
Wer Karriere machen will, braucht mehr als Wissen und Können: „Status und Erfolg werden auch durch Machtspiele bestimmt“, sagt der Autor Matthias Nöllke. Er hat ein Buch zu dem Thema geschrieben und dafür mit Profiteuren und Betroffenen gesprochen. Nöllkes Fazit: Sich durchsetzen zu können ist genauso wichtig wie Expertise. Dabei müssen Machtspiele keineswegs immer unmoralisch und böse sein: „Sie können auch legitim, sportiv, ja geradezu charmant sein und Abläufe in einer Organisation verbessern, weil sie den Beteiligten ein Machterlebnis verschaffen und dadurch beflügeln.“
Die einen setzen auf Einschüchterung, die anderen packen die Angestellten bei ihrer Eitelkeit. Eine Drohung gehört ebenso dazu wie ein Lob – zumal sich Letzteres oft als vergiftetes Geschenk erweist. Aber welche Spielchen sind besonders häufig – und wie sollte man darauf reagieren?
1. Ein vielversprechender Angestellter, der erst seit Kurzem im Unternehmen ist und in der kurzen Zeit bereits viel Lob bekommen hat, soll für seinen Chef eine wichtige Präsentation halten. Doch nachdem der Vorgesetzte sie gelesen hat, entscheidet er: Ich halte den Vortrag selbst. Hat der Mitarbeiter versagt?
Im Gegenteil. Sein Chef hatte wahrscheinlich von Anfang an vor, den Vortrag selbst zu halten. Vor allem Berufseinsteiger müssen mit diesem Knicktest rechnen: Damit verpassen Chefs neuen Mitarbeitern nach erfolgreichem Start gerne mal einen Dämpfer, damit diese nicht abheben. Gleichzeitig testen sie ihre Loyalität und Belastbarkeit. Umso wichtiger ist die Reaktion: nicht bei Kollegen über den Chef beschweren, Luft holen, weiterarbeiten.





2. Während des Vortrags eines Mitarbeiters liest der Vorgesetzte demonstrativ E-Mails auf dem Smartphone. Muss sich der Mitarbeiter sorgen, dass seine Präsentation langweilig ist?
Nein. Hier geht es dem Chef vor allem darum, sich selbst zu inszenieren und die Zeugen damit zu beeindrucken. Solche Manöver mögen abstoßend und unhöflich wirken, aber sie zeigen trotzdem Wirkung. Nöllke: „Und es sind nicht nur Männer, die sie einsetzen.“
Sein Rat: Der Mitarbeiter sollte sich nicht aufregen und die Situation vergessen, denn diese Behandlung hat nichts mit ihm und seiner Leistung zu tun – sie hätte jeden anderen ebenfalls treffen können. Das mag ein schwacher Trost sein, aber den Chef auf sein Verhalten anzusprechen würde diesen vermutlich ohnehin nicht ändern.
Was Meeting-Floskeln wirklich bedeuten
Klingt nett und ist es auch – aber nur dann, wenn das Lob vom Chef kommt und ehrlich gemeint ist. Kommt es jedoch vom Kollegen, ist Vorsicht geboten. Wer lobt, stellt sich über den Gelobten, er besitzt offenbar Beurteilungshoheit. Womöglich will sich der Huldiger also nur profilieren.
Wer so beginnt, impliziert, dass sich das Folgende auf harte, nachprüfbare Tatsachen stützt. Damit sagt derjenige auch: Der Käse davor war allenfalls eine Vermutung, ein Eindruck, eine Fabel. Also nicht der Rede wert.
Ein Klassiker. Der Fragende offenbart einen wunden Punkt, aber statt die Lösung mitzuliefern, gibt er den schwarzen Peter direkt an Krause weiter. Der kann dabei nur verlieren: Weiß er nichts, ist er blamiert. Glänzt er durch eine gute Idee, war es der andere, der ihm das Wort erteilt hat. Welch Weitblick! Richtig gemein wird die Taktik, wenn so jemand schon vorher weiß, dass Krause davon keine Ahnung hat oder seinen üblichen Vorschlag machen wird, der – wie ebenfalls bekannt – völlig unreif ist.
Bravo! Hier geriert sich einer nicht nur als empathischer, hilfsbereiter Kollege, sondern auch noch als begnadeter Zuhörer. Obendrein bereichert er die Runde mit den klaren Worten, um die der simple Herr Krause leider verlegen war. Ziemlich link.
Wer so fragt, degradiert den anderen zum technikverliebten Kleingeist. Nur er hat den Überblick über das große Ganze – oder ist zumindest daran interessiert. Eine noble Geste, die den Kollegen ziemlich winzig aussehen lässt.
Eine fiese Attacke. Natürlich glaubt so jemand nicht eine Sekunde daran, dass der andere Recht hat. Aber er signalisiert Toleranz und Offenheit, während er gleichzeitig die Glaubwürdigkeit und Reputation des anderen subtil untergräbt.
Der erste Satzteil klingt nur verständnisvoll. Tatsächlich geht es darum, den anderen alt und ewiggestrig aussehen zu lassen. Denn die unausgesprochene Fortsetzung lautet: „...aber intellektuell habe ich mich längst weiterentwickelt."
3. Eine Freiberuflerin hört wochenlang nichts von ihrem Auftraggeber. Auf Nachfrage erfährt sie, dass der Chef des Unternehmens ihr Angebot zu teuer findet. Ihre Gesprächspartnerin gibt sich zerknirscht, sie könne nichts machen. Wenige Tage später der Anruf: Sie habe zugunsten der Freiberuflerin auf den Chef einwirken können, man komme ihr entgegen.
Eine beliebte Variante des Verhandlungsspiels „Mein gnadenloser Boss“. Dabei sichert man bestimmte Verhandlungspositionen ab, indem man sie einem vermeintlich sturen Vorgesetzten zuschreibt. Ein schlauer Trick, denn so bleibt der Auftraggeber der Freiberuflerin sympathisch – weil er einerseits suggeriert, das Angebot zu unterstützen, andererseits aber seine Unnachgiebigkeit auf den Vorgesetzten schiebt.
Was vor einer Verhandlung zu beachten ist
Sich selbst wichtig erscheinen lassen, ist ein Verhandlungstrick. Ausprägungen gibt es viele: Den Gesprächspartner von einer Assistentin ein wenig vertrösten lassen, gehört dazu – helfen kann tatsächlich auch mit einem gehobenen Auto vorzufahren.
Der Verhandlungsort hat große Bedeutung: Wird in der eigenen Firma verhandelt, kann man nicht so leicht aus einem Gespräch fliehen. Allerdings hat man in den eigenen vier Wänden Heimvorteil und etwa Informationen und Personen rasch zur Hand, die helfen können. Verhandeln Sie bei der Gegenseite machen Sie deutlich, dass das ein Entgegenkommen bedeutet.
Es kann helfen, die Dringlichkeit der Verhandlung für die Gegenseite abzuklopfen. Wer auf einen schnellen Termin drängt, hat meist nicht so viel Verhandlungsspielraum wie der Verhandlungspartner.
Bei Gehaltverhandlungen etwa ist nicht nur der Arbeitgeber in einer starken Position. Auch der Auserkorene hat Verhandlungsmacht. Denn wenn die Entscheidung für einen Kandidaten gefallen ist, hat dieser eine starke Position. Die Firma will ihn einstellen, was das Ergebnis eines mühevollen Kompromisses gewesen sein kann. Wer jetzt nach mehr Geld oder Zusatzvergütungen fragt, hat einen guten Zeitpunkt erwischt.
Das Konzept ist Jahrzehnte alt, aber immer noch einleuchtend: Die Verhandlungsposition hängt immer auch von der Alternative ab, die sich im Falle eines Scheitern bietet. Ein Autokonzern, der mit einem Zulieferer verhandelt, der ein einmaliges Produkt anbietet, steht schlechter da, als wenn er eine von vielen gefertigte Massenware einkauft.
Er schon ein Job-Angebot vorliegen hat, dass ihm zusagt, hat in der Verhandlung mit einem anderen Arbeitgeber das bereits zugesicherte Gehalt als beste Alternative („Batna“). Haben sie noch kein Angebot, müssen sie die Alternative durchspielen: Mögliche Arbeitslosigkeit, weitere Monate der Jobsuche - und dem möglichst einen Wert geben. Dann lässt sich gut über das Gehalt verhandeln.
Wer mit dem Ziel in eine Verhandlung geht, möglichst viel herauszuschlagen, wird in den meisten Fällen unbefriedigt zurückbleiben. Denn vielleicht wäre ja noch mehr drin gewesen? Wer sich ein begründetes Ziel setzt, kann den Verhandlungserfolg besser beurteilen.
Dabei hilft es, eine Liste mit Unterzielen zusammen zu stellen – von wenig bis sehr wichtig. Dadurch werden Paket-Deals schneller und einfacher zu bewerten.
Die Verhandlungstipps sind eine subjektive Auswahl, frei zitiert nach Jack Nasher, „Deal! Du gibst mir, was ich will!“, erschienen im Campus Verlag.
Die beste Reaktion ist es, darauf mit dem gleichen Ansatz zu reagieren: „Das klingt sehr gut, aber mein Geschäftspartner will sich darauf partout nicht einlassen. Ich könnte natürlich noch mal mit ihm reden.“ So trifft man sich im Idealfall am Ende in der goldenen Mitte.
4. Ein Angestellter trifft seinen Chef in der Kaffeeküche. Nach ein paar Minuten Small Talk schaut der Mitarbeiter auf die Uhr und entschuldigt sich – er müsse noch eine dringende Anfrage bearbeiten.
Der Angestellte spielt das Machtspiel „Vollbeschäftigung“. Eine Variante, die Mitarbeiter häufig gegenüber ihrem Vorgesetzten anwenden. Sie wollen sich ihm gegenüber nicht dem Vorwurf der Unterbeschäftigung aussetzen. Daher wecken sie lieber den Anschein, an einer wichtigen Arbeit zu sitzen.
5. Bei einem Meeting lobt ein Angestellter gut hörbar die Präsentation seines Kollegen, mit dem er um die Gunst des Chefs konkurriert. Dann verlässt er den Raum – und lässt die Runde verdutzt zurück.
Der Mitarbeiter bringt seinem Konkurrenten und dessen Arbeit Wertschätzung entgegen – und das für alle hörbar. Damit hilft er vor allem sich selbst. Denn er zeigt, dass er auch gönnen kann, und entledigt sich so des Vorwurfs, ein eiskalter Karrierist zu sein. Er spielt das Spiel „Wir sind alle gute Freunde“ und qualifiziert sich damit in den Augen der anderen für eine Führungsposition. Das Gegenüber sollte sich in jedem Fall auf dieses Geplänkel einlassen und das Kompliment erwidern, um ebenfalls zu zeigen: Hier sind zwei, die es locker angehen und nicht verbissen sind, wenn es um ihre beruflichen Ziele geht.