Karriere Wer Risiken eingeht, vergrößert seine Komfortzone

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Führungskräfte sollten unzufriedene Komfortzonenbewohner ansprechen

Mathias Kesting, Berater für Führungskräfte der Organisations- und Personalberatung Korn Ferry, hält den Satz, das Leben beginne jenseits der Komfortzone, wie Rose für problematisch und falsch. „Bereiche, in denen Menschen erprobtes Verhalten anwenden können, sind absolut notwendig“, sagt Kesting. „Wir wollen ja nicht jeden Tag das Autofahren von Neuem lernen.“ Er betont aber, wie auch Kerstin Gernig, das notwendige Zusammenspiel von Sicherheit und Herausforderung, damit Menschen lernen und sich weiterentwickeln können.

Veränderungen haben einen Preis, über den man sich im Klaren sein sollte, gibt Berater Kesting zu bedenken. So muss jeder, der bewusst aus seiner Komfortzone heraustritt, wissen, was er bereit ist zu investieren. Ein Karrieresprung ist nicht unbedingt mit planbaren Acht-Stunden-Tagen vereinbar. Ein neuer Job kann einen Umzug nötig machen, eine Reduzierung von Arbeitsstunden schlägt sich in einem niedrigeren Gehalt nieder. „Viele wollen hoch hinaus“, resümiert Kesting, „sind aber nicht immer bereit, das nötige dafür zu tun.“

Aufwand und Risiken lassen sich dabei in vielen Fällen kalkulieren. Ist erst einmal klar, wohin die Reise gehen soll, erscheinen mit einem Mal auch die Gefahren beherrschbarer, so die Erfahrung von Kerstin Gernig in ihrer Beratungstätigkeit. „Große Veränderungen fühlen sich häufig an wie ein Ort auf der anderen Seite eines Abgrunds. Die Risiken erscheinen extrem groß im Verhältnis zu den Chancen. Doch je konkreter die Umsetzungsstrategie wird, desto stabiler wird auch die Brücke zur anderen Seite. Durch konkretes Durchspielen dessen, was auf dem Weg passieren kann, kann man ein zusätzliches Sicherheitsnetz aufspannen“, sagt Gernig. „Der Mut wächst mit jeder bestandenen Herausforderung.“

Wie gehen Sie mit Stress und Ärger um?

Berater und feinfühlige Führungskräfte sind gefragt, wenn Arbeitnehmer unzufrieden sind, aber resigniert haben. „Dann muss man fragen: Was sind eigentlich die tieferliegenden Ziele dieser Person“, erklärt Kesting. „Das ist vielen nicht klar. Unzufriedenheit entsteht sehr häufig aus persönlicher Unklarheit heraus.“ Manche Jobs brächten eine höhere Komfortlastigkeit mit sich als andere. „Wenn man so will, sind Beamte mit einer vorhersehbaren und wenig flexiblen Zukunft konfrontiert, weil sie ein so hohe Sicherheit genießen. Wer dann über Langeweile klagt, ist nicht mehr in der Lage, sich ein anderes Bild von seinem Leben zu malen.“

Die Digitalisierung und Change-Prozesse in vielen Unternehmen führen dazu, dass zahlreiche Arbeitnehmer ungewollt aus ihrer Komfortzone geholt werden. Kerstin Gernig spricht von einer permanenten Risikozone, die ein Teil der Beschäftigten wahrnehme, weil die Technologie so viel Bekanntes unvermeidbar verändert und das Druck erzeugt. Das kann in der richtigen Dosis zu guten Ergebnissen führen, aber auch in die unproduktive Panik münden. Die Zeiten, in denen man innerhalb der eigenen Komfortzone Karriere machen konnte, indem man mit den Jahren automatisch eine Karriereleiter hinaufstieg, sind hingegen für die allermeisten Beschäftigten vorbei.

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Hier ist das Fingerspitzengefühl der Führungskräfte gefragt – übrigens auch bei den Lamentierern, die mangelnde Perspektiven beklagen, aber nicht tätig werden. „Sie können auf den Widerspruch hinweisen und diese Mitarbeiter fragen: Was wollen Sie erreichen“, erklärt Kesting. Von außen könnten sie durchaus Anregung und neue Aufgaben stellen. „Die Selbstwahrnehmung von Mitarbeitern bei massiven, fast pathologischen Abweichungen zu korrigieren, gehört allerdings nicht zu den Aufgaben einer Führungskraft“, meint Kesting.

Gegen Ängste vor dem Unbekannten mentales Training, das bei Spitzensportlern schon lange zum Standard gehört. „Es hilft, kognitiv Ängste zu überwinden und zu lernen, Dinge neu zu betrachten“, sagt Kesting. Extrem ausgeprägten Ängste könne dagegen nur therapeutisch begegnet werden.

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