
Work-Life-Balance, spannende Aufgaben, ein gutes Gehalt, nette Kollegen, tolle Aufstiegs- und Entwicklungschancen: Darauf kommt es jungen sowie älteren Akademikern bei einem Arbeitgeber an. Der Data Scientists, die Personalerin, der Buchhalter, die Mediendesignerin und der Wirtschaftspsychologe - sie alle wollen einen Job, der mehr ist, als bloßer Broterwerb.
Der Beruf soll Berufung sein, zumindest aber glücklich machen. Flexibel soll er sein, gut bezahlt und erfüllend. Entsprechend verkaufen sich die Unternehmen in ihren Stellenanzeigen und auf ihren Karrierewebsites. Gemäß einer aktuellen Analyse des Karrierenetzwerkes LinkedIn beschreibt sich die Mehrheit der Unternehmen im Netz mit den immer gleichen Phrasen: führend, innovativ, attraktiv, nachhaltig.
Gleiches in den Stellenanzeigen: Der Typ Mitarbeiter, der gesucht wird, ist - unabhängig von der Position - ein dynamischer, flexibler Macher, gleichzeitig Kosmopolit, der in einem motivierten Team arbeiten möchte. Über den jeweiligen Ausschreibungen sind glückliche junge Menschen zu sehen, die strahlen, als machten sie Reklame für Zahnpasta.
Der Kassiererin wird die große Karriere versprochen
Nur: Auch Stellenanzeigen, die sich an den Busfahrer, die Kassiererin, den Altenpfleger oder das Zimmermädchen richten, sehen so aus. Damit gehen sie vollständig an der Zielgruppe vorbei. Das zeigt eine aktuelle Untersuchung, die das Stellenportal meinestadt.de gemeinsam mit dem Marktforschungsinstitut respondi durchgeführt hat. Für die Studie wurden 2.042 Fachkräfte mit Berufsausbildung dazu befragt, welche Aspekte für sie über die Wahl eines Arbeitgebers entscheiden.
Matthias Baum, Inhaber des Lehrstuhls für Entrepreneurship an der Universität Kaiserslautern, und seine Kollegen haben die Ergebnisse der Umfrage wissenschaftlich ausgewertet.
Die meisten Befragten stammen aus den Branchen Logistik, Handwerk, Handel und Gesundheitswesen und auf die Frage, was ihnen an einem Job beziehungsweise Arbeitgeber wichtig ist, antworteten sie zum Beispiel: "Sicherer Arbeitsplatz, bei dem der Mensch zählt und nicht nur die Arbeitsleistung", ein anderer wollte ein "gutes Arbeitsklima; gute Bezahlung", der dritte legt Wert auf "pünktliche Zahlung des Gehaltes; gutes Betriebsklima; Nähe zur Wohnung" und eine Vierte "Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern; pünktliche Bezahlung; angemessene Bezahlung." Von Karriere und Selbstverwirklichung sprachen von 1800 Teilnehmern gerade einmal sechs.
Denn Karriere macht an der Kasse oder im Warenlager niemand - das wissen auch die Einzelhandelskaufleute und Lagerarbeiter. Auch vom exorbitanten Gehältern träumt kaum jemand. Schließlich weiß der Müllwerker genauso wie die Kinderkrankenschwester, dass der Tarifvertrag den Gehaltswünschen natürliche Grenzen setzt. Einer der Befragten wünscht sich deshalb schlicht "ein Gehalt, von dem man leben kann."
Was Fachkräften mit Berufsausbildung bei einem Job am wichtigsten ist
Auf dem Spitzenplatz mit 63,7 Prozent an „sehr wichtig“-Antworten führt die „Sicherheit des Arbeitsplatzes“ das Ranking an.
Quelle: Befragung des Stellenportals meinestadt.de unter 42.000 Fachkräften mit Berufsausbildung
Die pünktliche Gehaltszahlung wird von 60,3 Prozent sehr hoch priorisiert.
Fast der Hälfte der Befragten ist die Nähe des Arbeitsplatzes zum Wohnort sehr wichtig (45,2 Prozent). Insgesamt gaben Prozent an, im Umkreis von max. 30 km von ihrem Wohnort nach einem Job zu suchen.
Genauso wichtig (45,2 Prozent) wird eine gute Beziehung zu Arbeitskollegen eingestuft.
39,9 Prozent wollen geregelte Arbeitszeiten.
36,8 Prozent haben gar nichts gegen Überstunden - so lange diese bezahlt werden.
Nur 23,1Prozent geben an, dass die Möglichkeit für den nächsten Karriereschritt sehr wichtig sei.
Ein überdurchschnittliches Grundgehalt ist nur für 20,2 Prozent ein sehr wichtiger Faktor bei der Arbeitsplatzwahl.
Dass Unternehmen ihre Zielgruppe entsprechend umwerben, ist eher selten - und kann schon mal wie Satire wirken. So zumindest im Fall des Krankenpflegedienstes Kolf & Buchholz aus Bergisch Gladbach. Eine entsprechende Stellenanzeige von Chef Norbert Buchholz sorgte 2015 für ein großes mediales Echo, weil er in einer Stellenanzeige in den "Lokalen Informationen" Leverkusen nach der "eierlegenden Wollmilchsau" sucht, die "Lust auf gestresste Kollegen, Überstunden ohne Ende und ein attraktives Gehalt von 850 Euro brutto" hat.
Beste. Stellenanzeige. Ever. pic.twitter.com/GyUBvwrJiM
— Senad (@senadpalic) 15. Januar 2015
Man kann darüber streiten, ob Buchholz so Bewerber verschreckt, oder gestandenen Altenpflegern zeigt: Hier hat jemand Humor. Zumindest aber ist es ehrlicher als eine Annonce, die der Pflegerin die große Karriere vorgaukelt, weil bei den immer gleichen Stellenanzeigen lediglich die Berufsbezeichnung geändert wird.
Entsprechend empfehlen sowohl die Experten von Linkedin als auch von meinestadt.de, authentisch zu bleiben und sich nicht hinter schönen Floskeln zu verstecken. Für die Erzieherin ist es zum Beispiel wichtig zu wissen, wie groß die Gruppen im Kindergarten sind, ob die Einrichtung eine U3-Betreuung anbietet und wie groß der administrative Teil in Form von Lernberichten ist. Das sollte in der Ausschreibung stehen.
Genauso wie der Busfahrer vorab wissen will, dass er immer zum Monatsersten das Gehalt auf dem Konto hat. Wenn sich der Maler und die Altenpflegerin dann noch mobil bewerben können, dann klappt es auch mit den ausgebildeten Fachkräften.