Noch während die Zuhörer klatschen, gehen fünf Hände in die Luft. Die Fragerunde dauert wie immer länger als der eigentliche Vortrag. Die 55 Frauen und Männer langweilen sich schnell, deshalb brauchen sie ständig neues Gedankenfutter. Denn sie haben eine Gemeinsamkeit: Ihr Intelligenzquotient (IQ) liegt bei über 130 Punkten. Damit dürfen sie Mitglied bei Mensa werden, einem Club für Hochbegabte, der traditionell nur überdurchschnittliche Zeitgenossen aufnimmt. Der Verein überprüft das mit einem Aufnahmetest. Nur zwei Prozent aller Menschen schaffen die Logik-, Wort- und Zahlenrätsel unter Zeitdruck, bestenfalls bekommen sie drei Wochen später Post: Der IQ-Bescheinigung liegt dann eine Einladung des Vereins bei.
Intelligenz "Zum Wohle der Menschheit"
Etwa 12.500 Mitglieder hat er in Deutschland, weltweit sind es 120.000 in 100 Ländern. In der Satzung ist der Zweck offiziell festgehalten. Er will die Intelligenz „zum Wohle der Menschheit“ erkennen und fördern sowie Forschungen über die Natur der Intelligenz unterstützen. Außerdem möchte er die Mitglieder buchstäblich an einen Tisch bringen – lateinisch „mensa“ – und ihnen „ein intellektuell und gesellschaftlich anregendes Umfeld“ zur Verfügung stellen. Auch deshalb treffen sich die Hamburger Mitglieder an diesem Abend zum Business-Stammtisch. Genug zu besprechen gibt es immer.
Diese Arten von Intelligenz gibt es
Von jeder Führungskraft wird mittlerweile Empathie verlangt – die Fähigkeit, Gefühle zu erkennen und zu verstehen. Nicht nur die der anderen, sondern auch die eigenen.
Wer die Wünsche seiner Mitmenschen erkennt, besitzt eine besondere Form der Empathie. Das ist auch im Job nützlich: Interpersonal begabte Menschen sind oft gute Verkäufer oder Politiker.
Chirurgen, Sportler, Tänzer und Schauspieler können ihren Körper kontrolliert und geschickt einsetzen.
Erfinder und Entdecker wie Alexander von Humboldt haben ein überdurchschnittliches Gespür für Pflanzen, Tiere und die Zusammenhänge der Natur.
Nicht nur Philosophen haben ein Talent für die großen Warum-Fragen. Auch Manager benötigen es, um den Sinn bestimmter Prozesse zu verstehen – und zu vermitteln.
Nur wenige Personen wissen genau, welche Fähigkeiten sie haben – und dazu zählen intrapersonal intelligente Menschen. Sie schätzen sich selbst und ihre Herausforderungen realistisch ein. Das führt gleichzeitig zu einer hohen (Selbst-)Zufriedenheit.
Rhythmen erkennen, Melodien komponieren, Töne unterscheiden – musikalisches Talent wird oft beneidet.
IQ-Tests sind so beliebt wie umstritten. Schon seit Jahrzehnten streiten Experten darüber, was das Ergebnis über einen Menschen aussagt, ob der IQ im späteren Leben eine Rolle spielt – und wenn ja, welche. Es gibt Dutzende von Untersuchungen, die einen Zusammenhang zwischen dem Testergebnis einerseits und Schulnoten, Einkommen oder gar Lebensdauer andererseits nahelegen. All diese vermeintlich gesicherten Erkenntnisse trugen dazu bei, dem Test ein fast mythisches Image zu verpassen – konnte er doch scheinbar in gewisser Weise die Zukunft der Testpersonen vorhersagen.
Hochbegabte gelten oft als arrogant und besserwisserisch
Deshalb wünschen sich Eltern hochbegabte Kinder, schicken sie im Kindergartenalter zur musikalischen Früherziehung oder melden sie auf teuren Privatschulen an. Studierende wären gerne so schlau wie die Jahrgangsbesten, Arbeitnehmer hätten gern für jedes Problem eine kreative Lösung. Alles nicht verkehrt, manchmal hilft es ja auch. Aber manchmal auch nicht. Denn tatsächlich ist ein hoher IQ für viele Hochbegabte nicht Segen, sondern Fluch. Kein Anlass zur Freude, sondern Grund zur Sorge. Privat wie beruflich. „Einstein findet jeder toll, doch als Kollegen würden ihn die meisten sicher nervig finden“, sagt Heinz-Detlef Scheer.
Der Psychologe arbeitet als Coach für Hochbegabte. „Viele von ihnen ecken oft an“, sagt Scheer, „sie werden als arrogant empfunden, als besserwisserisch, als taktlos.“ „Uns wird oft vorgeworfen, wir seien elitär, da wir Menschen mit niedrigerem IQ als 130 nicht in den Verein aufnehmen“, sagt Mensa-Mitglied Helga Liefkes. Zumindest gegen den Vorwurf der räumlichen Abschottung wehrt sich der Verein, die meisten Veranstaltungen sind öffentlich. „Der IQ entscheidet ja nicht darüber, ob jemand ein besserer oder schlechterer Mensch ist“, sagt die 59-Jährige. Vor allem aber ist der IQ nur eine von vielen Antworten auf die Frage, was Scharfsinn und Klugheit eigentlich bedeuten.