellungen anzupassen oder um einen Aspekt, der einem liegt, zu ergänzen. Um so agiler und schneller kann man sie auch anpacken – und sich dem nächsten Spaßmacher widmen. Quelle: Fotolia
SalamitaktikEin Arbeitsberg mag demotivierend wirkend – je nach dem aus welcher Perspektive man ihn betrachtet. Teilt man sich die Masse in kleine Häppchen auf, wirkt die Aufgabe schon weniger erschreckend – und jedes Teilergebnis wird zum anspornenden Erfolg. Quelle: dpa/dpaweb
Sich nicht runter ziehen lassenVolkswirte wissen: Arbeit gilt als „Ungut“ oder als sogenanntes „Schlecht“ – je weniger davon, um so besser. Dementsprechend freuen sich auch die meisten Menschen, wenn sie ihren Arbeitsplatz Richtung Zuhause, Kneipe oder Fitnessstudio verlassen können. In der Gesellschaft von Arbeitsplatz-Nörglern und Miesepetern ist es schwer, seine positive Einstellung zu erhalten. Um so mehr gilt es, sich nicht runter ziehen zu lassen und gegen den Strom zu schwimmen. Quelle: Fotolia
Stress bedeutet keinen ErfolgWer Stress hat, sei fleißig, erfolgreich, geht scheinbar in seiner Arbeit auf – Stress ist in. Weder ist dieser Vergleich, noch ist diese Einstellung richtig. Stress belastet Körper und Geist. Wer tatsächlich Freude an der Arbeit hat, empfindet diese auch nicht als Bürde und Belastung. im Gegenteil: Sie geht einem dann eher leichter von der Hand. Quelle: Fotolia
WeiterentwicklungWer immer in einer Position verharrt – nicht nur karrieretechnisch, sondern auch geistig – verliert über kurz oder lang den Spaß an der Arbeit. Wer aktiv an sich arbeitet, sich verbessert und weiter entwickelt, hat auch mehr Freude an seiner Arbeit. Daher lautet die Devise, sich nach Weiterbildungsmöglichkeiten zu erkundigen, von Kollegen, Kunden und Geschäftspartnern zu lernen, sowie an Konferenzen teilzunehmen, die nichts mit dem direkten Aufgabenbereich zu tun haben. Das motiviert nicht nur, sondern fördert auch die Karriere. Quelle: Fotolia

Innerhalb von Wirtschaftsunternehmen sind Leistungen bis zu einem gewissen Grad noch glaubwürdig als Basis des Erfolgs – neben der Selbstdarstellung. Doch für die gesamte Gesellschaft gilt das längst nicht mehr.

Nichts anderes hat im Grunde auch der neue Star-Ökonom Thomas Piketty in seinem viel beachteten Buch über das Kapital im 21. Jahrhundert festgestellt: Allenfalls in den Jahrzehnten nach den Weltkriegen erschien ökonomischer Erfolg als Anerkennung objektivierbarer Leistungen.

„In der Gesellschaft der Gegenwart“, stellt Soziologe Neckel fest, „haben wir es vielfach mit leistungslosen Vorteilen zu tun, die Akteuren Erfolge gewähren.“

Ohne eigene Leistung

Die historisch einmalige Erbschaftswelle zum Beispiel sorgt für eine Oberschicht der unverdient Vermögenden, die sich den Erfolg auch ohne eigene Leistung kaufen können. Aber auch die öffentlich sichtbarsten Erfolgreichen - ob Fußballprofis oder Hollywood-Stars - erbringen wohl kaum Leistungen, die ihre Millioneneinkünfte glaubwürdig rechtfertigen können.

Für den Erfolg zählt nur mehr der Output, der Ertrag, das Ergebnis - und nicht die Anstrengung.

Besonders offensichtlich wird das an der Beliebtheit von Casting-Shows wie „Germanys Next Top Model“ oder „Deutschland sucht den Superstar“. In ihnen wird ein „gehaltloser Erfolg“ zelebriert, wie Olivier Voirol und Cornelia Schendzielorz in einem gleichnamigen Aufsatz im "Leviathan" feststellen.

Die Wettbewerbe, die Heidi Klum und Dieter Bohlen da veranstalten, kommen ohne jegliche Leistungskriterien aus. Die Gunst des Publikums beziehungsweise die abstrusen Urteilssprüche der allmächtigen Heidi entscheiden über Erfolg oder Scheitern.

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