
Wer in den Niederlanden arbeitet, darf ab Juli zu Hause bleiben: Wenn das Kind krank ist oder die Handwerker bestellt sind, haben niederländische Arbeitnehmer in Betrieben mit mehr als zehn Angestellten das Recht auf einen Arbeitstag zu Hause. Die Erste Kammer des Parlaments verabschiedete am Dienstag in Den Haag einen entsprechenden Gesetzesvorschlag. Die Zweite Kammer hatte dem bereits im vergangenen Oktober zugestimmt. Damit wird das Recht auf flexible Arbeitszeiten gesetzlich verankert.
Natürlich müssen die Angestellten weiterhin mit ihrem Chef vereinbaren, wann und ob sie zu Hause arbeiten. Und der darf den Antrag selbstverständlich weiterhin ablehnen. Aber nur noch aus schwerwiegenden betrieblichen Gründen.
Etwa, wenn ein großer finanzieller Schaden durch den Heimarbeiter entstünde, andere Mitarbeiter in Schwierigkeiten kommen beziehungsweise es unlösbare Probleme in der Dienstplanung geben würde oder wenn es ein schweres Sicherheitsrisiko ist, wenn der Angestellte von zu Hause aus arbeitet. Dass die Krankenschwester, der Pilot oder der Fabrikarbeiter künftig vom heimischen Sofa aus arbeiten, ist also weiterhin ausgeschlossen. Der Software-Entwickler oder der Marketingbeauftragte können mit dem Dienstrechner aber getrost daheim bleiben.
Homeoffice: 10 Regeln für Arbeitgeber
Flexible Arbeitsmodelle erfordern klare Vereinbarungen. Nur wenn die Rahmenbedingungen transparent und Erwartungen eindeutig formuliert sind, kann daraus eine vertrauensvolle neue Arbeitskultur entstehen.
Flexible Arbeitsmodelle eignen sich nicht für alle Aufgaben. Firmen müssen deshalb klare Regeln für den Rahmen für die Nutzung (wer kann flexibel arbeiten) und die Umsetzung (Anwesenheitspflichten, Arbeitsumfang, Verfügbarkeit) vorgeben. Gallup hat in verschiedenen Studien herausgefunden, dass gerade Mitarbeiter im Home-Office häufig nicht genau wissen, was von ihnen erwartet wird. Deshalb müssen Führungskräfte ihre Erwartungen und die Aufgaben besonders deutlich formulieren.
Nicht für jeden Mitarbeiter eignet sich Arbeiten im Home-Office: Jedem Mitarbeiter sollte freigestellt sein, diese Angebote im Unternehmen zu nutzen.
Die Ausschöpfung des vollen Leistungspotenzials hängt stark von der Motivation und persönlichen Stärken ab. Für Personen, die ein sehr großes Bedürfnis nach sozialer Interaktion haben, ist die Arbeit im Home-Office nicht ideal. Ein häufiger Fehler ist, flexible Arbeitsmodelle als „Belohnung“ für besondere Leistungen einzusetzen. Das schafft falsche Anreize. Daher sollte aufgrund der Stärken oder Arbeitsweisen des einzelnen Mitarbeiters entschieden werden, ob dieser Home-Office oder mobiles Arbeiten nutzen kann und darf.
Als Arbeitgeber sollte man seinen Mitarbeitern vertrauen und „loslassen“ können.
Die bloße Anwesenheit ist kein Indikator für die Qualität der Arbeit. Schafft ein Mitarbeiter seine Arbeit zu Hause schneller als im Büro, sollte sich die Führungskraft darüber freuen – und nicht aus Prinzip auf das Erfüllen von Zeitkontingenten bestehen. Generell sollte eine Führungskraft den Rahmen für die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter schaffen, sich selbst einbringen zu können.
Die Leistung von Mitarbeitern muss objektiv definiert und gemessen werden.
Jeder Mensch entwickelt seine eigene Arbeitsweise. Gleiches gilt für die Zeitplanung bei flexiblen Arbeitsmodellen. Starre Zeitkorsetts demotivieren und behindern eine produktive Arbeitseinteilung. Der Mitarbeiter muss an seinen Leistungen gemessen werden. Dies erfordert ein grundlegendes Performance Management im Unternehmen, das Leistungen objektiv definiert und misst.
Aus den Augen, aber nicht aus dem Sinn: Auch Mitarbeiter ohne permanente Anwesenheit brauchen Führung.
Bei Heimarbeitern sollte das Feedback bewusster und regelmäßiger erfolgen als bei den Kollegen vor Ort. Wenn Führungskräfte ein ehrliches Interesse an ihren Mitarbeitern zeigen, deren Arbeit regelmäßig bewerten und über die persönliche Weiterentwicklung sprechen, können sie die Mitarbeiter auch über große Distanzen hinweg binden.
Arbeitgeber haben eine Fürsorgepflicht. Das gilt insbesondere für flexible Arbeitsplatzmodelle.
Wenn der Mitarbeiter spätabends noch E-Mails schreibt, ist er dann überlastet? Oder ist das nur sein persönlicher Arbeitsstil? Um diese Frage zu beantworten, müssen sich Führungskräfte auch für den Mitarbeiter als Menschen interessieren und dessen Stärken, Routinen und familiäres Umfeld kennen. Gallup hat über 10 Millionen Menschen weltweit zum Thema »Mein Vorgesetzter/ Meine Vorgesetzte oder eine andere Person bei der Arbeit interessiert sich für mich als Mensch« befragt. Personen, die diesem Satz zustimmen, bleiben häufiger in ihrem Unternehmen, haben mehr emotional gebundene Kunden, sind erheblich produktiver und erwirtschaften mehr Gewinn.
Neue Meetingkulturen erleichtern effiziente Arbeitsprozesse innerhalb der Teams.
Für ein gemeinsames Verständnis der Ziele und Aufgaben ist ein enger Austausch im Team notwendig. Auch und gerade bei flexiblen Arbeitsmodellen. Häufig sorgen jedoch schwierige Terminabstimmungen oder ungenügende Kommunikationswege für Reibung. Regelmäßige Statusmeetings ermöglichen allen Beteiligten, Projektstände auszutauschen, Ideen vorzustellen, Aufgaben zu besprechen und frühzeitig Schwächen aufzuzeigen.
Den direkten Austausch fördern, sich gegenseitig schätzen – und so das Gemeinschaftsgefühl stärken.
Der Mensch benötigt täglich 6 Stunden soziale Interaktion, um sich wohl zu fühlen und gesund zu bleiben. Wenn Kollegen und Vorgesetzte sich auch über das Berufliche hinaus schätzen, entsteht ein positives Arbeitsumfeld und ein stärkeres Gemeinschaftsgefühl. Für die zwischenmenschlichen Beziehungen sind regelmäßige persönliche Treffen unverzichtbar.
Mitarbeiter müssen sich im Unternehmen willkommen fühlen und haben ein Anrecht auf einen Arbeitsplatz.
Die Anforderungen an Arbeitsplätze haben sich in den vergangenen Jahren aufgrund neuer Informationstechnologien und Arbeitsmodelle stark verändert. Doch noch immer gilt: Mitarbeiter brauchen eine Arbeitsumgebung, in der sie produktiv arbeiten können, in der sie sich wohlfühlen und willkommen sind. Das gilt ebenso für flexible Arbeitsmodelle. Maximale Flexibilität bedeutet auch, dass ein Mitarbeiter neben dem Arbeitsplatz z.B. im Home-Office auch Zugriff auf einen Arbeitsplatz im Team hat. Wie dieser gestaltet ist (z.B. durch Tablesharing oder Rollcontainer) muss vorab geklärt sein und dem Bedarf angepasst sein.
Neue Arbeitsstrukturen können nur erfolgreich sein, wenn sie mit der Unternehmenskultur und den Unternehmenszielen vereinbar sind.
Mitarbeiter, die der Aussage zustimmen „Die Ziele und die Unternehmensphilosophie meiner Firma geben mir das Gefühl, dass meine Arbeit wichtig ist“, sind produktiver und bleiben ihrem Unternehmen länger treu. Umso wichtiger ist es, dass Unternehmenskultur und flexible Arbeitsmodelle aneinander angepasst werden: In Unternehmen, in denen ein Kontrollzwang herrscht, werden Home-Office und mobiles Arbeiten nicht zum Erfolg führen. Und wer von der Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder von Flexibilität spricht, muss dies auch in der Praxis einlösen.
Die Arbeitnehmer können so nicht nur ihr Privat- und Berufsleben besser unter einen Hut bringen, sie sparen auch Kosten fürs Pendeln oder umgehen den klassischen Stau im Berufsverkehr - zumindest an den Tagen, die sie im Homeoffice verbringen können. Wohlgemerkt: Können, nicht müssen.
Ob die Zahl der Heimarbeiter durch die Gesetzesänderung nun dramatisch steigen wird, bleibt abzuwarten. Immerhin waren die Niederlande in punkto Arbeitszeiten und Flexibilität immer schon etwas liberaler als es hierzulande oft noch der Fall ist. Bisher konnten Angestellte beispielsweise eine Verkürzung der Arbeitsdauer beantragen, wenn beispielsweise die eigenen Kinder oder kranke Angehörige versorgt werden müssen. Außerdem arbeitet rund ein Drittel der Niederländer ab und an von daheim, Tendenz steigend.
Homeoffice: 10 Regeln für Arbeitnehmer
Feierabend und Ferien gelten auch bei flexiblen Arbeitsplatzmodellen.
Feierabend, Wochenende, Urlaube und Krankschreibungen gelten auch bei flexiblen Arbeitsplätzen und sollten respektiert werden. Wer keine klaren Grenzen setzt, darf sich nicht wundern, wenn die Kollegen darauf keine Rücksicht nehmen. Mitarbeiter müssen Eigenverantwortung für ihre Zeiteinteilung übernehmen und Überlastung frühzeitig signalisieren.
Eigene Eignung für flexible Arbeitsmodelle kritisch überprüfen.
Nicht jeder eignet sich für flexible Arbeitsmodelle. Mitarbeiter, die diese Möglichkeiten austesten, müssen ehrlich zu sich selbst und ihrem Arbeitgeber sein. Wer sich zu Hause schnell ablenken lässt oder den regelmäßigen Austausch mit Kollegen benötigt, wird sich damit eher schwer tun. Ebenso können beispielsweise persönliche Rahmenbedingungen wie ein lautes Umfeld für unliebsame Störungen sorgen. Dies wirkt sich nicht nur negativ auf die Arbeit, sondern auch auf das eigene Wohlbefinden und die Motivation aus.
Auch bei flexiblen Arbeitsplatzmodelle hat der Arbeitgeber keinen Anspruch auf ständige Rufbereitschaft.
Eine ständige Rufbereitschaft ist nicht nötig und sogar kontraproduktiv. Auch im Home-Office müssen ungestörte Phasen für konzentriertes Arbeiten eingeplant werden, um effektiv Aufgaben zu erledigen. Eine permanente Erreichbarkeit erzeugt nicht nur zusätzlichen Stress, sondern führt durch Ablenkungen auch zu schlechten Ergebnissen. Mitarbeiter im Home-Office müssen deshalb ihre Bedürfnisse klar und offen äußern können.
Der Mitarbeiter muss unternehmerischer denken.
Jeder Arbeitnehmer im virtuellen Office ist dem Arbeitgeber und seinen Kollegen gegenüber verantwortlich. Flexible Arbeitsmodelle entbinden den Mitarbeiter nicht von seinen Aufgaben. Durch eindeutige Zielvorgaben werden Aufgaben klar definiert und für alle Beteiligten messbar.
Flexible Arbeitsmodelle sind kein Abstellgleis, aber sie erfordern mehr Durchsetzungswillen.
Mitarbeiter, die flexibel oder in Teilzeit arbeiten, werden häufig nicht als Leistungsträger gesehen. Hingegen gelten die ständig anwesenden Kollegen als Top-Performer, die „hart arbeiten“. Um dies zu ändern, muss der flexible Mitarbeiter mehr Durchsetzungswillen und Präsenz gegenüber seinen Vorgesetzen zeigen. Regelmäßige Feedbackgespräche verhindern eine Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung. Mitarbeiter, die flexibel arbeiten, sollten Maßnahmen zur Weiterbildung einfordern. Oftmals ist hier mehr Nachdruck nötig als bei jemandem, der vor Ort im Büro arbeitet.
Die eigenen Aufgaben, Prozesse und Termine klar kommunizieren.
Eine enge Abstimmung mit Kollegen und Vorgesetzten erleichtert die Kommunikation und sorgt für Verständnis. Wenn für die Kollegen nachvollziehbar ist, wo sich der Kollege gerade aufhält und mit welchen Aufgaben er beschäftigt ist, wächst das Vertrauen. Stundensplittings (z.B. am Nachmittag drei freie Stunden für die Kinder), Mittagspausen und externe Termine sollten daher klar kommuniziert werden. So geht man Missverständnissen und Gerüchten aus dem Weg. Moderne IT kann dabei eine wichtige Hilfestellung sein. Unified Communication-Systeme zeigen an, wann und wie man erreichbar ist.
Der Arbeitsrhythmus sollte an die eigene Produktivität und die persönlichen Bedürfnisse angepasst werden, ohne dabei die Prozesse im Team zu missachten.
Studien zeigen, dass die Produktivität dann am höchsten ist, wenn zwischen zwei und zweieinhalb Tagen im Home-Office gearbeitet und der Rest der Woche für Tätigkeiten und Abstimmungen im Büro genutzt wird. Auch die eigenen Produktivitätszyklen können bei flexiblen Arbeitsmodellen stärker berücksichtigt werden. So arbeiten manche Menschen früh morgens am besten, andere eher am Abend. Aber das erfordert auch Abstimmung: Die Kollegen müssen wissen, wann man erreichbar ist.
Networking ist Pflicht: Die virtuelle Präsenz entbindet den Mitarbeiter nicht von seinen Aufgaben als Teammitglied, dazu zählen nicht nur die reinen Jobkriterien, sondern auch die Sozialkompetenz.
Der Austausch mit den Kollegen sollte sich nicht nur auf das fachliche beschränken. Freundlichkeit, Offenheit, Aufmerksamkeit, Respekt und Hilfsbereitschaft dienen nicht nur dem eigenen Wohlbefinden, sondern unterstützen das ganze Team. Nur in einem Umfeld aus Miteinander und Vertrauen lassen sich virtuelle Teams erfolgreich umsetzen.
Bei virtuellen Teams ist Wissensmanagement mit einem eindeutigen Ablagesystem Pflicht.
Die systematische Speicherung und Aufbereitung von Wissen erleichtert die Arbeit und die Kommunikation in virtuellen Teams. Der aktuelle Stand von Unterlagen muss zentral – die Cloud macht es möglich – abgelegt werden. Alle relevanten Mitarbeiter brauchen Zugriff auf die Ordner. Diese Systeme sichern die Freizeit, denn nur Kollegen, die Zugriff auf alle Unterlagen haben, können auch bei Bedarf füreinander einspringen.
Flexible Arbeitsmodelle verlangen ein hohes Maß an Selbstorganisation.
Wer in flexiblen Arbeitsmodellen arbeitet, muss sich auch zuhause ein produktives Umfeld schaffen (Raum, Technik, Rahmenbedingungen) Um in flexiblen Arbeitsmodellen erfolgreich zu arbeiten, müssen sich Mitarbeiter mit ihren eigenen Stärken und Schwächen auseinandersetzen: Wer gut organisiert und diszipliniert ist, wird in solchen Strukturen bessere Leistungen erzielen.
In Deutschland hält sich dagegen hartnäckig das Gerücht, dass Mitarbeiter im Homeoffice alles tun - nur nicht arbeiten. Dass das nicht stimmt, belegen zahlreiche Studien. So sind Arbeitnehmer im Home-Office oftmals sogar produktiver. Wie Nicholas Bloom, Ökonomieprofessor an der Stanford-Universität, herausfand, steigt die Produktivität der Angestellten um 13 Prozent, da sie weniger und kürzere Pausen machen und sich seltener krank meldeten. Außerdem machte ihnen die Arbeit angeblich auch gleich viel mehr Spaß.
Der Psychologe Thomas O’Neill von der Universität von Calgary rät jedoch dazu, nur gewissenhafte Angestellte ins Homeoffice zu schicken. Wer schon im Büro vor der Nase des Chefs nur seine Zeit vertrödelt, wird auch daheim nicht zur Hochform auflaufen.
Trotzdem: Die Mehrheit der Deutschen würde gerne - zumindest ab und zu - im Homeoffice arbeiten. Laut Zahlen des Statistischen Bundesamtes bestehen nur 28 Prozent darauf, jeden Tag ins Büro zu gehen, damit sie nicht einsam zu Hause sitzen. 41 Prozent könnten sich dagegen gut vorstellen, einen Tag in der Woche statt im lauten Großraumbüro am heimischen Schreibtisch zu sitzen. 21 Prozent würden am liebsten sogar ganz zu Hause bleiben.
Diesen 62 Prozent, die sich das Homeoffice wünschen, stehen übrigens zehn Prozent gegenüber, deren Arbeitgeber die Heimarbeit tatsächlich auch erlaubt. Da haben es unsere Nachbarn im Westen ab Juli doch besser.