Sie belässt es außerdem nicht bei der Analyse. Sie liefert konkrete Lösungen. Für die Frauen, die Männer, die Politik und die Wirtschaft. Auch hier hat man manches bereits gehört. Etwa die Forderung, das Ehegattensplitting abzuschaffen und Individualbesteuerung abhängig vom Familienstand einzuführen. Anderes wie etwa konkrete Vorschläge zur Beseitigung des Lohnunterschieds sind teilweise zu wenig bekannt. Auch die Forderung, Verbandsklagen gegen Diskriminierung rechtlich möglich zu machen, sind in der Gleichberechtigungsdebatte lange nicht mehr oder kaum diskutiert worden.
Führende Rolle in der Feminismus-Debatte
Wenn es überhaupt etwas zu kritisieren gibt an Domscheit-Bergs Buch, dann ist es vielleicht die stark heterosexuelle Sicht auf die Geschlechterfrage. Allerdings will Ein bisschen gleich ist nicht genug ein Weckruf sein, der an den Mainstream gerichtet ist.
Natürlich erfindet die Publizistin die Welt nicht neu, aber sie stellt unlängst vergessene mit hoch aktuellen Lösungsansätzen zusammen und weist auf Möglichkeiten zur pragmatischen Umsetzung hin. Ihr Buch ist eine kluge Anleitung zur Erschaffung einer Welt mit mehr Gleichberechtigung. Und damit zeigt sie, dass in ihr eine Vordenkerin, eine Visionärin steckt – aber eine, die ausgewogen debattieren kann, weil sie lebenserfahren genug ist.
Domscheit-Berg wurde 1968 in der DDR geboren, war Unternehmensberaterin bei Accenture, McKinsey und hat Karriere bei Microsoft gemacht. Sie hat zwei eigene Unternehmen gegründet, war Politikerin in der Piratenpartei. Sie ist außerdem Mutter eines Sohnes und mit dem früheren WikiLeaks-Sprecher Daniel Domscheit-Berg verheiratet. Kurzum: Eine Frau wie sie hat das Profil von einer, die man gerne in einer führenden Rolle der Feminismus-Diskussion sehen würde.
Anne Wizorek hatte im vergangenen Herbst mit ihrem Buch Weil ein Aufschrei nicht reicht ein wütendes wie auch pointiertes Buch vorgelegt, das ähnlich empörte und aufregte wie Alice Schwarzers Kleiner Unterschied in den siebziger Jahren. Wenn Anne Wizorek so etwas wie eine neue Alice Schwarzer ist, dann muss man Domscheit-Berg mindestens als Simone de Beauvoir ansehen. Besser ist es natürlich, diese Frauen in ihrem politischen Engagement einfach als die zu sehen, die sie sind. Überzeugte und aufrichtige Aktivistinnen für mehr Geschlechtergerechtigkeit.
Dieser Artikel ist zuerst bei Zeit Online erschienen.