Karriereleiter

Radikales Ausmisten fördert Ihre Karriere

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Aufräumen für den neuen Minimalismus: Was kann weg?

Aber was kann weg? Um zu verhindern, dass Sie aus reiner Sentimentalität oder aus Unsicherheit („Was, wenn ich es dann doch mal brauche?“) an Dingen festhalten, die Sie nie, nie wieder verwenden werden, versetzen Sie sich in die Rolle eines externen kühlen Beraters. Was würde der Ihnen gnadenlos um die Ohren hauen?

„Frau Meyer, in die Gelben Seiten von 2005 werden Sie doch nicht wieder reingucken, oder? Auch wenn Sie in jenem Jahr geheiratet haben.“
„Herr Müller, Sie haben in vergangenen Jahren zwar viel Geld für 47 Businesshemden ausgegeben. Aber sie tragen immer nur die zwanzig schönsten. Was schließen Sie daraus?“
„Frau Schneider, die Ordner zum Hauskauf von 1993 können weg. Das Haus gehört Ihnen seit 1998 nicht mehr.“
„Herr Schmidt, verwenden Sie wirklich das Nespresso-System, eine Cafissimo-Maschine und Senseo parallel?“
„Frau Becker, wozu drucken Sie die 30-seitige Programmvorschau eigentlich jede Woche aus und heften sie ab? Die stehen doch bis 1999 zurück alle im Intranet.“
„Herr Fischer, nutzen Sie alle 180 Apps auf Ihrem Handy wirklich?“
„Frau Bauer, warum liegen auf Ihrem Tisch eigentlich vier angebrochene Post-it-Blöcke?“
„Herr Jäger, die ganzen Handbücher auf der Fensterbank im Büro sind doch immer sofort veraltet, wenn die neue Ausgabe rauskommt. Die acht alten können weg.“

Hilfreich ist es, Prinzipien aufzustellen. Beispiel: Lesen Sie manchmal Romane mehrmals? Wenn nicht, dann können Sie alle gelesenen verschenken. Aus Prinzip. Damit Ihnen keiner vorhalten kann: Die Sammelei macht dann aber doch keinen Sinn. Behalten Sie nur die Bücher, an denen wirklich Ihr Herz hängt. Ja, Sie haben einst Geld für all das Papier investiert. Aber eine teure Urlaubsreise ist irgendwann auch vorbei. Es zählt dann die schöne Erinnerung.

Gehen Sie durch die Datei-Struktur Ihres Computers, löschen Sie Ordner der vor Jahren abgeschlossenen Projekte mit Speicherplatz raubenden Präsentationen und Grafiken und Videos. Gehen Sie durch den Fotoordner und behalten Sie von Urlauben nur die schönsten zwanzig Bilder statt hunderte. Verklappen Sie E-Mails, indem Sie etwa Abwesenheitsnotizen, uralte Newsletter und seit Monaten ungelesene E-Mails per Suchbefehl aufspüren und ein für alle Mal im Papierkorb versenken.
Verzichten Sie aber auf starre Regeln, die Ihnen das Entscheiden verbieten, wie: Was ich ein Jahr nicht mehr angezogen habe, kommt in den Altkleidersack. Sowas macht einen ja panisch. Und manchmal findet man ganz unten hinten ja alte Schätze im Schrank, die mal wieder an die Öffentlichkeit sollten. Die breiteren Krawatten kommen zum Beispiel langsam wieder. Es reicht erstmal, den Spaß zu genießen, radikal abzuwägen.

Es gibt Leute, die machen zu Hause zu zweit kleine Ausmist-Partys mit einer Flasche Sekt vorm Kleiderschrank, der Geschirrschublade oder vorm Bücherregal, für mehr „Ach komm, weg damit!“ So gesehen gesünder als Alkohol vorm Fernseher.

Und am Ende allen Ausmistens stehen vor Ihnen halbleere Regale, locker gefüllte Schubladen und Schränke. Und Sie blicken nur noch auf Dinge, die Ihnen zugute kommen. Und genauso können Sie nun weitermachen. Misten Sie unsinnige Prozesse aus, die Ihre Zeit und Energie fressen. Machen Sie Klarschiff im Tagesablauf. Hinterfragen Sie alles. Weil es Freude macht, es sich einfacher zu machen.
Ein Bekannter, damals Abteilungsleiter bei einem großen deutschen Autohersteller, hat einmal aus Frust über den Wust an unerledigter Arbeit kurzerhand sein gesamtes berufliches E-Mail-Postfach ausgeleert. Zigtausende Mails weg auf einen Schlag. Erst war er über sich selbst erschrocken. Doch dann der Effekt: „Ich hab mich einfach nur frei gefühlt. Und es ist keinem aufgefallen.“

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