Gleichberechtigung Kluge Anleitung für eine geschlechtergerechte Welt

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Analyse und konkrete Lösungen

Sie belässt es außerdem nicht bei der Analyse. Sie liefert konkrete Lösungen. Für die Frauen, die Männer, die Politik und die Wirtschaft. Auch hier hat man manches bereits gehört. Etwa die Forderung, das Ehegattensplitting abzuschaffen und Individualbesteuerung abhängig vom Familienstand einzuführen. Anderes wie etwa konkrete Vorschläge zur Beseitigung des Lohnunterschieds sind teilweise zu wenig bekannt. Auch die Forderung, Verbandsklagen gegen Diskriminierung rechtlich möglich zu machen, sind in der Gleichberechtigungsdebatte lange nicht mehr oder kaum diskutiert worden.

Hier verdient „Frau“ weniger als „Mann“
Versicherungskauffrau/-mannWenn frau Versicherungen verkauft, dann nicht für denselben Lohn wie ihre Kollegen. Das zeigt der Gehaltscheck der Hans-Böckler-Stiftung. Während Versicherungsfrauen monatlich einen Bruttolohn von 3012 Euro erhalten, bekommt ihr männlicher Arbeitskollege für dieselbe Tätigkeit über Tausend Euro mehr, nämlich 4160 Euro. Die Differenz zwischen den Gehältern liegt somit bei 28 Prozent. Quelle: dpa
Köchin/KochWer in Restaurants oder Kantinen den Kochlöffel schwingt und noch dazu weiblich ist, für den fällt die Lohnabrechnung am Monatsende eher gering aus. Nur 1800 Euro brutto verdienen Köchinnen, während ihre männlichen Kollegen fast 400 Euro mehr bekommen, nämlich 2179 Euro. Die Differenz liegt dadurch bei 17 Prozent. Quelle: dpa/dpaweb
Sozialarbeiter/-inAuch bei Sozialarbeitern wird die Gehaltsschere zwischen den Geschlechtern immer größer und liegt nun bei 16 Prozent Unterschied. Während Männer monatlich 3326 Euro brutto verdienen, bekommen Sozialarbeiterinnen nur 2808 Euro für ihren Job. Rechnet man alle Berufe zusammen stehen bei Frauen übrigens durchschnittlich 4291 Euro brutto auf der Lohnabrechnung am Monatsende, bei Männern sind es 5337 Euro. Quelle: dpa
Chemiker/-inAuch im Labor hat „frau“ schlechte Karten. Chemiker verdienen monatlich rund 5237 Euro brutto pro Monat, ihre weiblichen Kollegen müssen sich dagegen mit rund eintausend Euro weniger (4291 Euro) begnügen. Damit verdient „mann“ in diesem Beruf 18 Prozent mehr als „frau“. Quelle: obs
Bauleiter/-inDer Bau ist nach wie ein männerdominierter Beruf – bei den großen Gehaltsunterschieden in dieser Branche kaum verwunderlich. Frauen verdienen als Bauleiter rund 500 Euro weniger pro Monat (3133 Euro) als ihre männlichen Kollegen (3614 Euro). Quelle: AP
Bankkauffrau/-mannAuch in der Bankenbranche sind die Gehaltsunterschiede weiterhin groß. Während Bankkaufmänner durchschnittlich 4055 Euro pro Monat verdienen, kommen Bankkauffrauen nur auf 3290 Euro und verdienen somit 19 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Quelle: dpa
Krankenschwester/-pflegerErstaunlich gering sind die Lohndifferenzen bei Krankenpflegekräften. Krankenschwestern kommen durchschnittlich auf ein Gehalt von 2425 Euro brutto pro Monat, Krankenpfleger auf 2613 Euro. Damit besteht nur 7 Prozent Gehaltsunterschied zwischen den Geschlechtern. Quelle: dpa

Führende Rolle in der Feminismus-Debatte

Wenn es überhaupt etwas zu kritisieren gibt an Domscheit-Bergs Buch, dann ist es vielleicht die stark heterosexuelle Sicht auf die Geschlechterfrage. Allerdings will Ein bisschen gleich ist nicht genug ein Weckruf sein, der an den Mainstream gerichtet ist.

Natürlich erfindet die Publizistin die Welt nicht neu, aber sie stellt unlängst vergessene mit hoch aktuellen Lösungsansätzen zusammen und weist auf Möglichkeiten zur pragmatischen Umsetzung hin. Ihr Buch ist eine kluge Anleitung zur Erschaffung einer Welt mit mehr Gleichberechtigung. Und damit zeigt sie, dass in ihr eine Vordenkerin, eine Visionärin steckt – aber eine, die ausgewogen debattieren kann, weil sie lebenserfahren genug ist.

Domscheit-Berg wurde 1968 in der DDR geboren, war Unternehmensberaterin bei Accenture, McKinsey und hat Karriere bei Microsoft gemacht. Sie hat zwei eigene Unternehmen gegründet, war Politikerin in der Piratenpartei. Sie ist außerdem Mutter eines Sohnes und mit dem früheren WikiLeaks-Sprecher Daniel Domscheit-Berg verheiratet. Kurzum: Eine Frau wie sie hat das Profil von einer, die man gerne in einer führenden Rolle der Feminismus-Diskussion sehen würde.

Anne Wizorek hatte im vergangenen Herbst mit ihrem Buch Weil ein Aufschrei nicht reicht ein wütendes wie auch pointiertes Buch vorgelegt, das ähnlich empörte und aufregte wie Alice Schwarzers Kleiner Unterschied in den siebziger Jahren. Wenn Anne Wizorek so etwas wie eine neue Alice Schwarzer ist, dann muss man Domscheit-Berg mindestens als Simone de Beauvoir ansehen. Besser ist es natürlich, diese Frauen in ihrem politischen Engagement einfach als die zu sehen, die sie sind. Überzeugte und aufrichtige Aktivistinnen für mehr Geschlechtergerechtigkeit.

Dieser Artikel ist zuerst bei Zeit Online erschienen.

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