Hochbegabung Ein hoher IQ hat nicht nur Vorteile

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Hochbegabte IT-ler

Denn Forscher definieren Intelligenz mittlerweile in wesentlich mehr Bereichen. Der IQ hingegen beruht nur auf drei Dimensionen: mathematische, räumliche und sprachliche Denkfähigkeit. Deshalb denken die meisten bei geistigen Überfliegern häufig an Genies aus den Naturwissenschaften wie zum Beispiel Stephen Hawking, Albert Einstein oder Marie Curie. Diese prominenten Ausreißer prägen das Bild von Hochintelligenten. Dabei arbeiten die meisten in alltäglichen Jobs. Auch bei Mensa sind fast alle Berufe vertreten; ob Lehrerinnen, Zahnärzte oder Hausmänner.

Nur ein Klischee stimmt tatsächlich: Überdurchschnittlich viele Mitglieder arbeiten im IT-Bereich. Auch Helga Liefkes ist als freie Interimsmanagerin und Beraterin in der IT-Branche tätig. Die Mathematikerin springt ein, wenn Unternehmen in komplexen Situationen rasche Hilfe brauchen. Ihre Intelligenz kommt ihr dabei zugute: „Unsere Denkgeschwindigkeit ist schneller als beim Durchschnitt.“

Die Entwicklungsstufen Künstlicher Intelligenz

Neben ihr steht an diesem Abend Wolfram Koller. Der Softwareunternehmer hat den Business-Stammtisch in Hamburg vor acht Jahren gegründet. Das Treffen soll jene Superschlauen zusammenbringen, die auch beruflich ehrgeizig sind. Sie können Kontakte knüpfen und Ratschläge einholen für ihre Karriere.Hinter den Fensterscheiben spiegeln sich die Lichter auf der Binnenalster. Kronleuchter, Parkettböden und goldene Stuckdecken verleihen dem Raum ein mondänes Ambiente. Alle paar Monate lädt Koller einen Vortragsgast ein, um den Zuhörern neuen Input zu geben. An diesem Abend steht ein zurückhaltender Mann vor ihnen.

Der eigene IQ bleibt geheim

Dirk Müller-Remus beschäftigt in seiner Firma überwiegend Autisten als IT-Berater. Die Grenze zur Hochintelligenz ist mal mehr, mal weniger eindeutig. „Beide erfassen Situationen und Probleme sehr schnell. Wenn ich einen Fehler in meiner Präsentation hatte, haben Sie den bestimmt direkt entdeckt“, sagt er. „Zwei“, sagt eine Frau etwas zu laut, alle lachen. Es wird viel gelacht an diesem Abend. Wer an introvertierte Computerfreaks und dicke Brillen denkt, liegt falsch. In klassischer Geschäftskleidung stehen die Hochbegabten dicht gedrängt an der Bar und trinken Cocktails, Bier und Wein. Die Gespräche verlaufen schnell, die Mitglieder springen von einem Thema zum anderen und wieder zurück. Nur eines ist tabu: der eigene IQ. Es ist ein ungeschriebenes Gesetz des Vereins, dass die exakte Höhe des Testergebnisses ein Geheimnis bleibt.

Was an diesem Abend zwingend notwendig ist, erweist sich in der normalen Welt oft als Problem: Überdurchschnittlich intelligente Menschen haben Ideen im Überfluss – und das kommt bei vielen Kollegen nicht gut an. Die einen fassen den Eifer als Strebertum auf, andere fühlen sich im Angesicht intellektueller Unterlegenheit unsicher und geben den Frust an die Verursacher der schlechten Gefühle weiter. „Hochbegabte haben deshalb oft ein geringes Selbstbewusstsein“, sagt der Psychologe Scheer. Andere wiederum fühlen sich angegriffen und fürchten um ihre Macht.

Deshalb trainiert Scheer mit seinen intelligenten Klienten vor allem Alltagssituationen: Warum kippte die Stimmung der Diskussion? Wieso reagierten die Kollegen pikiert auf einen Vorschlag? Weshalb wurde der einfältige Kollege befördert – und nicht ich? Häufig erkennen die Betroffenen erst in solchen ehrlichen Feedbackgesprächen, wie irritierend ihre Denkgeschwindigkeit auf andere bisweilen wirken kann. „Gerade Vorgesetzte denken, eine besonders engagierte Kollegin wolle ihren Job, und gehen in die Verteidigungshaltung“, sagt Scheer. Doch das entpuppt sich häufig als Irrtum.

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