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IG-Metall-Studie Kein Platz für Ältere in der Industrie

Laut einer neuen Studie der IG Metall gibt es in der Industrie zu wenig Engagement für alte Arbeitnehmer. Die Gewerkschaft fordert flexible und faire Bedingungen für Ältere.

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Wie man Mitarbeiter ans Unternehmen bindet
Die Vertreter der Generation Y, also die bis zu 32 Jahre alt sind, verfügen über eine hohe Technologieaffinität und möchten möglichst schnell die Infos auf ihren Smartphones haben. Die Babyboomer-Generation, die 47- bis 65-Jährigen, wollen dagegen öfters mal entschleunigen. Dieser Konflikt kann auch am Arbeitsplatz stattfinden. Der Personaldienstleister Robert Half hat in einer Studie 2400 Manager weltweit gefragt, welche Karrierevorstellungen sie haben. Und daraus Schlüsse gezogen, wie Unternehmen die unterschiedlichen Potenziale nutzen können - nicht nur um Mitarbeiter zu binden. Immerhin sind sich laut der Studie alle Befragten einig: Das effiziente Arbeiten in generationenübergreifenden Teams ist schwierig.
Zusatzleistungen für die Mitarbeiter: Wie flexibel sind Gehalt und Zusatzleistungen? Mitarbeiter zu binden bedeutet auch: darauf achten, was unterschiedliche Altersgruppen für wichtig halten. Wer Kinder hat, wird wahrscheinlich auch mal von zu Hause arbeiten wollen. Anders als Berufsstarter, die in den ersten Karrierejahren vor allem Gas geben. Deshalb sollten clevere Arbeitgeber gemeinsam mit ihren Angestellten ein System entwickeln, das sich an den jeweils unterschiedlichen Lebensumständen anpasst. Dieser Punkt ist nicht zu unterschätzen: In der Studie vom Personaldienstleister Robert Half gaben 52 Prozent der befragten Arbeitnehmer an, dass ihnen diese bessere Vergünstigungen und Zusatzleistungen besonders wichtig sind.
Flexible Arbeitszeiten: Unterschiedliche Biorhythmen laufen zu unterschiedlichen Uhrzeiten zur Höchstform auf. Der Arbeitgeber sollte darauf reagieren - und seinen Angestellten aus dem starren Schema "Nine To Five" herauslösen. Kommt das Unternehmen seinen Arbeitern entgegen, kann das zudem die Produktivität steigern.
Stärken der Mitarbeiter nutzen: Junge Mitarbeiter sind technikaffin. Ältere haben da öfters Nachholbedarf. Dafür sind Jüngere selten erfahren genug, um eine Übersicht bei den Prioritäten und Planung der Arbeit zu haben. Austausch der unterschiedlichen Vorteile in Form von Schulung und informellen Zusammenkommen könnten eine Lösung sein.
Teamgeist stärken: Der Austausch sollte nicht auf den Bürobereich beschränken. Den Teamgeist kann man auch durch gemeinsames Grillen stärken oder durch gemeinsame Freizeitunternehmungen, wie zum Beispiel Ausflüge und Wandern. Quelle: ZB
Die Expertise von älteren Mitarbeitern nutzen: 51 Prozent der Befragten planen auch nach Renteneintritt zu arbeiten. Arbeitgeber sollten dieses Potenzial nutzen: In Teilzeit arbeitende Rentner können jüngere Kollegen coachen. Die Arbeitsergebnisse werden dadurch besser, der Respekt zwischen den Generationen steigt.

Unternehmen nehmen nach Ansicht der IG Metall kaum Rücksicht auf die Bedürfnisse alter Arbeitnehmer. Nach einer Umfrage der Gewerkschaft unter 3700 Betriebsräten geht eine große Mehrheit von fast 80 Prozent der Befragten davon aus, dass die Beschäftigten das gesetzliche Renteneintrittsalter „nicht gesund erreichen“. „Notwendig sind Arbeitsplätze, mit denen Ältere gesund bis zur Rente arbeiten und zu fairen Bedingungen aus dem Erwerbsleben aussteigen können“, sagte der Zweite Vorsitzende der Gewerkschaft, Detlef Wetzel.

Nach der Umfrage gehen bei den jüngeren Beschäftigten ab Jahrgang 1964 und später - sie müssen später für eine Rente ohne Abschläge voll bis 67 arbeiten - nur 15 Prozent davon aus, dass sie mit ihrer Rente einmal „gerade so über die Runden kommen“. Bei allen Befragten liegt der Wert noch bei 46 Prozent. „Wenn die jüngere Generation so wenig Vertrauen in die eigene Alterssicherung hat, kommt dies einer gesellschaftlichen Bankrotterklärung gleich“, so Wetzel.

Nach den Worten von IG Metall-Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Urban sind nicht einmal vier Prozent der Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie über 60 Jahre alt. Älter als 63 sei nur ein Prozent. „In rund 44 Prozent der Betriebe gibt es keine Beschäftigten über 63 Jahre.“ In 92 Prozent der Betriebe gebe es selten oder nie Maßnahmen zur altersgerechten Arbeitsgestaltung.

„Viele Arbeitnehmer werden unter den heutigen Arbeitsbedingungen aber nicht bis 67 arbeiten können“, sagte Wetzel. Arbeitgeber und Politik nähmen „ihre Verantwortung nicht ansatzweise wahr“, die Bedingungen zu verbessern. Es gebe zwar einzelne öffentlichkeitswirksame Pilotprojekte, aber die große Masse der Arbeitnehmer habe nichts davon. Es werde zu viel geredet und zu wenig gehandelt. Die Betroffenen würden mit den Problemen alleingelassen. Die von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) gegen Altersarmut geplante Zuschussrente sei lediglich „ein Tropfen auf den heißen Stein“.

Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall wies die Kritik zurück: Der Anteil der Arbeitnehmer in der Altersklasse „60plus“ habe sich in der Branche zwischen 2000 und 2011 mehr als verdoppelt: von 2,4 Prozent im Jahr 2000 auf zuletzt 4,9 Prozent. Im übrigen habe man mit der IG Metall längst „tarifpolitische Weichen für eine ausgewogene und flexible Gestaltung der Rente mit 67 gestellt“. Der niedrige Beschäftigungsgrad älterer liege „nicht an den Arbeitsbedingungen in der Industrie, sondern sei das Ergebnis früherer Vorruhestandsprogramme“.

Zum einen verlangen die Arbeitnehmervertreter von den Betrieben, die Arbeitsbedingungen für ältere Mitarbeiter so zu verändern, dass diese gesundheitlich die Arbeit bis zum 67. Lebensjahr durchhalten. Zum anderen müssten Politik und Wirtschaft einen flexiblen Übergang in den Ruhestand ermöglichen, der nicht zu starken Rentenkürzungen und damit zu Altersarmut führe.

Die IG Metall bekräftigte ihre Ankündigung, die Rente zum Thema der Bundestagswahl im Herbst 2013 zu machen. Unter dem Motto „Gute Arbeit - gut in Rente“ sei Anfang November eine Aktionswoche geplant, um die Öffentlichkeit auf die Probleme infolge der Anhebung des Rentenalters aufmerksam zu machen.

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