Hartmut Rosa "Die eingesparte Zeit ist im Eimer"

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Erfahrungen jenseits des Steigerungszwangs

Zehn Sofortmaßnahmen gegen Stress
Abwarten und aufschreiben Quelle: Fotolia
Tief durchatmenWenn Ihnen alles über den Kopf zu wachsen droht, atmen Sie erst einmal tief durch und beruhigen sich selbst. 1. Machen Sie die Augen zu 2. Atmen Sie tief ein 3. Sagen Sie sich im Stillen (wahlweise*): "Ich werde..." 4. Atmen Sie aus 5. Sagen Sie dabei im Stillen: "...meinen Chef nicht töten." Nach ein paar Wiederholungen fühlen Sie sich gelassener.*alternativ geht natürlich auch: "Ich bin total entspannt", "ich werde das schaffen" oder was Sie sonst gerade beschäftigt. Quelle: Fotolia
Sorgen Sie für Ruhe Quelle: Fotolia
Sorgen Sie für guten Duft Quelle: dpa
Kurze Wutpause einlegenUnd wenn Sie an Ihrem Arbeitsplatz gerade alles kurz und klein schlagen könnten, stehen Sie auf und holen Sie sich einen Kaffee, einen Tee oder Kakao. Trinken Sie den ganz in Ruhe in der Küche oder vor dem Gebäude und genießen Sie die kurze Auszeit. Erst danach sollten Sie zurück an den Schreibtisch. Quelle: Fotolia
Meditation in der MittagspauseWer es mit Meditation versuchen möchte, kann das App-sei-Dank mittlerweile sogar von unterwegs. Smartphone-Anwendungen wie "Headspace" bieten Schritt-für-Schritt-Anleitungen zur Tiefenentspannung. Quelle: AP
Bewegung in der PauseWem das zu esoterisch ist, dem sei ein wenig Bewegung ans Herz gelegt, das macht den Kopf frei: In der Mittagspause oder nach Feierabend ein paar Runden durch den Park joggen, kann Wunder bewirken. Quelle: dpa

Und deshalb, meinen Sie, geht uns das Gefühl des „In-der-Welt-Seins“ verloren?

Jeder kennt das. Da kommt eine Mail: Bitte lass uns den Termin verschieben. Da kommt ein Anruf: Kannst Du noch ein bisschen Obst einkaufen? Da kommt eine SMS: Bis drei Uhr muss der Text fertig sein. Da erreicht dich ein Tweet: Wusstest Du schon, dass unser Schulfreund gestorben ist? Verschiedene Sphären, die ganz unterschiedliche psychische Anforderungen an uns stellen. Aber mal eben von Beruf auf Privat, von Denkarbeit auf Trauer umstellen – so etwas geht nicht innerhalb von 20 Minuten. Dann entsteht so etwas wie Blasiertheit, wie Entfremdung. Denn eigentlich hat das alles nichts mehr mit mir zu tun. Ich schaffe es nicht mehr, mir die Dinge anzuverwandeln.

Wie schafft man Abhilfe? Etwa dadurch, sich für bestimmte Dinge explizit nicht zu interessieren?

Das behaupten viele Zeitmanager, Lothar Seiwert etwa. Man müsse Prioritäten setzen. Es sei eine Charakterschwäche, nicht „Nein“ sagen zu können. Aber was heißt das? Wenn mein neues Buch mir das Wichtigste ist – soll ich dann die Anfrage des Rektors ignorieren, der uns für die nächste Exzellenzinitiative in Stellung bringen will? Oder dem Studenten, der ein Empfehlungsschreiben braucht, bescheiden, sein beruflicher Werdegang stehe auf meiner Prioritätenliste leider ganz unten? Ich finde, es wäre eine Charakterschwäche zu sagen: Ihr könnt mich alle mal.

Was also bleibt uns übrig: Mit der Beschleunigung leben lernen?

Wir sollten darüber nachdenken, was wir eigentlich wollen, was ein „gutes Leben“ ist. In den einschlägigen Ratgebern ist immer nur von Ressourcensteigerung die Rede: Wie werden Sie glücklicher? Wie werden Sie reicher? Wie finden Sie bessere Freunde? Ich behaupte: Wer diesen Ratgebern folgt, verfehlt das gute Leben. Stattdessen geht es um musikalische, körperliche, auch soziale Erfahrungen – Erfahrungen, die jenseits des Steigerungszwangs liegen…

…religiöse Erfahrungen...

…unbedingt. Die Bibel ist ein einziges Dokument des Flehens, des Hoffens und Schreiens nach irgendeinem, der da ist und antwortet. Sie gibt ein Resonanzversprechen: Da ist jemand, der hört dich. Deshalb ist Religion für viele – entgegen allen soziologischen Prognosen – auch weiterhin ein attraktiver Erfahrungsbereich.

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