Home Office Wer zu Hause arbeitet, macht mehr Überstunden

Arbeitsrechtler warnen, dass sich Mitarbeiter im Home Office selbst ausbeuten. Jetzt belegen Baseler Wissenschaftler den Verdacht: Wer zu Hause arbeitet, macht pro Woche 2,5 Überstunden mehr als die Kollegen im Büro.

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Arbeit im Homeoffice: Förderung der Arbeitsbereitschaft oder Einladung zum Faulenzen? Quelle: dpa

Deutschland macht Überstunden: Allein im vergangenen Jahr waren es mehr als 1,8 Milliarden Extrastunden, rund eine Milliarde davon unbezahlt. Das geht aus einer Erhebung des zur Bundesagentur gehörendenden Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IBA) hervor.

Der Löwenanteil geht laut einer Untersuchung auf männliche Unternehmensberater zurück - und auf Mitarbeiter, die zu Hause sitzen. Die Wirtschaftswissenschaftler Michael Beckmann und Kira Rupietta von der Universität Basel haben herausgefunden, dass Mitarbeiter im Home Office im Schnitt 2,5 Stunden pro Woche mehr arbeiten als die Kollegen vor Ort. Und wer nicht nur ab und an, sondern täglich zu Hause arbeitet, schenkt seinem Unternehmen pro Woche ganze sechs Stunden seiner Arbeitskraft.

Zu einem ganz ähnlichen Ergebnis kam vor Kurzem auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung. Demnach machen Heimarbeiter fast doppelt so viele Überstunden wie Mitarbeiter, die im Büro sitzen.

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Die Erkenntnisse sind ein gutes Argument gegen all diejenigen, die ihren Leuten das Home Office verbieten, weil sie Faulenzerei unterstellen. Und das scheinen eine ganze Menge zu sein: In Deutschland arbeiten nur zwölf Prozent aller abhängig Beschäftigten gelegentlich oder überwiegend im Home Office. Dabei wäre es bei 40 Prozent der Jobs problemlos möglich. So heißt es auch im Fachaufsatz aus Basel, dass das Hauptargument gegen den Einsatz von Home Office sei, dass "Arbeitnehmer ihren gewonnenen Handlungsspielraum außerhalb der direkten Kontrolle des Arbeitgebers missbrauchen, indem Leistung zurückgehalten wird."

Derzeit arbeiten vor allem Männer im Home Office, wie Beckmanns und Rupiettas Auswertung von mehr als 5000 Datensätzen aus dem Sozio-oekonomischen Panel von 2009 zeigt. In der Regel seien Heimarbeiter Vollzeitangestellte, Beschäftigte mit höherer Bildung, Führungsposition und höherem Einkommen. Home-Office-Mitarbeiter übten also insgesamt "anspruchsvolle Tätigkeiten bei einem hohen Grad an Autonomie" aus, so die Forscher.

Die Studienergebnisse sind auch Wasser auf die Mühlen derjenigen, die zu Recht vor der Selbstausbeutung der Heimarbeiter warnen. "Beschäftigte, die ihre Arbeitszeiten selbst festlegen, arbeiteten häufig länger und haben eine schlechtere Work-Life-Balance", sagt zum Beispiel Yvonne Lott, Arbeitsmarktforscherin bei der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.

Viel hänge dabei von der Ausgestaltung ab. Sei zumindest ein Zeitrahmen vorgegeben, wie etwa bei der Gleitzeit, funktioniere das meist ganz gut, sagt Lott. "Werden dagegen Bonuszahlungen für das Erreichen bestimmter Ziele gezahlt und gibt es keine Arbeitszeitgrenze, ist das Risiko für Überstunden besonders hoch." Entsprechend wichtig sei eine Sensibilisierung von Führungskräften für dieses Thema. "Sie müssen darauf achten, dass sich die Beschäftigten nicht selbst ausbeuten", so Lott.

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Denn wöchentliche Arbeitszeiten von deutlich mehr als 40 Stunden - da sind sich Arbeitsmediziner einig - schaden der Gesundheit und auch der Arbeitssicherheit. Zahlreiche Studien hätten Zusammenhänge zwischen langen Arbeitszeiten und gesundheitlichen Problemen wie Magen-Darm-Beschwerden, Rückenschmerzen oder Stressempfinden ermittelt, heißt es bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA).

So kommen auch die beiden Basler Wissenschaftler Beckmann und Rupietta zu dem Schluss, dass das Home Office, wie eigentlich alle personalpolitischen Instrumente, sowohl Chancen als auch Risiken birgt. So seien die Mitarbeiter zum einen durch die verstärkte Autonomie sehr motiviert, leistungsbereit und entsprechend produktiv. Sie sparen Kosten für die Anreise, stehen nicht im Stau oder am Bahnsteig und werden bei der Arbeit weniger häufig unterbrochen.

Auf der anderen Seite steht die Gefahr der sozialen Isolation, der Selbstausbeutung und dass "Home-Office-Arbeitnehmer leicht aus dem Blickfeld des Arbeitgebers verschwinden, wodurch ihnen Nachteile bei der Verteilung von Arbeitsaufgaben oder im Karrierewettbewerb entstehen können."

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