Laut Young können die Ursachen für das Hochstapler-Syndrom schon in der Kindheit liegen: “Das Syndrom kann durch falsche Botschaften in der Erziehung ausgelöst werden, die zu einem unerschöpflichen Perfektionismus führen. Zum Beispiel, wenn die Eltern einem Kind ständig sagen, dass es sehr klug ist.”
Das führe dazu, dass die eigenen Leistungen dem Kind nie wirklich genügen. Es habe das Gefühl, es müsste mehr erreichen.
Kreative, Frauen und Junge besonders betroffen
Bei Millenials beobachtet Young das Phänomen häufiger als bei früheren Generationen. Ihrer Ansicht nach geht das damit einher, dass den jungen Menschen zu häufig vermittelt werde, sie seien etwas ganz Besonderes. Leistungs- und sozialer Druck im Studium können den Perfektionismus und die sich daraus ergebenden Gefühle der Unzulänglichkeit verstärken.
Frauen sind laut Young anfälliger für das Hochstapler-Syndrom, weil bei ihnen Fehler und Kritik von Klein auf stärker im Fokus stünden, als ihre Erfolge. Zudem deuteten unterschiedliche Studien darauf hin, dass Frauen ihre Kompetenz oft unterschätzten.
Auch der ständige Vergleich mit anderen kann die Selbstzweifel verstärken. Entsprechend ist die Dichte an Betroffenen in kreativen Branchen oder Geschäftsbereichen, in denen regelmäßige Innovation erwartet werden, höher, wie Young sagt. Als ein Beispiel nennt sie den Technologie-Sektor.
Wie Betroffene mit dem Hochstapler-Syndrom umgehen sollten
Wie bei allem beginnt der Weg aus der Tiefstapelfalle mit Selbsterkenntnis. Wer erste Anzeichen des Hochstapler-Syndroms bei sich erkennt, sollte diese erst einmal annehmen und akzeptieren. Des Weiteren sei es wichtig, die eigene Fehlbarkeit anzuerkennen: Fehler gehören zum Lernprozess und sind ein konstruktives Mittel, es beim nächsten Mal besser zu machen.
Außerdem sei es wichtig, bestimmte mentale Kreisläufe zu durchbrechen: Sich selbst ständig zu sagen, man könne es nicht und würde zwangsläufig scheitern, führt naturgemäß zu höherem Druck und geringem Selbstbewusstsein. "Wer aufhören will, sich wie ein Hochstapler zu fühlen, muss aufhören, wie ein Hochstapler zu denken", sagt Valerie Young.
Da kann es helfen, sich die eigenen Erfolge vor Augen zu führen. Denn nach externen Maßstäben lässt sich die eigene Leistung ganz einfach bestätigen. Der Fokus auf den eigenen Erfolg hilft, Leistungen unabhängig von anderen zu bemessen.
Wege aus der Tiefstapelei
Schreiben Sie, welche Erfolge Sie bisher erreicht haben! Sie können solche Aufgaben jederzeit wieder meistern - denn Sie haben das Talent dazu.
Nur weil Sie sich in gerade diesem Moment vielleicht inkompetent fühlen, sind Sie das noch lange nicht. Machen Sie sich bewusst, dass Ihre Gefühle keine Fakten sind.
Reden Sie mit Menschen, denen Sie vertrauen. Teilen Sie mit, dass Sie ängstlich sind. Sie werden auf Verständnis treffen. Und viele Dinge sind nur noch halb so schlimm, wenn man sie beim Namen nennt.
Versetzen Sie sich in die Lage eines Sportlers, der sich zu Beginn eines Wettkampfs vorstellt, wie er auf dem Treppchen steht und die Goldmedaille umgehängt bekommt. Stellen Sie sich vor, Sie hätten die vor Ihnen liegende Aufgabe bereits gemeistert und dass Ihnen die Leute sagen, wie gut Sie sind.
Kein Mensch ist perfekt. Sie nicht. Und auch Ihr Chef nicht. Vergegenwärtigen Sie sich das. Und stellen Sie realistischere Anforderungen an sich selbst.
Wenn die Symptome so stark ausgeprägt sind, dass sie zu unkontrollierbarer Nervosität und Unsicherheit führen, und sogar Panikattacken hervorrufen, ist es Zeit für einen Therapeuten. Besonders, wenn die übertriebene Selbstkritik aus einer Kindheitsprägung hervorgeht, kommen Betroffene alleine kaum davon los. Das wäre verschenktes Potenzial.