




Über eine besonders schöne Kundenanfrage auf seiner Facebook-Pinnwand freute sich im Oktober 2011 ein Händler für Gummienten. Eine Frau suchte nach einem bestimmten Modell und postete ein Foto des gelben Plastiktierchens mit Astronautenhelm gleich dazu. Eine Aktion, die in den sozialen Netzwerken zum Alltag gehört. Alles ganz harmlos, dachte sich auch der Betreiber der Facebook-Seite und staunte nicht schlecht, als etwa ein halbes Jahr später eine Abmahnung in seinem Briefkasten landete.
Ein Konkurrenzunternehmen hatte sie verschickt, weil es die Rechte an dem gezeigten Bild besitzt. Die beiden Unternehmen streiten sich nun seit über vier Monaten vor Gericht. Der Fall ist mittlerweile in der zweiten Instanz gelandet. Ende offen.





Ein anderer Fall in den USA sorgte bereits für Konsequenzen: Drei Angestellte der Fast-Food-Kette Burger King verloren ihren Job wegen eines Fotos. Darauf zu sehen ist eine Person von den Knien abwärts, die mit Straßenschuhen in zwei Plastikboxen mit geschnibbeltem Salat steht. Das Foto luden sie auf der Internet-Plattform 4chan hoch, samt der Botschaft: „Diesen Salat esst ihr bei Burger King.“
Doch das Trio hatte den detektivischen Spürsinn der anderen Nutzer unterschätzt. Über die Daten des hochgeladenen Fotos konnten diese den Tatort bestimmen und die Burgerkette benachrichtigen. Die wandte sich an den Franchisenehmer der Filiale im Bundesstaat Ohio, in der das Foto entstanden war – und der feuerte die Übeltäter.
Die fünf Experten
Arno Lampmann ist Partner bei Lampmann, Haberkamm & Rosenbaum und auf Urheberrecht spezialisiert.
Christoph Rittweger ist Partner und Leiter des IT-Teams bei Baker & McKenzie in München.
Thomas Schwenke arbeitet als Rechtsanwalt in Berlin und ist auf Social Media Marketing spezialisiert.
Andreas Splittgerber ist Rechtsanwalt bei Orrick Hölters & Elsing und berät Unternehmen im Internet-Recht.
Carsten Ulbricht ist Partner bei der Kanzlei Diem & Partner. Er hält Vorträge zum Umgang mit sozialen Medien.
So unterschiedlich beide Fälle sind, eines zeigen sie deutlich: Unternehmen und deren Mitarbeiter mögen soziale Internet-Plattformen wie Facebook, Twitter oder YouTube immer stärker dazu nutzen, um auf sich aufmerksam zu machen – doch viele unterschätzen, dass ihr Handeln in der virtuellen Welt juristische Folgen im realen Leben haben kann.
Natürlich: Auch früher lästerten Kollegen in der Kneipe über ihre Chefs, fotografierten sich Freunde beim Wetttrinken auf privaten Grillfesten. Doch damals blieben diese Ausrutscher außerhalb von Familie oder Freundeskreis weitgehend unbemerkt.
Heute jedoch muss man immer damit rechnen, dass Kommentare, Bilder oder Videos das private Umfeld verlassen, im Netz landen und so Kunden, Lieferanten, Kollegen oder gar der Chef davon erfahren. Schlimmstenfalls finden sich Konkurrenten oder Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor Gericht wieder, wenn der eine wegen Rufschädigung klagt oder der andere gegen seine Kündigung.
Viele bemerken gar nicht, wie sie gegen Gesetze verstoßen





Fotos hochladen, die eigene Pinnwand verwalten, ein kurzer Eintrag in einem Bewertungsportal, in dem ein Mitarbeiter anonym das Angebot seines Arbeitgebers lobt – all das kann ein juristisches Nachspiel haben. Und solche Fallen lauern heute minütlich.
Auf der einen Seite sind laut einer Umfrage des IT-Branchenverbands Bitkom knapp die Hälfte aller deutschen Unternehmen bei Facebook, Twitter und Co. präsent, weitere 15 Prozent haben den Einsatz geplant – weil sie wissen, wie wichtig diese Plattformen für Marketing, Vertrieb und Mitarbeitersuche mittlerweile sind (siehe Kurztextgalerie). „Soziale Medien sind für die Unternehmen auf dem Weg vom Soll zum Muss“, sagt Bitkom-Präsident Dieter Kempf. Und die IT-Beratung Gartner prophezeit, dass Unternehmen, die bis 2014 noch nicht über die sozialen Medien kommunizieren, ihre Kunden so verärgern wie heute solche, die weder auf E-Mails antworten noch ans Telefon gehen.
Was sich deutsche Unternehmen vom Einsatz sozialer Medien versprechen
versprechen sich 15 Prozent der deutschen Unternehmen von Social Media.
versprechen sich 23 Prozent der deutschen Unternehmen von Social Media.
versprechen sich 31 Prozent der deutschen Unternehmen von Social Media.
versprechen sich 72 Prozent der deutschen Unternehmen von Social Media.
versprechen sich 32 Prozent der deutschen Unternehmen von Social Media.
versprechen sich 42 Prozent der deutschen Unternehmen von Social Media.
versprechen sich 68 Prozent der deutschen Unternehmen von Social Media.
versprechen sich 82 Prozent der deutschen Unternehmen von Social Media.
Auf der anderen Seite bewegen sich viele Firmen und Mitarbeiter unbedarft durchs Internet und bemerken gar nicht, wie sie dort gegen Arbeitsrecht, Urheberrechte oder Datenschutz verstoßen. „Sie halten das Social Web oftmals für eine Art rechtsfreien Raum, in dem nur Herr Zuckerberg zu bestimmen hat“, sagt der Kölner Rechtsanwalt Arno Lampmann, dessen Kanzlei sich mit Internet-Recht beschäftigt.
In den USA gibt es Rechtsstreitigkeiten aus dem Bereich der sozialen Medien schon heute regelmäßig. Ende 2011 zum Beispiel verklagte PhoneDog, ein US-Bewertungsportal für Handys, seinen ehemaligen Mitarbeiter Noah Kravitz auf 340.000 US-Dollar Schadensersatz, weil er die 17.000 Follower seines Twitter-Kontos mitgenommen hatte, als er die Firma verließ. Wie der Streit ausgeht, ist noch offen.
„Auch in Deutschland werden in Zukunft mehr Social-Media-Fälle vor Gericht landen“, sagt Lampmann. Noch spielen sich die meisten Streitigkeiten außergerichtlich ab, weil die Unternehmen Aufmerksamkeit vermeiden wollen. Denn sobald publik wird, dass sich ein Konzern mit einem Nutzer über die Verbreitung eines Fotos streitet, streut die Internet-Gemeinde das rasant – und beschädigt das Image des Klägers.
Beruf
Damit es so weit gar nicht erst kommt, holen sich Unternehmen Rat bei Rechtsanwälten wie Carsten Ulbricht von der Stuttgarter Kanzlei Diem & Partner. Er beantwortet in Seminaren Fragen wie „Welche Inhalte darf ich hochladen und weiterverbreiten?“ Oder: „Wie gestalte ich ein Gewinnspiel rechtskonform?“ Demnächst könnten auch Fragen zur „Buttonlösung“ auftauchen. Sie verpflichtet Online-Händler dazu, Schaltflächen künftig eindeutiger zu beschriften. „Bestellen“ reicht nicht mehr aus, juristisch wasserdicht sind nur Formulierungen wie „kostenpflichtig bestellen“ oder „kaufen“.
Damit solche Neuerungen und für den Laien unsichtbare Rechtsverstöße Sie nicht vor den Kadi bringen, beantworten fünf Experten exklusiv für die WirtschaftsWoche die 15 wichtigsten Fragen für Firmen und Arbeitnehmer zu rechtlichen Stolperfallen in sozialen Netzwerken.