Um große Worte sind Deutschlands Konzernchefs derzeit nicht verlegen. Das gilt nicht nur für die Beschreibungen der aktuell so prekären Lage, sondern auch für das Danach. „Wir sind davon überzeugt, dass die Corona-Pandemie unsere Arbeitsweise für immer verändern wird“, teilt etwa der Energiekonzern E.on mit.
Welche Lehren lehren also zieht die deutsche Wirtschaft aus der Coronakrise? Und werden sich dadurch die Arbeitsabläufe verändern? Antworten dazu gibt eine Umfrage der WirtschaftsWoche unter den 30 größten deutschen börsennotierten Konzernen.
Der Tenor ist eindeutig, und er ist durchaus dramatisch: Vieles wird anders sein als zuvor, vor allem bei Geschäftsreisen, aber auch in Sachen Homeoffice. So teilt der Autohersteller Daimler mit, man weise die Mitarbeiter „generell darauf hin, Geschäftsreisen hinsichtlich Zeit, Kosten und Umweltbewusstsein möglichst nachhaltig und ressourcenschonend zu planen.“ Und ganz konkret: „Zudem sollen auch mögliche Alternativen zur Dienstreise in Betracht gezogen und genutzt werden, so zum Beispiel die Nutzung von Audio-/Web- oder Videokonferenzen.“
Möglichkeiten sind längst da
Auch die Flexibilisierung der Arbeit, das zeigt die Umfrage, dürfte nach der Corona-Krise deutlich ausgeweitet werden. Entsprechende Möglichkeiten gebe es bereits seit Längerem, heißt es bei den Konzernen. So verweist der Pharmakonzern Merck darauf, dass im Unternehmen bereits seit 2013 die Option zur Telearbeit bestehe. Ähnlich klingt es beim Autozulieferer Continental. Dort gelte bereits seit 2016: „Egal wer und egal wo: Alle Mitarbeiter können ihren Arbeitsort frei wählen (mobiles Arbeiten) und haben die Möglichkeit, Teil- und Gleitzeit sowie eine berufliche Auszeit in Form eines Sabbaticals zu nehmen.“
Diese Angebote, auch das deuten bereits einige Unternehmen an, dürften in Zukunft aber wohl stärker genutzt werden. So lässt die Allianz wissen: „Die Krise wird eine Entwicklung hin zu einer stärkeren Digitalisierung und Virtualisierung der Arbeit weiter beschleunigen, und flexible Arbeitsmodelle werden wahrscheinlich zunehmen.“ Beim Versicherungsunternehmen sieht man das jedoch nicht durchweg positiv: „Der komplette Verzicht auf direkten Kontakt und den Umgang mit Kollegen am Arbeitsplatz hat den meisten – trotz Videocalls – zu schaffen gemacht.“ In dieser Hinsicht gehen die Ansichten zwischen den Konzernen jedoch weit auseinander. So teilt die Deutsche Telekom mit: „Festzuhalten bleibt aber, dass sich die Möglichkeit des digitalen Arbeitens in Krisenzeiten bewährt hat und die Rückmeldungen der Beschäftigten sehr positiv sind.“
Bei der Deutschen Börse hat man das sogar konkret in Leistungsparametern gemessen: „Corona hat gezeigt, dass die Kolleginnen und Kollegen auch im Homeoffice äußert produktiv arbeiten.“ Daraus will das Frankfurter Unternehmen Konsequenzen ziehen, auch wenn man noch nicht exakt absehen könne, wie sich der Anteil der Beschäftigten entwickeln werde, die regelmäßig von Zuhause aus arbeiten: „Wir haben noch keine Zielquote festgelegt, wollen die bisherige von unter 10 Prozent aber signifikant erhöhen.“
Nur scheinbar evolutionär
Auch beim Chemiekonzern BASF gehen die Pläne zur Flexibilisierung der Arbeitsformen deutlich über allgemeine Bekenntnisse heraus. „BASF arbeitet an Konzepten für Alternativen zum klassischen Büroarbeitsplatz und testet einige davon derzeit“, heißt es in Ludwigshafen.
Und so könnte es in der gesamten Wirtschaft so kommen, wie der Energiekonzern RWE seine Erfahrungen der vergangenen Wochen zusammenfasst: „Die positiven Erfahrungen der letzten Wochen mit mobilem Arbeiten und ausschließlich virtuellen Meetings werden dazu führen, dass sich der bestehende Trend zu weniger Geschäftsreisen und mehr mobilem Arbeiten weiter verstärkt.“
Was nach beschleunigter Kontinuität klingen soll, wäre doch ein drastischer Bruch mit den Grundzügen der Arbeitswelt, wie wir sie seit Jahrzehnten kennen. Die Folgen für Fluglinien, Messebetreiber, Immobilienentwickler werden sich wohl erst in den kommenden Monaten zeigen.
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