Industrie 4.0, die Informatisierung der Produktion, die nächste industrielle Revolution im Zeichen des Digital Age ist angesagt. Deutschlands führende Unternehmen, Forschungs- und Zukunftsinstitutionen sind involviert. Und zwei Bedingungen werden immer deutlicher. Erstens: Warten hilft nicht. Wir müssen uns mit unseren Teams auf den Weg machen, auch wenn das Terrain unsicher ist.
Zweitens: Ein verlässliches Miteinander ist dringender denn je, erscheint aber immer oberflächlicher und fragiler. Steigende Informationsflut, zunehmende Unverbindlichkeit, unabsehbarer Wandel von Strukturen, Kurzfristigkeit von Konzepten und Arbeitsverträgen, die soziale Schere in der Gesellschaft: das alles lässt den Zusammenhalt schwerer entstehen.
Zu den Autoren
Dr. Frank Kühn ist Berater und Entwicklungspartner führender Unternehmen in strategischen Projekten, Transformationsprozessen und Exzellenzprogrammen. Managementerfahrung in Forschung und Industrie. Business Partner der ICG Integrated Consulting Group. Gefragt zum Thema Zukunft der Arbeit. Zahlreiche Publikationen zu aktuellen Themen. Lehrauftrag für Projektmanagement.
Kontakt: frank@kuehn-cp.com
Michael Kempf ist Consultancy Partner von erfolgreichen Unternehmen, Organisationen und Management-Teams in Übergängen und der Transformation – strategisch oder von außen angestoßen. Managementerfahrung in Industrie und Handel. Business Partner der ICG Integrated Consulting Group. Publikationen zu Teamarbeit, Personalführung und Coaching.
Kontakt: michael@kempf-cp.com
Die sozialen Fragen laufen hinterher
Bisher war es auch schon nicht leicht in den Unternehmen. Fast täglich erfahren wir von scheiternden Fusionen, lähmenden Konflikten, stockenden Abläufen. In den letzten Jahrzehnten haben wir uns mit Globalisierung, Beschleunigung und Komplexitätszunahme selbst überholt. Technik geht schnell, die sozialen Antworten laufen hinterher.
Stufen der industriellen Entwicklung
Die erste industrielle Revolution datiert man auf das Ende des 18. Jahrhunderts. Gekennzeichnet war sie durch die Einführung mechanischer Produktionsanlagen, die durch Wasser- und Dampfkraft angetrieben wurden. In dieser Zeit wurde auch der erste mechanische Webstuhl entwickelt.
Quelle: Deutsche Bank Research Industrie 4.0 - Upgrade des Industriestandorts Deutschland steht bevor, Stand: Februar 2014
Die Erfindung erster Fließbänder in Schlachthöfen in den USA ist Symptom der zweiten industriellen Revolution. Die Verfügbarkeit elektrischer Energie für Produktionszwecke bedingte ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Einführung arbeitsteiliger Massenproduktion.
In den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts automatisierte sich die Produktion weiter. Von diesem Zeitraum an wurde nicht mehr nur Arbeitsteilung betrieben, sondern ganze Arbeitsschritte wurden von Maschinen übernommen. Die Grundlage für diese Entwicklung war der Einsatz von Elektronik und IT.
Die Industrie 4.0 soll die vierte industrielle Revolution werden. In der "intelligenten Fabrik" sollen Menschen, Maschinen und Ressourcen miteinander kommunizieren. Das jeweilige Produkt soll, gefüttert mit Informationen über sich selbst, seinen eigenen Fertigungsprozess optimieren können.
In den Stellenausschreibungen verlangen wir Teamfähigkeit, realisieren sie aber kaum in der Organisationsgestaltung und Führungskultur. Teamgeist muss als Haltung das Unternehmen durchdringen, auf allen Ebenen und über alle Bereiche. Spürbar zwischen Kollegen, zwischen Führungskräften und Mitarbeitern, Erfahrenen und Lernenden, Kunden und Lieferanten, Funktionen und Generationen.
Erlebter Teamgeist schafft Verbundenheit, Motivation und die Leistungsbereitschaft, etwas dafür zu tun. Doch die Realität sieht anders aus. Innere Kündigung und Burnout führen laut Krankenkassen zu einem jährlichen Schaden für die deutsche Wirtschaft von 120 Milliarden Euro. 30 Prozent der jungen Mitarbeiter verlassen vorher die Organisationen, in denen sie keine Zukunft sehen. Sollen sie doch, ist die arrogante Antwort.
Empfehlungen für die bessere Teamarbeit
Industrie 4.0 und smarte Unternehmen werden kommen, aber deutlich unter ihren Möglichkeiten laufen, wenn wir so weitermachen wie bisher. Das heißt uns hier und heute auf den Weg machen. Technik, Organisation und Zusammenarbeit miteinander verbinden, damit sie voneinander profitieren. Nur so werden wir zukunftsfähig sein.
Ein erster Schritt ist die Zusammenarbeit stärker als strategisches Element hin zu einer Smart Factory zu sehen. 10 Tipps zeigen, wie es besser geht, ab sofort.
Was bedeutet Smart Factory?
In der intelligenten Fabrik tauschen Menschen, Maschinen und Ressourcen miteinander Informationen aus. Sie kommunizieren mittels Funksender, Datenwolken im Internet oder im Intranet der Fabrik. Die Produktionsanlagen haben Diagnose- und Reparaturfähigkeiten. Die intelligente Fabrik organisiert sich damit selbst.
Die Produktion soll flexibler werden. Der ständige Datenaustausch soll dazu führen, dass die Maschinen stets optimal ausgelastet sind. Kurzfristige Änderungen in der Nachfrage oder Ausfälle in der Wertschöpfungskette werden rasch kompensiert. In der Industrie 4.0 organisieren sich einzelne Fertigungslinien selbständig bedarfsgerecht. Fällt eine Maschine in dieser Linie aus, organisiert sich die Fertigung über einen alternativen Weg selbständig neu. Ändern sich etwa die Bestellungen oder die Mengen verfügbarer Rohstoffe, passen die Anlagen die Fertigung automatisch an die neuen Gegebenheiten an.
Weil Auftraggeber und Auftragnehmer ständig online Daten austauschen, können Kunden auch kurzfristig Änderungswünsche eingeben. Außerdem können individuelle Kriterien und Kleinserien bis hin zu Einzelstück schnell und kostengünstig realisiert werden.
Teamarbeit in die Organisation einbauen: Kluge Strategiepapiere und Organisationskonzepte reichen nicht, entscheidend ist die Umsetzung zusammen mit den Mitarbeitern. Veränderungsprozesse funktionieren nur im guten Zusammenspiel. Sonst sind die Reibungsverluste vorprogrammiert. Welche Organisationsprojekte stehen also an?
Kollektives Gelingen statt individuellem Heldentum
Verhalten in der Teamarbeit konkret vereinbaren: Wenn wir zusammen etwas schaffen wollen, hilft es, sich auf einige Regeln zu einigen: Was ärgert und behindert uns? Worauf wollen wir achten, damit es gut geht? Das braucht auch eine konstruktive und wertschätzende Fehler und Feedback-Kultur. Den Erfolg spüren wir in besserer Performance.
Teamarbeit im täglichen Miteinander forcieren und üben: Oft fühlen wir uns großartig mit unseren Ideen und Ausarbeitungen. Darauf sind wir in unserer Kultur und Belohnungssystemen angelegt: Individuelles Heldentum vor kollektivem Gelingen. Umso mehr gilt es beharrlich nachzufragen: Wer war hat an der Lösung mitgewirkt? Gemeinsame Arbeit verhilft auch zu besserer Qualität und Akzeptanz, zu weniger Konflikten und Diskussionsschleifen.
Die unterschiedlichen Typen eines Teams
Er übernimmt gerne die Vorbildfunktion, hält das Team zusammen und spornt die anderen an. Außerdem spricht er Bedenken an und präsentiert Lösungen für Probleme. Um ihn zu motivieren, kann der Chef ihm zusätzliche Verantwortung übertragen – sowohl hinsichtlich inhaltlicher Entscheidungen als auch beim Führen der restlichen Mannschaft. Sich immer wieder neu zu beweisen, ist seine zentrale Motivation.
Er kann ständig Höchstleistungen abrufen, liebt Herausforderungen und reagiert schnell auf neue Anforderungen – auch unter Druck. Der Top-Performer erwartet regelmäßige Belohnungen für Erfolge. Diese können sowohl materieller Natur sein, aber auch Lob und Aufstiegschancen motivieren ihn.
Er ist neutral und fair gegenüber allen Beteiligten, egal ob Kollegen, Kunden oder Lieferanten. Er hat die Gabe Emotionen und Fakten zu trennen. Dieser Typ fühlt sich besonders in Abteilungen beziehungsweise Betrieben wohl, die ihr Handeln an Unternehmenswerten ausrichten. Auch ihn motiviert eine gewisse Entscheidungsfreiheit, allerdings braucht er Richtlinien, an denen er sich orientieren kann.
Er ist ein langjähriger Mitarbeiter, auf dessen Leistung man sich verlassen kann. Außerdem teilt er sein Wissen gerne, bringt so das gesamte Team voran. Auch der Profi will durch neue Aufgaben gefordert und gefördert werden. Motivieren Sie ihn, in dem Sie ihn als Mentor für neue Mitarbeiter oder Verbindungsmann zwischen verschiedenen Abteilungen einsetzen. Das zeigt, wie sehr Sie seine Erfahrung schätzen.
Die meisten Neuen wollen schnell lernen und sich im Team einfügen. Sie bringen neue Ideen und wertvolles Wissen mit. Mit einem Einarbeitungsplan könnte der Vorgesetzte den Neuankömmling motivieren. Seine Rolle sollte darin ebenso geklärt werden, wie die übergeordneten Geschäftsziele. Regelmäßiges Feedback sind besonders für die Neuen wichtig.
Bereichsübergreifende Prozesse gemeinsam optimieren: Die Silos in unseren Unternehmen sind schon sprichwörtlich. Über viele Jahre haben wir uns in unserer Linienstruktur eingerichtet und das Business Process Reengineering vielfach zum Scheitern gebracht. Akzeptiert werden Workflows, die die Arbeit zuweisen. Für schnellere Durchlaufzeiten und höhere Kosteneffizienz müssen wir aber über Abteilungsgrenzen hinweg gut kooperieren. Das verstehen alle; weil es aber um Einfluss und Macht geht, kann eine klare Ansage des Vorstands nötig sein. Der Effekt: Schnellere, kostensparende Abläufe.
Kritische Situationen mit Teamgeist meistern: Erfolg entscheidet sich nicht auf dem Papier, sondern in konkreten Interaktionen mit dem Kunden, zwischen Kollegen, Führungskräften und Mitarbeitern. Da heißt es sich vorher zu verständigen: Wie wollen wir es mit unserer Präsentation morgen beim Kunden halten? Wie einig sind wir: Moderation, Einleitung, Präsentation, Diskussion, Schlusswort? Das macht es leichter und reibungsloser.
Den Kompetenzen im Team vertrauen
Das heißt auch die überkommenen Bedeutungen von persönlicher Durchsetzungskraft, Seniorität und Position infrage stellen. Das heißt auch noch mehr die Vorschläge derer berücksichtigen, die es mit ihrer Erfahrung und Kompetenz wissen müssen, fachlich und planerisch. Nicht den eigenen Illusionen in die Falle gehen, sondern gemeinsam zu realistischeren Einschätzungen kommen und weniger Enttäuschungen erleben.
Foren für Austausch und Miteinander schaffen: Wissen ist eines der wenigen Güter, die sich durch Teilen vermehren. Der notwendige Teamgeist im Unternehmen verbreitet sich im offenen Austausch, in Coffee Talks, Weeklies und Daily Stand-ups, Besuchen zwischen Abteilungen. Das können Führungskräfte sichtbar vorleben. Wissen zurückhalten ist überholtes Machtdenken. Geteiltes Wissen reduziert Widerstände und Doppelarbeiten.
Widerstand gegen Teamarbeit positiv ansprechen: Woher kommen Angst, Ärger, Skepsis? Welche Erfahrungen haben die Kollegen schon gemacht? Was müssen wir in Zukunft besser machen? Schaffen Sie damit ein gutes und persönliches Beispiel für Achtsamkeit im Team und holen die Leute zurück ins Boot.
Externe Unterstützung, Begleitung und Partnerschaft passend wählen: Worauf kommt es an? Noch mehr Vergleichsdaten, Best Practices und kluge Strategien? Oder Umsetzung mit Gespür für die Organisationsrealität? Hier wird Teamverhalten am wirkungsvollsten gefördert. Denn Veränderung beginnt immer sofort, hier und jetzt, und das sollte gemeinsam sein.
Teamarbeit in der Personalführung verankern: Teamarbeit sollte keine einsame Initiative irgendwo im Unternehmen sein. Sie braucht eine organisationsweite Unterstützung. In Beurteilungskriterien, Zielvereinbarungen, im Führungsprozess. Sie darf nicht nur Worthülse sein, sondern muss im täglichen Verhalten spürbar werden. Sonst verkommt die Absicht zum Witz: Team – toll ein anderer macht’s.
Gute Teamarbeit ist ein strategischer Wettbewerbsvorteil. Mit Teamgeist gelingen die Dinge besser und schneller. Das gilt im Unternehmen, und darüber hinaus, zum Beispiel in Think Tanks, Labs, Communities und Plattformen. Das praktizieren die Menschen im Internet längst. Es ist so viel Motivation, Wissen und Kreativität in der Welt, die nach Öffnung und Austausch verlangt. Angst vor den Mitbewerbern müssen wir nicht haben, wenn wir es schaffen, die Herausforderungen im Unternehmen gemeinsam, schnell und leicht anzugehen. Angst müssen wir nur davor haben, dass die Menschen uns in der Schwerfälligkeit unserer Organisationen nicht mehr folgen wollen.