Hilfe, mein Chef schreit mich an! So lösen Sie Konflikte im Job

Beleidigungen, Pöbeleien, Mobbing - im Büro geht es oft heiß her. Wie Chefs mit streitlustigen Mitarbeitern umgehen sollten und was Mitarbeiter tun können, wenn ihr Boss der Übeltäter ist.

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So entkommen Sie Wut und Frust im Job
eine Frau meditiert Quelle: Fotolia
Frau hat einen Wutanfall Quelle: Fotolia
Mann hält sich den Mund zu Quelle: Fotolia
Frau hält sich die Ohren zu Quelle: Fotolia
Ein Mann und eine Frau unterhalten sich Quelle: Fotolia
Eine Frau trinkt aus einer Wasserflasche. Quelle: dpa
Ein Mann im Anzug kurz vor'm Sprint Quelle: Fotolia

Teamarbeit steht in deutschen Unternehmen hoch im Kurs. Doch wo Menschen miteinander arbeiten, gibt es immer auch Reibereien. Ein großer Konfliktpunkt ist dabei der Ideenklau: Einer Studie von Metaberatung, einem Dienstleister für Persönlichkeitsverfahren und Personaldiagnostik, zufolge sagen 44 Prozent, dass sich Kollegen fremde Ideen während der Teamarbeit zu eigen machen und die anschließend beim Chef als ihren Vorschlag ausgeben. Und schon knallt's.

Wenn sich jemand im Team ungerecht oder respektlos behandelt fühlt, wird daraus schnell ein handfester Konflikt, wo schonmal ein barscher Ton angeschlagen wird. Das kann Folgen haben: "Wenn Kollege A zu Kollege B "Idiot" sagt, erfüllt das juristisch den Tatbestand der Beleidigung. Jetzt sollte man natürlich nicht gleich mit Kanonen auf Spatzen schießen. Aber allein arbeitsrechtlich kann so etwas Konsequenzen haben", erklärt Jurist und Wirtschaftsmediator Florian Stoll von der Kanzlei Ponschab und Partner.

Verbale Gewalt im Job

Chefs sollten bei Stress unter den Kollegen aber nicht gleich mit Kündigung drohen, sondern herausfinden, warum beide Parteien wütend aufeinander waren und wie sich die Zusammenarbeit in Zukunft verbessern lässt, sagt der Experte. Denn Streitereien im Team vergiften die Arbeitsatmosphäre.

Mit wem wir uns im Beruf am häufigsten streiten

Timo Müller spricht in diesem Zusammenhang von verbaler Gewalt im Job. Er leitet das Institut für Konfliktmanagement und Führungskommunikation und ist als Business-Trainer und Konfliktmoderator tätig. "Gewalt ist, wenn ich jemanden absichtlich verletze." Dafür braucht es keine Fausthiebe, es genügt eine spitze Zunge.

Zur Häufigkeit von psychischer Gewalt am Arbeitsplatz gibt es diverse Studien: So geht das Robert-Koch-Institut davon aus, dass neun Prozent der Deutschen am Arbeitsplatz Pöbeleien, Beleidigungen, Streit oder Mobbing ausgesetzt sind. Bei der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (EU-OSHA) ist man überzeugt, dass - abhängig von Land, Wirtschaftszweig und Untersuchungsmethode - zwischen fünf und 20 Prozent der europäischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unter Gewalt am Arbeitsplatz leiden. Bei Führungskräften liegt die Quote noch höher: Laut EU-OSHA sind 40 Prozent der europäischen Führungskräfte mit Gewalt und Beleidigungen am Arbeitsplatz konfrontiert.

Zoff im Büro schadet dem Unternehmen

Natürlich ist verbale Gewalt immer auch Definitionssache. Trotzdem: "Wenn ich weiß, dass ein Witz meinen Kollegen verletzen wird und ich erzähle ihn trotzdem, dann ist es aber auch Gewalt", fasst Müller zusammen. Und: "Dauerhaft von verbaler Gewalt betroffene Mitarbeiter werden krank. Es hat also durchaus wirtschaftliche Konsequenzen für das Unternehmen, wenn Führungskräfte nicht gegensteuern."

So stellen Sie fest, ob die Arbeitsqualität stimmt

Und die sind nicht ganz ohne: Konfliktstudien des Beratungsunternehmens KPMG zeigen, dass circa 10 bis 15 Prozent der Arbeitszeit für Streitereien mit Kollegen, Kunden und Zulieferern drauf gehen. Finanziell schlägt das mit verlorener Arbeitszeit, Fehltagen von Mitarbeitern und eventuellen Krankheitsvertretungen zu Buche. Je nach Fall können Kosten für unternehmensinterne Konflikte in die Millionen gehen. So geht die KPMG-Studie auf den Fall zweier IT-Entwicklungsabteilungen in einem international tätigen Unternehmen ein, in denen es immer wieder Streit gab.

Viele Mitarbeiter reagierten auf anhaltenden Konflikte mit „inneren Kündigungen“, Mitarbeiterbefragungen ergeben eine sehr negative Grundstimmung. Insgesamt summierten sich die Kosten für Fluktuation, Krankheits- und Fehltage, entgangene Aufträge, arbeitsrechtliche Maßnahmen und dergleichen auf 3,45 Millionen Euro.

Was tun, wenn der Chef Streit sucht?

Das Problem ist: Häufig ist es der Vorgesetzte, der den Konflikt auslöst oder der daran zumindest beteiligt ist. Das kann verschiedene Gründe haben, wie Mediator Stoll sagt. "Machtkonflikte kommen häufig vor, weil der Führungsauftrag und eine Führungspersönlichkeit nicht immer das Gleiche sind."

Vergreift sich der Vorgesetzte gern mal im Ton, gehen über kurz oder lang auch die Mitarbeiter untereinander nicht zimperlich miteinander um. Zum einen, um den eigenen Stress abzubauen, zum anderen, weil der Vorgesetzte mit seinem Verhalten vorlebt, was im Unternehmen oder der Abteilung erlaubt ist und was nicht. Konfliktforscher Müller nennt den Chef deshalb auch den zentralen Gesundheitsfaktor.

Welche Gesundheitsangebote sich Arbeitnehmer wünschen

Hinzu komme, dass Reaktionen des Chefs häufig ernster beziehungsweise persönlicher genommen würden. Blökt der Kollege: "Du bist vielleicht ein Idiot", mag man das mit einem Schulterzucken abtun. Sagt der Vorgesetzte aber: "Sie sind vielleicht eine Pfeife", kommt das gleich ganz anders rüber. "Entsprechend müssen sich Führungskräfte bewusst sein, dass das, was sie zu ihren Mitarbeitern sagen – auch wenn es nur im Vorbeigehen auf dem Flur ist, eine große Wirkung hat", so Müller.

Respektloses Verhalten erstickt Kreativität

Und auch hier hat der cholerische Chef letztlich finanzielle Folgen für das Unternehmen. "Dass der Vorgesetzte Auslöser des Konflikts ist, kommt häufig vor", weiß Stoll. "Wird dieser Konflikt dann nicht aufgearbeitet, wirkt sich das negativ auf die Leistung des betroffenen Mitarbeiters aus. Unter Umständen kündigt der Betroffene sogar." Denn niemand engagiert sich auf Dauer in einem Unternehmen, in dem er respektlos behandelt wird. Bestenfalls stumpft der Betroffene nur ab, Höchstleistungen und Kreativität sind nicht mehr zu erwarten. Das trifft laut der diesjährigen Gallup-Studie immerhin auf fünf Millionen deutsche Arbeitnehmer zu - das sollte Unternehmern zu denken geben.

So legen Unternehmen ihre Streitigkeiten bei

"Ist der Chef Teil des Konflikts, muss idealerweise ein Externer ran. Denn oft fehlt der Blick der Führungskraft für Konflikte. Der Chef sagt dann, dass alles gut ist, obwohl der Mitarbeiter sich zum Beispiel von ihm respektlos behandelt fühlt", so Müller. Dem Mitarbeiter fehlen aufgrund der unterschiedlichen Hierarchie-Ebenen oftmals auch die Möglichkeiten, sich richtig zu wehren.

Hat sich der Chef im Ton vergriffen, sollte man theoretisch etwas sagen wie: "Sie können mich kritisieren, aber der Tonfall ist so nicht in Ordnung." In der Praxis trauen sich das aber nur wenige. Sie schlucken ihren Ärger runter, bis er sich zu einem stattlichen Magengeschwür entwickelt hat oder lassen ihn bei nächster Gelegenheit an Kollegen, Freunden oder der Familie aus.

"Dem Mitarbeiter bleibt eigentlich nur der Weg über den Betriebsrat oder die Personalabteilung", sagt auch Stoll. Denn: "Geht der Mitarbeiter den Weg über den Vorgesetzten des Vorgesetzten, kann das die Situation noch verschlimmern."


Konfliktmanagement ist Chefsache

Entsprechend ist es an den Führungskräften, Konflikte auszuräumen. Stoll: "Führungskräfte haben die Pflicht, direkt zu reagieren und ein Fehlverhalten klar anzusprechen, wenn sie es direkt erleben." Kenne man den Vorfall dagegen nur vom Hörensagen, sei Vorsicht geboten. Stoll rät in einem solchen Fall, zunächst mit dem Team über Regeln für die Zusammenarbeit zu sprechen und klar zu machen, dass Beleidigungen nicht erwünscht seien. Wer sich selbst dabei erwischt, andere schlecht zu behandeln, solle dies ebenfalls kommunizieren.

"Dass man sich im Ton vergreift, ist ja menschlich. Wer dann sagt: 'Kommando zurück, lass uns noch einmal von vorne anfangen', zeigt Größe." Und spart Geld. Denn vieles lasse sich auf dem kurzen Dienstweg klären - ohne Mediator. Hat es dagegen so schwer geknallt, dass die betroffenen Parteien den Streit partout nicht lösen können, könne ein externer Mediator helfen.

So werden Sie in Ihrem Unternehmer zum Konfliktlöser

Geht es nur darum, dass Kollegin Schmidt Kollege Meyer einen Idiot nennt, sieht Konfliktforscher Timo Müller die Sache gelassen: "Die Mitarbeiter sind ja erwachsen und können das alleine klären", sagt er. Vorgesetzte müssten erst dann einschreiten, wenn die Parteien nicht weiter kämen. "Die Führungskraft sollte im Idealfall der erste Konfliktmanager im Haus sein, es bietet sich jedoch an, Personen zu Konfliktmanager auszubilden, die keine Führungsposition inne haben, damit sie vermitteln können, wenn zwischen Mitarbeitern und Chefs der Blitz einschlägt", ergänzt Stoll.

Der Chef kann kein Seelsorger sein

Nach Müllers Erfahrung gehe es aber nicht darum, den Chef noch zum Vertrauenslehrer und Seelsorger zu machen. Er sei jedoch "primär dafür verantwortlich, Bedingungen zu schaffen, die dem Personal einen erfolgreichen Umgang mit Konflikten ermöglicht." Denn je stressiger die Arbeit, je höher Druck und Anforderungen und je knapper Deadlines sind, desto gereizter ist die Stimmung und desto eher vergreift man sich im Ton. "Arbeitsbedingungen schaffen cholerische Reaktionen mit", weiß Müller aus der Praxis. Und die Arbeitsbedingungen sind nichts, was die Angestellten grundlegend beeinflussen können.

Er sieht darüberhinaus die Personalabteilungen in der Pflicht: Ihre Aufgabe sei es, zu entscheiden, ob ein Konflikt zwischen Mitarbeitern durch die Beteiligten selbst gelöst werden kann oder ob ein unbeteiligter Dritter hinzugezogen werden müsse. Ob derjenige aus der Personalabteilung, vom Betriebsrat oder von extern kommt, ist zunächst unerheblich.

Desweiteren sei es der Job der HR-Kräfte, Angestellte und Führungskräfte mit professionellem Konfliktmanagement-Know-how auszustatten. So ließe sich Streit verhindern beziehungsweise bestehende Konflikte deeskalieren. Wichtig sei, die Streitigkeiten - egal zwischen wem - zu lösen und nicht unter den Teppich zu kehren.

Mediator Stoll bringt es auf den Punkt: "Letztlich sind Konflikte normal. Die Frage ist, wie professionell man damit umgeht."

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