Hotelmanager Bodo Janssen Der Chef, den keiner mehr wollte

Früher hatte Bodo Janssen nur Zahlen im Kopf, seine Mitarbeiter wollten ihn loswerden. Inzwischen ist er einer der beliebtesten Arbeitgeber. Im Gespräch erklärt der Hotelier, was er geändert hat und was Erfolg ausmacht.

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Die Hotelkette “Upstalsboom” des Unternehmers Bodo Janssen wurde mehrfach als einer der beliebtesten Arbeitgeber ausgezeichnet (TopJob, Human Ressources Award etc.). Doch der Weg zum empathischen Unternehmer war kein leichter. Janssen wurde als junger Mann  entführt - eine traumatische Erfahrung. Als er später in den elterlichen Betrieb einstieg und der Vater kurze Zeit darauf bei einem Flugzeugabsturz starb, lag plötzlich alle Verantwortung in den  Händen des 32-Jährigen. Das Geschäft lief gut. Doch  Kündigungsrate und Krankheitsquote stiegen, Bewerbungen blieben aus. Eine Mitarbeiterbefragung war niederschmetternd.

Herr Janssen, in Schulnoten ausgedrückt: Wie ist die Umfrage, die Sie 2010 unter damals 400 Mitarbeitern durchgeführt haben, ausgefallen?
Ich muss gestehen, dass es zwei Mitarbeiterbefragungen gab. Die erste im Jahr 2006 war schon so schlecht, dass sie außer mir nur meine Schublade sah. Auch 2010 bekamen wir Noten zwischen 4 und 5, in manchen Bereichen sogar eine 6 und ich fiel wieder aus allen Wolken.

„Ungenügend“ also. Das hat Sie wirklich überrascht?
Ja, denn ich war sehr von mir selbst eingenommen und hielt mich für den besten Manager, weil ich das Unternehmen trotz widriger Umstände wirtschaftlich stabilisiert hatte. Der finanzielle Erfolg gab mir das Gefühl, alles richtig zu machen.

Obwohl immer mehr Ihrer Mitarbeiter gekündigt und der Krankenstand in ihren Hotels beträchtliche Ausmaße angenommen hatte…
Obwohl wir wirtschaftlich auf einem guten Weg waren, ging sehr viel Unruhe von den Mitarbeitern aus. Sie kündigten, es kamen immer weniger nach, als gegangen waren und wir hatten einen äußerst schlechten Ruf.

Ihre Mitarbeiter gaben damals auch an, dass Sie Angst vor Ihnen und anderen Führungskräften Ihres Unternehmens hatten. Wie würden Sie Ihren damaligen Führungsstil bezeichnen?

Ich war ein Autokrat und fühlte mich als eine Art Alleinherrscher. Weil ich von der Hotellerie selbst keine Ahnung hatte, stützte ich mich als Betriebswirt auf Kennzahlen. Die Menschen, die bei mir arbeiteten, habe ich nicht im Blick gehabt. Ich mache es an meinem Beispiel deutlich: Ein Mitarbeiter kam zu spät zur Besprechung und als ich ihn nach dem Grund fragte, hat er sich entschuldigt und wollte wissen, wie er denn damit umgehen soll, wenn ich zu spät komme. Meine Antwort war: ‘Wenn ich zu spät komme, dann ist das so. Punkt.’

Und was von Ihnen vorgelebt wurde…
… hat sich nach unten fortgesetzt. Es gibt eine schöne Karikatur, die das sehr gut beschreibt. Da sitzen Vögel auf drei Ebenen. Die Oberen sagen: ‘Wenn ich nach unten schaue, sehe ich nur Scheiße.’ Und die, die von unten nach oben schauen, sagen: ‘Wenn ich nach oben schaue, sehe ich nur Arschlöcher.’

Ein Narzisst in der Kommandozentrale - wenn es in einer Firma um Effizienz und Rendite geht, ist dann ein harter Führungsstil nicht das richtige? Sie selbst haben doch bewiesen, dass sich auch mit unzufriedenen Mitarbeitern zufriedenstellende Zahlen erwirtschaften lassen…
Klar, ich hätte noch einige Zeit so weitermachen können, aber mir gingen die Leute aus. Es gibt ja mittlerweile die Erkenntnis, dass Menschen aufgrund der Reputation zu einem Unternehmen gehen, dass sie aufgrund der Weiterentwicklungsmöglichkeiten bleiben und wegen des Vorgesetzten wieder gehen. Das ist der Kündigungsrund Nummer 1 in Deutschland. Früher hat ein harter Führungsstil vielleicht positiv gewirkt, weil das Motiv, mit dem Menschen zur Arbeit gingen, ein andres war. Sie brauchten Geld für Essen. Ihre Persönlichkeit haben sie am Werkstor abgegeben. Heute geht es gar nicht mehr so sehr um die Antwort auf die Frage: Wovon lebe ich, sondern immer mehr um das Wofür?


Dankbarkeit für die brutale Entführung...

Mich erstaunt ehrlich gesagt, dass es trotzdem mit dem Umsatz in Ihren Hotels bergauf ging. Wenn die Mitarbeiter frustriert sind, dann merken die Kunden das doch sofort, oder?
In der Hotellerie geht es darum, eine heile Welt zu schaffen, in der alles makellos und perfekt ist. Die Reproduktion schlechter Führung endet an der Tür zum Gast. Da macht es Klick und ich spiele meine Rolle als perfekter Gastgeber.

Wenn der Gast aber mal zu einer unglücklichen Zeit kommt, hört er, wie sich das Personal in der Küche anschreit...
Mittlerweile sind die Kunden sensibler geworden, ja. Wir sehen bei uns aber einen Paradigmenwechsel und hören häufig von den Gästen, dass der Service vielleicht nicht immer ganz perfekt ist, aber sie mögen, dass es menschelt. Weil wir weggegangen sind von dieser professionellen heilen High-End-Welt hin zur Begegnung mit den Menschen.

Wird jetzt in Ihren Küchen nicht mehr rumgeschrien?
Doch und es wäre Nonsens, wenn es nicht so wäre. Wir haben in der Küche eine Kultur, die zwar am härtesten, aber auch am offensten von allen anderen Bereichen ist. Dort wird gleich gesagt, wenn etwas nicht in Ordnung ist. Es wird aber nicht der Mensch kritisiert, sondern sein Verhalten. Am Ende des Tages stellen sich alle wieder zusammen und die Sache ist geklärt.

Auf die Frage: Was brauchen Sie, um besser arbeiten zu können? antworteten Ihre Mitarbeiter mit: Einen anderen Chef als Bodo Janssen. Was haben Sie in dem Moment gefühlt?
Adrenalin pur. So wie in einer brenzligen Verkehrssituation und ehrlich gesagt war mir sogar ein bisschen übel. In dem Moment, wo ich das schwarz auf weiß gelesen habe, spielte mein Bauch Fahrstuhl, weil die Message so unmissverständlich war und ich dachte: Mist, was ist das denn jetzt?

Was passierte dann?
Ich habe erstmal mit Unverständnis reagiert, weil meine Absicht doch immer gut war. Meine Gedanken waren: Die wissen doch gar nicht zu schätzen, wie ich mich für sie einsetze! Nach dem ersten Schock habe ich mich dann gefragt, wie ich damit umgehen soll. Noch einmal unter den Teppich kehren oder ganz offen sein? Letztlich ist meine Reaktion dann aus Trotz  entstanden. Die war so etwas wie ein Angriff.

Inwiefern?
Mir war klar, dass ich gar keine andere Wahl habe, als mich der schlechten Stimmung im Unternehmen persönlich anzunehmen. Die Erkenntnis, dass der Fisch am Kopf, also bei mir und den weiteren Führungskräften, anfing zu stinken war sehr ernüchternd. Also griff ich das Problem an, ging eineinhalb Jahre lang parallel zum operativen Geschäft regelmäßig ins Kloster und beschäftigte mich mit dem Führungsansatz Corporate Happiness, der auf Basis der positiven Psychologie Führungskräfte und Mitarbeiter dabei unterstützt, glücklicher zu werden.

In Ihrem Buch, das gerade erschienen ist, beschreiben Sie sich schon in jungen Jahren als selbstgefälligen und überheblichen Yuppie. Nach Ihrer Entführung im Jahr 1998, bei der sie von drei bewaffneten Männern gefoltert und acht Tage lang gefangen gehalten wurden, fühlten Sie sich unsterblich - wie erklären Sie sich das?
Das hängt damit zusammen, dass ich früher sehr auf Anerkennung aus war, die ich ja auch bekommen habe, etwa durch meine Arbeit als Fotomodell. Nach der Entführung stieg die Aufmerksamkeit um ein Vielfaches. Plötzlich war ich nicht mehr nur der coole BWL-Student XY, sondern der entführte Millionärssohn, auf den sich die Presse stürzt, der überall eingeladen wird und jemand ist, mit dem man sich gerne zeigt. So bekam ich immer mehr von dem, was mir wichtig war. Da kam mir die Entführung doch gelegen.


Kann Spiritualität helfen, ein guter Chef zu sein?

Das müssen Sie uns jetzt erklären…!
Mein Gedanke war: Ich habe diese Hölle überlebt und jetzt habe ich auch noch einen Nutzen davon. Das war das Gefühl der Unsterblichkeit. Das hatte wenig mit der Sterblichkeit im Sinne von Sterben zu tun, sondern es war mehr Ausdruck eines sehr starken Selbstbewusstseins, das daraus gewachsen ist. Wofür genau ich die Aufmerksamkeit bekommen habe, ob es Mitleid oder Sensationsgier war, war mir egal.

Welche Gedanken hatten Sie im Angesicht des Todes?
Ich habe Abschied genommen. Interessant ist die Reihenfolge: Zunächst dachte ich, dass ich nicht mehr zu meinen Vorlesungen gehen kann. Keine Termine mehr, Haken dran. Als nächstes kam das Materielle. Meine große Wohnung, mein schönes Auto: Haken dran. Und dann erst kamen die persönlichen Abschiede von meinen Freunden und meinen Eltern.

Sie schreiben auch, dass Sie dankbar für Ihre Entführung sind...
Dadurch, dass mir diese Menschen mein Leben nehmen wollten, haben sie mir mein neues Leben geschenkt. Denn erst durch die Entführung habe ich erfahren, was mich wirklich glücklich macht. Das hat mich komplett befreit. Heute mache ich mein Glück nicht mehr von Dingen oder Menschen abhängig, die man mir nehmen könnte.

Diese Erkenntnis reifte aber wohl erst langsam. Denn nach Ihrer Befreiung durch die Polizei, folgten Exzesse in der Welt der Schickeria. Paris, Madrid, Mailand: Sie machten weiter, als wäre nie etwas geschehen - vor was sind Sie damals weggelaufen? Und warum?
Nach der Entführung war ich nicht mehr dazu in der Lage, alleine zu sein. Ich war immer damit beschäftigt, mich mit Frauen, Partys und Drogen zu beschäftigen. Um bloß nicht zum Nachdenken zu kommen, musste ich immer unterwegs sein. Es war eine lange und exzessive Flucht vor mir selbst.

Wann wurde Ihnen klar, dass es so nicht weitergehen kann?
Zu verdanken habe ich das meiner Frau. Mit ihr bin ich einem Menschen begegnet, der mir bedingungsloses Vertrauen schenkt. Plötzlich war da jemand, der mich so genommen hat, wie ich bin. Das hat mir sehr viel Ruhe vermittelt und dadurch etwas gegeben, wozu ich selbst nicht in der Lage war.

Aber es blieb unruhig in der anderen Ecke…
Oh ja, das Unternehmen. Während ich für meine Frau schon der Paulus war, blieb der Saulus, der ganz viele Gesichter hatte, im unternehmerischen Kontext aktiv. Wahrscheinlich weil ich, wie viele Manager, noch differenziert habe zwischen Freizeit und Arbeitszeit und nicht die Lebenszeit betrachtet habe. Diese Einsicht kam ja erst später im Kloster, wo ich mein Leitbild als Mensch gefunden habe.

Wie sind Sie eigentlich auf ein Kloster gekommen? Ein klassisches Manager-Seminar hätte es doch sicher getan...
Mir wurde ein Hörbuch empfohlen zum spirituellen Führen von Pater Anselm Grün und Friedrich Assländer. Das fiel just zusammen mit den miserablen Ergebnissen der Mitarbeiterbefragung.

Kann denn Religion oder Spiritualität dabei helfen, ein guter Chef zu sein?
Für mich sind das zwei unterschiedliche Dinge. Religion stehe ich skeptisch gegenüber, weil ich wenige Themen kenne, unter deren Deckmantel so viele Menschen gestorben und so viele Kriege geführt worden sind. Spiritualität hat nicht unbedingt etwas mit Kirche zu tun, sondern  ist für mich die Art und Weise, wie ich das, was mir als Mensch wichtig ist und mich begeistert, im Alltag leben kann.


Manager brauchen eine neue Definition von Erfolg

Je glücklicher der Chef, desto besser die Mitarbeiter. Klingt nach einer guten Devise, für mehr Zufriedenheit im Unternehmen…
Wenn ich als Unternehmer in meinem Unternehmen das lebe, was mich als Mensch begeistert, dann ist der Drops doch gelutscht.

Und wenn die Mitarbeiter das, wofür der Chef Feuer und Flamme ist, so gar nicht gut finden?
Das kann natürlich auch sein (lacht). Aber dann gibt es wenigstens Klarheit für alle Beteiligten, woran man ist. Dann bin ich als Chef berechenbar und die Mitarbeiter wissen, worum es geht. Wenn sie das nicht genauso begeistert, dann können sie ja auch gehen.

Was glauben Sie: Braucht jeder schlechte Manager eine existenzielle Krise, um sich zum Guten  entwickeln zu können?
Nein, dazu reichen  auch schon die ganz kleinen Dinge.

Zum Beispiel?
Wir haben unter anderem das Projekt ‘Der Norden tut Gutes’. Unsere Mitarbeiter bekommen ein bis zwei Tage im Jahr frei, um eine Wohltätigkeitsorganisation zu unterstützen. Wir hatten einen harten Typen als Koch, der mit den Azubis grob umgesprungen ist. Aber nach der Begegnung mit einem kleinen Mädchen, das ihm auf sein soziales Engagement hin gesagt hat, dass das für sie der schönste Tag in ihrem Leben war, war er wie ausgewechselt. Das ist ihm so sehr unter die Haut gegangen, dass er sein Verhalten am Arbeitsplatz verändert hat. Heute ist der Mann ein guter Ausbilder, dessen Azubis zu den besten im ganzen Kreis gehören.

Wenn es nur immer so einfach wäre. Viele Manager leben doch total isoliert in Ihrer Konzern-Matrix, die Gelegenheiten dieser Art gar nicht zulässt....
Es kann auch einfach nur die Begegnung mit sich selbst sein, die dazu anregt, das eigene Verhalten zu hinterfragen. Die brauche ich allerdings schon und sie kann nicht stattfinden, wenn ich rund um die Uhr  arbeite, weil ich glaube, dass ich dadurch das bekomme, was mich glücklich macht. Wenn ich mein Glück aber von Bilanzen, Boni, Autos und meinem Status abhängig mache, bewege ich mich im Hamsterrad.

Also brauchen Chefs eine neue Definition von Glück?
Von Erfolg.

Was bedeutet das für Sie, Erfolg?
Der Anblick eines glücklichen Menschen. Dass ist das, was mich inspiriert und vor allen Dingen etwas, das mir keiner nehmen kann. Es geht darum, für mich Erfolg zu definieren und mich zu fragen, was mich wirklich glücklich macht. Das ist kein esoterischer Spaßbegriff, sondern für jede Führungskraft eine ganz persönliche und individuelle Definition.

Ein guter Chef findet die Antwort im Idealfall in glücklichen Mitarbeitern, oder?
Ja, aber sind es nur die Mitarbeiter? In dem Moment, wo mein Glück abhängig ist von Dingen, die man mir nehmen kann, ist es doch auf Sand gebaut und ich muss alles dafür zu tun, diesen Sand zusammen zu halten, damit mein Glück nicht zerfließt. Dann bin ich abhängig. Für mich geht es um die Begegnung mit mir selbst oder mit Menschen, durch dessen Begegnung ich zu mir selbst finde. Das kann ein Kind sein, das kann ein Entführer sein. Aber ich werde zu mir selbst und auch zu anderen Menschen nicht finden, wenn ich nur ergebnisfixiert bin.


Vom Saulus zum Paulus: Nur ein toller PR-Trick?

Ist es nicht abwegig, die Erkenntnisse aus Spiritualität, Positiver Psychologie und Neurobiologie auf Unternehmen zu übertragen?
Es geht ganz pragmatisch darum, neue Verknüpfungen im Gehirn zu schaffen. Das kann ich versuchen, indem ich den Mitarbeitern etwas erkläre, aber dann sind sie ganz schwach. Sobald ich aber die Menschen selber etwas machen lasse, werden sie stärker. Nach dem Motto: Sage mir etwas und ich werde es vergessen. Lass es mich machen und ich werde es behalten. Wenn es dabei dann noch eine starke emotionale Komponente gibt, weil die Leute von etwas berührt werden, das ihnen total unter die Haut geht, werden sie das nie mehr vergessen. Das ist wirksamer als jedes Lehrbuch.

Corporate-Happiness-Workshops, Seminare zur Selbstreflexion und Selbstführung, Schulaufbau-Projekte in Ruanda, Abenteuer-Trips mit Azubis zum Kilimandscharo: das alles ist aufwendig und nicht ganz billig. Worin zeigt sich der Erfolg Ihrer Radikalkur im Unternehmen?
Für mich persönlich zeigt sich das an meiner eigenen Berührtheit, wenn ich glückliche Menschen sehe. Ob das nun meine eigenen Mitarbeiter sind oder Kinder in Ostafrika. Ganz pragmatisch ausgedrückt bedeutet Erfolg für mich die Anzahl die ich weine beim Anblick eines glücklichen Menschen.

Aber Sie laufen ja jetzt nicht durch ihr Unternehmen, sehen überall nur noch glückliche Mitarbeiter und weinen..
Nein, das mache ich nicht. Aber ich bin so dankbar für das, was ich von immer mehr Menschen zurück bekomme. Die glänzenden Augen, das bedingungslose Vertrauen, den Glauben an das, was wir machen, und die Begeisterung für das, wofür wir uns einsetzen.

Sollte man als Hotelier überhaupt nach Beliebtheit bei seinen Mitarbeitern streben? Oder lieber bei seinen Gästen?
Das geschieht ganz automatisch. Nehmen wir das Beispiel Ruanda, wo wir noch ganz viele Schulen bauen wollen. Da sind unsere Mitarbeiter nach ihrem Seminar jetzt auf die Idee gekommen, die Gäste dazu zu ermutigen, uns zu unterstützen. Damit wir schneller voran kommen. Und jeder Gast, der mit seinem Geld dabei hilft, hat über eine Verlosung die Chance, mit uns nach Afrika kommen und dabei sein, wenn wir die Schule eröffnen. Die Resonanz ist riesig.

Man könnte auch auf die Idee kommen, dass die Vom-Saulus-zum-Paulus-Geschichte nur ein toller PR-Trick ist, um Ihre Hotels bekannter zu machen…
Der Gedanke ist nicht von der Hand zu weisen, schließlich ist unsere Bekanntheit unglaublich gestiegen in den letzten Monaten. Eine ähnliche Medienpräsenz über Marketing ließe sich für ein mittelständisches Unternehmen nicht ansatzweise finanzieren. Aber der Erfolg, der sich in den letzten Jahren eingestellt hat, war nicht geplant. Für uns gehen Rechnungen auf, die wir nie gemacht haben: Die Verdopplung der Umsätze, eine überproportionale Entwicklung der Produktivität, die Bekanntheit um den Faktor 30 gesteigert. Wenn wir uns das 2010 vorgenommen hätten, hätten doch alle gefragt, ob wir noch alle Tassen im Schrank haben.

Aber es kommt sicher nicht ganz ungelegen, das Sozialunternehmen gerade in Mode sind...
In dem Moment, wo ich soziales Engagement nur als Mittel zum Zweck formuliere, funktioniert es nicht. Darin sehe ich auch eine ganz große Herausforderung für Unternehmer. Wir werden von vielen Firmen angesprochen, die sehen, welche Auswirkungen unser Wandel hat und das nun auch bei sich wollen. Wenn ich dann frage, was das Motiv ist, höre ich leider oft die klassischen betriebswirtschaftlichen Erfolgsfaktoren, also Produktivität, Marketing und Gewinne. Aber das ist nicht mehr das, was für uns Erfolg bedeutet. Wirtschaftlicher Erfolg ist zwar die Basis unserer Existenz, aber nicht der Sinn unseres Handelns.


Funktioniert das auch in anderen Branchen?

Hat die klassische BWL ausgedient, wenn es darum geht, gute Chefs auszubilden?
Die Disziplin Führungskompetenz halte ich noch für sehr schwach ausgeprägt in Deutschland. Im fachlichen Bereich ist es ganz klar: Ich kann anderen Menschen nur dann zeigen, wie Kochen geht, wenn ich selber kochen kann. Ich kann ihnen nur dann zeigen, wie Schreiben geht, wenn ich es selbst gelernt habe. Bei der Führung setzen wir einfach voraus, dass eine gute Fachkraft auch die entsprechende Kompetenz im Umgang mit Menschen hat. Das ist leider nicht immer so.

Was braucht es denn, um gut führen zu können?
Was ich als erstes im Kloster gelernt habe war: Nur wer sich selbst führen kann, kann andere führen. Nur wenn ich mich selbst öffne, werden sich auch die Menschen mir gegenüber öffnen. Als Führungskraft bin ich immer mit diesem ersten Schritt dran. Und wenn Sie mit Menschen arbeiten, gibt es kein Richtig und kein Falsch, sondern nur die situative Führung und keine pauschale Anleitung dafür, wie gute Führung geht. Das funktioniert nicht, weil es sieben Milliarden Menschen gibt und sieben Milliarden Wege zum Glück und sieben Milliarden Wege, um die Menschen zu führen.

Ein Credo von Ihnen lautet: “Führung ist Dienstleistung und kein Privileg”. Worin genau besteht dabei Ihre Leistung?
Ganz pauschal ausgedrückt besteht der Dienst darin, die Menschen am Ende des Tages aufrechter wieder nach Hause gehen zu lassen, als sie morgens gekommen sind. Das gelingt, indem ich an sie glaube und ihnen vertraue. Die Dienstleistung besteht auch darin, achtsam zu sein und zu schauen: Wer bist denn du? Bist du gerade der Pinguin, der versucht, den Baum hoch zu gehen oder bist du ein Wiesel? Und wenn ich gesehen habe, wer derjenige ist, mit dem ich zu tun habe, dann besteht die Dienstleistung darin, ihm im Unternehmen das Spielfeld zu geben, wo er seine Potentiale entfalten kann.

Macht jetzt bei Ihnen jeder nur noch das, was er will?
Wir schauen mit Hilfe der Potenzialanlyse, welche Fähigkeiten und Talente wir haben, wer welche Aufgaben übernehmen möchte, welche dann nicht abgedeckt sind und wen wir dafür suchen müssen. So gesehen ist es für uns zielführend, dass es keine Funktionen und keine Positionen mehr gibt, sondern nur der Persönlichkeit entsprechende Aufgaben.

Was machen Sie denn, wenn alle sagen, dass sie gerne als gut bezahlter Happiness-Manager arbeiten wollen?
Das funktioniert natürlich nicht.

Ihre Herangehensweise funktioniert auch nicht in jeder Branche, oder?
Das kommt ganz darauf an und hängt stark damit zusammen, wie intensiv man sich mit den Menschen beschäftigt. Bei uns funktioniert es, weil die Mitarbeiter die Potentialtrainings und Selbstfindungsprozesse mitmachen. Einige gehen sogar mit mir ins Kloster. Letztendlich geht es darum zu schauen, was das Talent meiner Mitarbeiter ist, was ihnen Freude bereitet und wie ich das abdecken kann durch die Aufgaben, die sie übernehmen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass ich den Menschen die Möglichkeit gebe mitzugestalten.

Verlängert das nicht die Entscheidungsprozesse, wenn Sie die Mitarbeiter überall einbinden? Was passiert in kritischen Situationen, wenn der Markt eine schnelle Lösung verlangt?
Indem ich die Mitarbeiter auch direkt entscheiden lasse, beschleunige ich doch den Prozess. Das ist das, worum es mir geht. Die Menschen zum Entscheiden zu ermutigen und zu befähigen.

Es gibt doch sicher noch Themen, wo Sie als Chef das letzte Wort haben, oder?
Wenige und es wird immer weniger...

Dann braucht man Sie ja am Ende gar nicht mehr?
Vielleicht ist das irgendwann so (lacht).


„Wir wurden schon gefragt, ob wir eine Sekte sind“

Sehen Sie Ihre  Zukunft darin, als spiritueller Guru die Manager-Welt zu missionieren?
Nein, ein Guru ist jemand, der ein Patent-Rezept hat für etwas, das für ihn das einzig Wahre und Richtige ist und das geht für mich in Richtung Religion. Klar, wir sind auch schon angesprochen worden, ob wir so etwas wie eine Sekte wären, weil wir jetzt so gut drauf sind...

Und?
Nein und es gibt bei uns auch keinerlei ideologische Vorgaben, weil es kein Richtig und kein Falsch und auch nicht das einzig Wahre für alle gibt. Optimal ist, wenn jeder für sich das leben kann, was für ihn als Mensch wichtig ist. Und als Unternehmen bieten wir ihm die Plattform dafür.

Und wenn das, was einem Mitarbeiter wichtig ist, nicht zu Upstalsboom passt?
Dann geht er woanders hin. Das haben wir hier auch gehabt. Zehn Prozent der Mitarbeiter haben nach ihrem von mir spendierten Selbstfindungskurs gekündigt.

Die Aufmerksamkeit, die Sie gerade bekommen, füttert die nicht auch wieder den alten Bodo, den Narzissten, der gierig nach Erfolg und Anerkennung ist?
Das ist eine Gratwanderung und ich begegne dabei auch tatsächlich meinen negativen Charakterzügen wieder. Der Erfolg triggert alte Muster und für mich ist das eine tägliche Prüfung. Direkt nach der Veröffentlichung meines Buches hat mir mein Mentor eine Mail geschrieben, die ich mir nebens Bett gelegt habe. Darin steht: ‘Bodo, der Erfolg ist eine Droge. Pass auf dich auf. Je lauter es um dich herum wird, desto ruhiger muss es in dir drinnen werden.’

Wie gelingt Ihnen das?
Ich glaube, dass es nicht möglich ist, immer straight zu sein. Das ist wie beim Fahrradfahren, da fahre ich ja nicht nur gerade aus, sondern es gibt immer ein leichtes Pendeln um das Optimum herum. Es gab Wochen, da war ich zu sehr zum alten Bodo gependelt. Es gibt aber auch Phasen, da bin ich zu sehr Paulus und meine Frau sagt: ‘Jetzt hör mal auf, ich will mich auch mal wieder streiten.’ (lacht)

Worin liegen heute für Sie die wichtigsten Führungsaufgaben?
Menschen ermächtigen, ermutigen, begleiten und aufrichten.

Warum machen Sie das alles? Ist das purer Altruismus? Sie wollen ja sicherlich nicht nur das Glück Ihrer Mitarbeiter steigern, sondern auch deren Leistung…
Wissen Sie, ich beschäftige mich nicht mehr intensiv mit den Zahlen. Ich bekomme sie zwar und sehe auch, dass die Entwicklung bei uns unglaublich gut ist, aber das reicht.

Das können Sie sich erlauben, weil es gut läuft. Aber was wäre, wenn Ihre Rechnung nicht aufgehen würde?
Wenn sich gezeigt hätte, dass das Unternehmen nicht die Plattfform ist, um meine Vision zu verwirklichen, dann müsste ich etwas anderes machen. Für mich geht es um das rechte Maß zwischen Verbundenheit, Abhängigkeit und Freiheit. Auch wenn Upstalsboom mir eine einzigartige Plattform für die Verwirklichung meiner Vision von glücklichen Menschen bietet, ist sie dennoch unabhängig davon. Ich lebe das, was mir wichtig ist.

Herr Janssen, ich danke Ihnen für das Gespräch.

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