Großraumbüro Mitarbeiter müssen sich zurückziehen dürfen

Weltweit betrachten sich nur 13 Prozent der Arbeitnehmer als hoch motiviert, der Rest macht Dienst nach Vorschrift. Auch in Deutschland sind nur zwölf Prozent mit Herzblut bei der Sache. Das ließe sich leicht ändern.

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Der Report „Mitarbeiterengagement und Arbeitsplätze in aller Welt“ ist die erste Studie, die die Zusammenhänge zwischen dem Engagement der Mitarbeiter und ihrer Arbeitsumgebung erforscht. Quelle: ZB

Motivierte Mitarbeiter leisten mehr als unmotivierte. Das hat sich mittlerweile rumgesprochen, weshalb auch der alljährliche Gallup-Report eine besondere Beachtung findet. Er zeigt an, wie viele Menschen in Deutschland innerlich gekündigt haben und nur die Zeit bis zur Pensionierung totschlagen. Zuletzt traf das auf fünf Millionen Menschen zu. Der Wirtschaft entsteht dadurch ein Schaden in dreistelliger Milliardenhöhe. Zwischen innerer Kündigung und Motivation besteht zwar immer noch ein Unterschied, aber auch in punkto Motivation sieht es nicht viel besser aus: Nur zwölf Prozent der Deutschen arbeiten sehr motiviert und sehr zufrieden, weltweit trifft das auf 13 Prozent der Arbeitnehmer zu.

Das zeigt der Global Report zum Mitarbeiterengagement von Steelcase, einem Experten für Arbeitsraumgestaltung, und den Markt- und Meinungsforschern der Ipsos GmbH. Insgesamt befragten sie 12.480 Menschen aus 17 Ländern, davon 803 aus Deutschland - womit zumindest die Repräsentativität für Deutschland in Frage zu stellen wäre, käme Gallup nicht jedes Jahr zu ähnlichen Ergebnissen. Erstaunlich: Die engagiertesten Mitarbeiter kommen häufig aus aufstrebenden Schwellenländern, während die am wenigsten engagierten Studienteilnehmer aus etablierten Märkten stammen. In Frankreich zum Beispiel ist der Anteil sehr engagierter und sehr zufriedener Mitarbeiter besonders gering (fünf Prozent), in Indien dagegen sehr hoch (28 Prozent).

Wovon die Motivation abhängt

Steelcase sind natürlich nicht die ersten, die sich fragen, wovon die Mitarbeitermotivation abhängt. Gratis-Getränke können motivieren, fand kürzlich die Jobsuchmaschine Indeed heraus. Mehr Gehalt, kann, muss aber nicht langfristig motivieren, wissen Ökonomen, und um zu erkennen, dass Teilhabe, Transparenz und ein Mitbestimmungsrecht mehr motivieren, als stundenlanges Befehle ausführen, braucht es eigentlich keinen Psychologen.

So motiviert die Konkurrenz ihr Team

Nun entdeckten die Marktforscher jedoch, dass außerdem ein Zusammenhang zwischen der Zufriedenheit der Menschen mit ihrem Arbeitsplatz und dem Grad ihres Engagements besteht. Kurz gesagt: Mitarbeiter, die mit ihrer Arbeitsumgebung sehr zufrieden sind, zeigen sich sehr engagiert. Umgekehrt erweisen sich mit ihrer Arbeitsumgebung sehr unzufriedene Beschäftigte als am wenigsten engagiert.

Rückzugsräume für konzentriertes Arbeiten fehlen

Aber welche Arbeitsumgebung motiviert denn? Braucht es Spielwiesen wie bei Google? Das Büro im Rollkoffer wie bei Vodafone, wo selbst der Chef kein eigenes Büro mehr hat und sich morgens sein Plätzchen im Großraum sucht? Oder müssen es ruhige Einzelbüros mit Panoramablick sein? Der Report zeigt: Auf Möbel, Kicker und Lounge-Atmosphäre kommt es gar nicht so sehr an. "Sehr interessant war für mich die Erkenntnis, dass diejenigen Mitarbeiter, die die Kontrolle darüber haben, wie und wo sie arbeiten, am engagiertesten sind. Dazu zählt insbesondere die Möglichkeit, sich ungestört zurückzuziehen und die Arbeitsumgebung je nach anstehender Aufgabe frei wählen zu können", sagt Stephan Derr, Vorstand der Steelcase Werndl AG.


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Motivierte Angestellte werden demnach sowohl seitens des Unternehmens ermuntert, sich zurückzuziehen, wenn die Arbeit es erfordert, außerdem ermögliche das Raumangebot diese Freiheit am Arbeitsplatz, sodass es ihnen leicht fällt, sich zu konzentrieren oder ohne störende Unterbrechungen in Teams zusammenzuarbeiten. Der Haken: In Deutschland können das nicht einmal die Hälfte der Befragten. Hier können sich nur 44 Prozent für konzentriertes Arbeiten zurückziehen – im Gegensatz zu 53 Prozent weltweit.

Diese acht Dinge töten jede Motivation
Wird der Beitrag eines Mitarbeiters zum Unternehmenserfolg nicht als wichtig anerkannt, geht die Motivation sich weiter zu engagieren und sich einzubringen Quelle: Fotolia
Angst ist der Grund Nummer eins dafür dass Mitarbeiter aufhören etwas zu tun. Sie gehen keine Risiken mehr ein und bleiben hinter ihren Möglichkeiten. Quelle: Fotolia
Nichts ist frustrierender als die gleiche Aktivität wieder und wieder zu wiederholen. Dabei geht schnell das Interesse an Arbeit und Unternehmenserfolg verloren. Quelle: Fotolia
Manche Mitarbeiter kommen mit dem eigenen Versagen nicht klar. Und so mancher Manager sieht Versagen nicht als Teil der Erfolgsentstehung. Quelle: Fotolia
Ausruhen ist Pflicht! Ein Team braucht genügend Möglichkeiten sich auszuruhen, sonst geht der Antrieb schnell verloren. Quelle: Fotolia
Aber auch zu viel Erfolg kann die Motivation abwürgen und zu Bequemlichkeit führen. Wenn sich ein Team fühlt als wäre es angekommen und hätte alles erreicht dann fehlt der Druck Quelle: Getty Images, Montage
Apathie entsteht,wenn die gemeinsame Vision nicht klar definiert ist oder wenn sich Mitarbeiter nicht mit ihr identifizieren. Eine griffige und anspornende Vision ist also wichtig. Quelle: dpa, Montage

Auch bei der Ausstattung mit mobilen Geräten hinkt Deutschland hinter her: Zum Telefonieren auf die Dachterrasse gehen oder mit dem Laptop im Café arbeiten? Geht nicht. In Deutschland sind 80 Prozent der Arbeitsplätze mit Desktop-PCs und 94 Prozent mit Festnetztelefonen ausgestattet. Der Rat von Bewegungsexperten, wenigstens beim Telefonieren einmal aufzustehen und umherzulaufen, lässt sich in deutschen Büros also nicht oder nur kaum umsetzen.

Die Medien und die Alltagskultur haben in der Öffentlichkeit das Bild geprägt, dass sich der Arbeitsplatz in den letzten zehn Jahren dramatisch verändert hat, und dass Arbeitsumgebungen offen, informell und teamorientiert sind. Dies trifft zwar bereits auf einige Büros zu. In Wirklichkeit arbeiten die meisten Mitarbeiter weltweit allerdings noch in einem traditionellen Büroumfeld, in dem Hierarchien und Einzelarbeit am Schreibtisch nach wie vor an der Tagesordnung sind.

Der größte Kontrast ist in Europa zu sehen: in Großbritannien sind mit 49 Prozent fast die Hälfte aller Büros offen gestaltet, während dies in Deutschland nur bei 19 Prozent der Fall ist.

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