Der Schreibtisch ist ein einziges Chaos. Bewerbungsunterlagen und Rechnungen stapeln sich, alles liegt durcheinander. Nur wenige Minuten hat die Sekretärin, um hier für Ordnung zu sorgen. Keine leichte Prüfung. „Für die erste Aufgabe hatten wir zu wenig Zeit“, sagt Rubina Chand im Gehen. Im normalen Arbeitstag sei das nie so hektisch. Die perfekte Sekretärin müsse ja jederzeit alles im Griff haben.
Genau darum geht es an diesem Mittwoch in der Fellbacher Schwabenlandhalle nahe Stuttgart: Zehn Frauen kämpfen um den Titel „Deutschlands beste Sekretärin“ und müssen sich in Sachen Multitasking, Improvisationstalent und Auffassungsgabe beweisen. Der Gewinnerin winken 2500 Euro.
Geschlossen gehen die Finalistinnen - alle im Kostüm - auf die Bühne. Die 35-jährige Chand aus Köln ist zwischen all den Office-Managerinnen, Senior Projektassistenten und Managing Assistants leicht auszumachen: Sie ist eine von nur zwei Brünetten.
Die zweite Aufgabe steht an, Nervosität macht sich breit. Jetzt geht es darum, in fünf Minuten einen Brief an das britische Königshaus zu schreiben und die Queen davon zu überzeugen, aus Prinz George einen Werbeträger für Baby-Shampoo zu machen. Der Moderator bemüht sich, die konzentrierte Tipp-Atmosphäre aufzulockern. „Immerhin sehen sie alle gut aus dabei“, versucht er zu scherzen. Immerhin eine Kandidatin lächelt gnädig.
Der Wettbewerb „Deutschlands beste/r Sekretär/in 2013“ wird regelmäßig von einem Stuttgarter Bürohersteller veranstaltet. In diesem Jahr hatten sich 200 Kandidaten beworben. Auch Männer sind ausdrücklich zugelassen - doch erst einmal hat einer gewonnen.
Der Wettbewerb will erklärtermaßen Büro-Talente in den Vordergrund rücken. Zeigen, wie tough man sein muss, um dem Chef den Rücken freizuhalten. Doch offenbar sind nicht alle Aufgaben realistisch: „Einen chaotischen Schreibtisch lasse ich gar nicht erst zu, und eine ernsthafte Anfrage auf Englisch würde ich viel sorgfältiger machen“, sagt Susanne Brunner aus München. Die 31-jährige Teilnehmerin arbeitet bei einer Investmentgesellschaft.
„Sag mal, du wolltest doch eh schon länger abnehmen...“, versucht eine Kandidatin kreativ einem Kollegen den Firmenwagen abzuschwatzen. Es ist mittlerweile die dritte Runde im Wettbewerb. Die Frauen sollen einem Mitarbeiter diplomatisch erklären, dass die Firma ihm seinen Dienstwagen wegnimmt. Ein Schauspieler verkörpert den Kollegen, der natürlich an seinem Auto hängt. Er muss die Contenance auch bei kuriosen Argumenten behalten. „Entweder du oder ich, hat der Chef gesagt - und weil ich die Frau bin, solltest du deinen Wagen abgeben“, argumentiert eine Kandidatin.
Rubina Chand löst diese Aufgabe etwas charmanter. „Wir können das mit Mietautos überbrücken und ich helfe dir auch gern bei der Reiseplanung“, schlägt sie vor. Der Schauspieler willigt ein. Auch bei der letzten Aufgabe, einem Gedächtnistest, hat Chand die Nase vorne und kann sich mehr Namen und Fakten merken als die Konkurrenz.
Als der erste Platz verkündet wird, kann Chand es trotzdem kaum fassen. „Ich hatte die anderen Teilnehmerinnen auch sehr kompetent eingeschätzt“, meint sie. Sie selbst sei nur auf Umwegen zum Sekretärinnen-Job gekommen, erzählt sie: nach ihrem Abitur hatte sie eine Ausbildung zur Hotelfachfrau absolviert. Im Wettbewerb jedoch konnte sie sich gegen die anderen Vorzimmerdamen durchsetzen - bei vielen anderen haperte es schon bei der Fremdsprache Englisch.