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Headhunter Personaler vernachlässigen Berufe-Netzwerke

Gute Konjunktur für Headhunter: Die Digitalisierung hat ihnen nicht geschadet. Denn die Suche nach Fachkräften im Netz ist einfach zu aufwändig.

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Headhunter Quelle: dpa

Entgegen aller Erwartungen scheinen Berufe-Netzwerke wie etwa LinkedIn oder Xing dem Geschäft der Headhunter nicht zu schaden. Vor allem bei Besetzungen von Jobs im oberen (32 Prozent) und mittleren Management (19 Prozent): Insgesamt schalten 51 Prozent der Unternehmen für die Suche auf dieser Ebene Personalberater ein - öfter als früher. 

Das geschieht, obwohl die Unternehmen durch die Nutzung neuer Medien viel mehr selbst machen könnten, um geeignete Bewerber zu finden. Vorausgesetzt, sie nehmen sich die Zeit dazu. Denn die Suche nach Kandidaten, die noch bei anderen Unternehmen sind, ist auch im Internet aufwändig - und womöglich ergebnislos.

Dies hat die US-Personalberatung Signium bei einer Befragung von 220 Unternehmen im Handel und den Personalvorständen, Personalgeschäftsführern und Personalchefs von Unternehmen herausgefunden. Die Ergebnisse lassen sich laut Margareta Glass, Managing-Partnerin bei Signium in München, auf andere Branchen übertragen. Die gute Konjunktur für Personalberater bestätigen die Zahlen vom Bundesverband deutscher Unternehmensberater: Die Headhunter haben 2014 ihren Umsatz um 5,7 Prozent gesteigert und vermittelten zwei Prozent mehr Leute, insgesamt 53.000 – ein neuer Rekord.

Dabei machen sich die Unternehmen das Internet beim Rekrutieren neuer Mitarbeiter - egal für welche Hierarchieebene - durchaus zunutze, wenn auch nur passiv. Zum Beispiel beim Entgegennehmen von Bewerbungen: 26 Prozent der Unternehmen akzeptieren ausschließlich Bewerbungen per E-Mail, weitere acht Prozent nur via Online-Formular auf den eigenen Homepages.

Führungskräfte bewerben sich kaum online

Auf Online-Bewerbungen lassen sich Führungskräfte allerdings nicht ein: egal ob über Online-Plattformen oder digitale Bewerbungsformulare auf Unternehmenswebseiten. 20 Prozent der befragten Personaler bekommen laut Umfrage keine Bewerbungen von Managern über das Internet, 40 Prozent sehr selten. Hinzu kommt: 47 Prozent der Unternehmen schreiben Führungspositionen auch nie auf ihrer Homepage aus. Weitere 30 Prozent tun dies nur sehr selten.

Ein weiterer Mythos: Besetzungen von Management-Positionen über Empfehlungen - ob von den eigenen Mitarbeitern oder über Kontakte aus den Berufe-Netzwerken wie Xing oder LinkedIn. 62 Prozent der Befragten haben sehr selten Führungskräftejobs mit empfohlenen Kandidaten besetzt und vier Prozent noch nie. Nur 17 Prozent der Personalverantwortlichen besetzen regelmäßig Führungskräftepositionen über Empfehlungen.

So erkennen Sie gute Berater

Mitarbeiter-Empfehlungsprogramme in Deutschland unbeliebt

Warum Mitarbeiter-Empfehlungsprogramme - also Besetzungs-Tipps von den eigenen Arbeitnehmern gegen Prämien - hierzulande nicht so verbreitet sind wie zum Beispiel in den USA, weiß Signium-Partnerin Ann Frances Kelly: Sie seien für manche Personalchefs schlichtweg das Eingeständnis, dass es ihnen nicht selbst gelänge, Positionen zu besetzen.

Die Mitarbeiter dagegen scheuen das Risiko, eine falsche Empfehlung zu geben, die ihnen am Ende schaden kann. Um diese Hürde zu überwinden, ist die Belohnung meist nicht hoch genug,  sagt Personalexpertin Kelly. Viele Mitarbeiter vertreten sogar die Haltung, es sei nicht ihre Aufgabe, für die hochbezahlten Profis in den Personalabteilungen zu arbeiten.

Die größten Fehler von Unternehmen im Umgang mit Headhuntern
1. Wir wollen nur die allerbeste Führungskraft haben„Die“ Führungskraft oder „der“ beste Manager ist zu jeder Zeit eine komplette Illusion. Zum einen gibt es dafür gar keine Kriterien und zum anderen geht es immer nur um die gerade auf dem Markt verfügbaren Manager. Zudem will auch gar nicht jeder Manager in jedes Unternehmen gehen. Viele Unternehmen überschätzen total ihre Attraktivität. Unter normalen Verhältnissen ist der scheinbar Beste das Resultat verschiedener auseinander strebender Bedingungen - also ein Kompromiss. Es kann also immer nur um den auf dem Markt geeignetsten Manager gehen. Quelle: Fotolia
2. Fehlendes Vertrauen in den HeadhunterSehr schnell stellt der Headhunter dem Unternehmen einige exzellente Manager vor. Aber das lehnt jeden ab. Darauf können nur noch schwächere Manager folgen. Diese fallen sowieso durch. Zuletzt hat der Klient kaum noch Auswahlmöglichkeiten und entscheidet sich doch für einen Kandidaten der ersten Gruppe. Es ist jedoch fraglich, ob dieser nach einem solchen Hick-Hack auch noch bereit ist, in dieses Unternehmen zu wechseln. Hätte das Unternehmen der Marktkenntnis des Headhunters vertraut, hätte es schneller einen guten Manager gehabt. Quelle: Fotolia
3. Die Kandidaten werden nicht effektiv behandeltDer Managermarkt ist eng. Das Unternehmen muss für sich werben. In vielen Unternehmen geht jedoch das Tagesgeschäft vor. Deshalb kommt es oft vor, dass Unterlagen von Kandidaten wochenlang unbearbeitet bleiben. Allmählich verlieren gute Kandidaten Vertrauen in das Unternehmen und sagen ab. Obwohl jedes Unternehmen der Aussage zustimmen würde, dass Personalentscheidungen die wichtigsten sind, verhalten sich viele in der Praxis nicht dementsprechend. Quelle: Fotolia
4. Unternehmen nutzen das Hintergrundwissen des Headhunters nicht genugEin langjährig aktiver Headhunter weiß, in welchem Unternehmen sich welcher Managertyp mit welchem Gehalt befindet. Dieses Wissen will er bezahlt haben. So manches Unternehmen will überall Kosten sparen, und meint deshalb, den Markt selbst gut zu kennen. Fast immer erweist sich dies als verhängnisvoll. Quelle: Fotolia
5. Unternehmen verkennen die MarktverhältnisseHäufig erwarten Unternehmen, dass ein exzellenter Kandidat seinen neuen Job für ein Durchschnittsgehalt akzeptiert. Sie diskutieren dann über wenige tausend Euro, obgleich ihnen die Einstellung dieses Kandidaten ein Vielfaches an Ergebnisverbesserung bringen würde. Letztlich scheitert dann die Einstellung dieses Kandidaten, und der Headhunter kann dann nur noch einen weniger geeigneten Manager vorschlagen. Quelle: dpa
6. Die Angst vor starken PersönlichkeitenDer Klient wünscht "eine starke Persönlichkeit", aber er lehnt jeden guten Manager ab, der ihm vom Headhunter vorgestellt wird. Zuletzt bleibt dem Headhunter nichts weiter übrig, als einen eher schwachen Manager vorzustellen. Genau diese nimmt der Klient dann aber an. Tatsächlich wollte er niemals einen starken Manager, da er selber keine starke Managementpersönlichkeit ist. Quelle: Fotolia
7. Unzureichende Abstimmung im UnternehmenIn der Regel ist die Verantwortung für die Suche nach einem neuen Manager zweigeteilt. Die Personalabteilung ist für die Suche zuständig und das Linienmanagement für die Aufstellung der Kriterien dafür. Es liegt auf der Hand, dass damit Abstimmungsprobleme vorprogrammiert sind. Oft bleiben diese aus Machtgründen ungeklärt. Am Ende sind alle Beteiligten im Unternehmen mit dem Headhunter unzufrieden. Ein guter Kandidat spürt dies und sagt ab. Quelle: Fotolia

Auch wenn 77 Prozent der Unternehmen keine Mitarbeiter-Empfehlungsprogramme haben, befinden sich immerhin zehn Prozent in einer Testphase.

Das Netzwerk pflegen? Fehlanzeige

Unterentwickelt ist in fast allen Unternehmen das Thema Netzwerkpflege, sei es über die Social-Media-Kanäle Xing und LinkedIn oder bei Fachtagungen. Manager und Personalverantwortliche sollten darüber hinaus Kontakte zu anderen Unternehmen pflegen, um potenzielle externe Führungskräfte im Fall der Fälle ansprechen zu können, empfiehlt Signium-Beraterin Glass.

Dumm nur, dass die Unternehmen hierfür keine Kapazitäten haben: Laut Margareta Glass fehlt Managern die Zeit zur Netzwerk-Pflege. Dafür sind die Anforderungen an das Führungspersonal in Zeiten von Digitalisierung und Globalisierung viel zu hoch. Das zieht sich bis in die Personalabteilung durch: Nur 13 Prozent der Verantwortlichen sehen die dringende Notwendigkeit, ihre Kontaktpflege zu externen Führungskräften auszubauen. Weitere 16 Prozent finden es zumindest wichtig. 42 Prozent der Befragten sagen, dass ihnen die Kapazitäten und Kompetenzen hierfür fehlen oder dass diese Kontaktpflege nicht in ihrem Interesse liegt.

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