Karriereleiter
Das Homeoffice als Hemmschuh für die Karriere? Quelle: imago images

Der Kumpel-Effekt: So verhindern Sie Karrieredellen wegen Homeoffice

„Aus den Augen, aus dem Sinn“ – die Angst, sich am Schreibtisch daheim fern von Chefinnen und Kollegen Nachteile im Job einzuhandeln, treibt einen widerwillig zurück ins Großraumbüro. Mit einer konsequenten Kommunikationsstrategie in fünf Schritten integrieren Sie das Homeoffice optimal in die Firmenzentrale.

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Unser Kolumnist Marcus Werner ist Fernsehmoderator und Buchautor und arbeitet als Berater für Kommunikation und Persönlichkeitsentwicklung.

Proximity Bias. Dahinter steckt die Bevorzugung derjenigen Kollegen, die einem räumlich nahe sind. Mit anderen Worten: die um mich rum sind mir lieber. Es kumpelt mehr. Machen wir es nicht allzu wissenschaftlich, aber dieser Begriff steht grob gesagt auch für zwei Eindrücke. Erstens die der Führungsriege, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Homeoffice weniger greifbar und nahbar sind, und im blödesten Falle in der Ferne eine nicht so effiziente Arbeit abliefern wie die Leute im Büro. Dieser Angst liegt meist die Annahme zugrunde, dass nur der auf Hochtouren läuft, der dank physischer Nähe zum Team einer engmaschigeren Kontrolle und einem Gruppenzwang unterliegt. Einprägsames Siehste-sag-ich-doch-Beispiel dafür ist die Länge der Pause. Wenn fünf Leute gemeinsam in die Kantine gehen, fällt es auf, wenn einer nach dem Essen noch eine Viertelstunde länger am Espresso nippt.

Zweitens schürt im Gegenzug das Wissen um diese Vorbehalte gegenüber dem Homeoffice wiederum bei denen am Ess-/Schreibtisch daheim die Befürchtung, als taumelnder Satellit irgendwo ganz weit draußen abgeschrieben zu werden. Nach der Losung: Wenn es schnell gut werden muss, dann setzen wir uns hier mal eben auf Zuruf mit dem Kaffee in der Firmenzentrale zusammen. Die im Homeoffice kriegen dann übermorgen das Protokoll. Der Effekt ist für alle bescheiden: Das Homeoffice wird als Hemmschuh wahrgenommen. Und die Vorteile des flexiblen Arbeitens bleiben auf der Strecke:



  1. Dank gesparter Pendelzeit ist man früher am Schreibtisch und/oder länger im Bett (Was nicht gleich wieder als Faulheit abgetan werden sollte, sondern eine Investition von Lebenszeit in eine höhere Leistungsfähigkeit.)
  2. Flexiblere Tagesabläufe reduzieren Stress und machen zufriedener (wenn das Homeoffice auf Freiwilligkeit beruht und gut organisiert ist).
  3. Job und Freizeit lassen sich mit kürzeren Übergängen schneller organisieren und sogar verzahnen, was auch dem Joberfolg zugute kommt. (Etwa wenn, um es auf die Spitze zu treiben, passive Konferenzteilnehmer als reine Zuhörer mit Kopfhörern im Park joggen, statt beim Blick aus dem Fenster auf dem Bleistift zu kauen, was gut und gerne eine Stunde im Tagesablauf spart, wenn Sporteinheit und Konferenz zusammenfallen – wofür die gewonnene Zeit dann auch immer eingesetzt wird.)
  4. Der Arbeitgeber hat einen größeren Einzugsbereich für die Akquise gefragter qualifizierter Mitarbeiter*innen, weil die Distanz zwischen Arbeitsort und Wohnort keine so große Rolle mehr spielt.
  5. Der Abbau von nun leerstehenden Büros spart Miete.

Wie also lassen sich die Befürchtungen eliminieren, die Distanz und die Angst davor (Proximity Bias) könnte die ganzen Vorteile aufzehren und Projekterfolgen und Karrieren schaden? Antwort: wie so oft mit guter Kommunikation. So geht’s:

1. Karten auf den Tisch!

von Jan Guldner, Dominik Reintjes

Es gibt Themen, die sollten Sie besser nicht ansprechen, wenn Sie befürchten müssen, dass Ihr Vorstoß mit Nachteilen auf Sie zurückfällt („Wer kümmert sich dieses Jahr eigentlich um die Weihnachtsfeier?“ – „Immer die, die fragt“). Anders sieht es aus beim Proximity Bias. Gehen Sie damit ohne Scheu in die Offensive und sprechen Sie Ihre Befürchtungen an. Gegenüber Ihren Vorgesetzten und/oder dem ganzen Team: „Ich habe Angst, dass wir als die im Homeoffice oder Teil-Homeoffice gefühlt am Rande des Teams stehen werden, weil sie als abwesend oder weniger schlagkräftig wahrgenommen werden. Und ich befürchte, dass uns dadurch Nachteile in unseren Entwicklungsmöglichkeiten entstehen.“

Mit dieser aufrichtigen Kommunikation wecken Sie nämlich gerade nicht schlafende Hunde. Weil die Vorbehalte gegen die Arbeit in Distanz oftmals unausgegorene Befürchtungen sind, die dann zu unbewussten Verhaltensweisen führen. Kaum ein Vorgesetzter wird sich vornehmen, Kolleginnen und Kollegen im Homeoffice absichtlich auszugrenzen. Das wäre einfach nur unprofessionell und fies. Aber unbewusst den Fokus auf die Anwesenden zu legen, weil dies im wahrsten Sinne naheliegender ist, ist einfach nur unüberlegt und damit menschlich. Diese Befürchtungen klar zur Sprache zu bringen, schärft bei allen die Sinne. Das Team wird sich nun häufiger selbst hinterfragen: Grenzen wir die Homeoffice-Leute gerade versehentlich aus?

2. Etablieren Sie enge Kommunikation auf Distanz

Die Angst vor einem Schaden für die eigene Karriere ist nicht nur unangenehm für die betroffenen Mitarbeiter. Der daraus resultierende Motivationsknick schadet der ganzen Firma. Alle Mitarbeiter eng an die Prozesse im Haus zu binden, ist daher nicht nur rücksichtsvoll und selbstlos, sondern ganz im Sinne des Unternehmenserfolgs.

Ich kenne Online-Konferenz-Routinen mit wechselnder Homeoffice-Belegschaft und auch noch virtuell eingeblendeten Hintergründen im Video-Bild, so dass am Ende keiner mehr so richtig weiß, wer eigentlich im Firmenbüro sitzt oder zuhause. Weil auch noch die Schreibtischtelefone der Homeoffice-Kollegen auf deren Handys umgestellt sind, spielt es in den meisten Prozessen keine Rolle mehr, wer gerade wo sitzt.

Mein Rat: Führen Sie regelmäßige Abstimmungs- und Infokonferenzen ein, die lieber häufiger stattfinden und dafür kürzer ausfallen können. Täglich für zehn Minuten zu Beginn des Tages zum Beispiel. Als gemeinsamer Startschuss. So fühlen sich alle im Boot. Ich kenne Teams, bei denen der Eindruck vorherrscht, seit der Einführung der Corona-Homeoffice-Info-Konfis sind alle besser auf dem Laufenden als vorher in der Zentrale mit dem Flurfunk.

von Konrad Fischer, Daniel Goffart, Julian Heißler, Nele Husmann, Kristin Rau, Teresa Stiens, Claudia Tödtmann

3. Bauen Sie aus „die und wir“ ein hybrides Gesamtkunstwerk

Machen Sie im Team immer wieder klar, dass Homeoffice kein Kompromiss den von zuhause aus Arbeitenden zuliebe ist. Sondern dass alle von diesem hybriden Konstrukt profitieren, wenn die Vorteile der Kombination aus Zentrale und flexiblen Außenposten konsequent genutzt werden.
Beispiele:

  • mehr Nähe zu Kunden am Homeoffice-Standort
  • mehr Bereitschaft, die Arbeitszeit im Notfall auch mal flexibel in Tagesrandzeiten zu verlegen (die berühmte halbe Stunde nach dem Abendessen daheim, dafür längere Mittagspause)
  • höheres Leistungspotenzial dank weniger vergeudeter Zeit auf Parkplatz, Straße, Schiene, Konferenzraum

Davon profitieren alle.

4. Sprechen Sie mit Homeoffice-Kollegen regelmäßig übers Homeoffice

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Räumliche Distanz kann gedankliche Distanz schaffen, wenn nicht vorgebeugt wird. Tauschen Sie sich über Distanz-Knackpunkte genauso aus, wie über andere alltägliche Themen wie den Geräuschpegel im Großraum oder Kompetenz-Gerangel. Und machen Sie immer wieder zum Thema: Fühlt ihr euch genügend eingebunden und wahrgenommen? Wenn nein: mehr kurze Abstimmungen. Der Mehraufwand zahlt sich am Ende in höherer Zufriedenheit und größerer Motivation aus. Ein direktes Investment in die Effizienz des Teams.

5. 360-Grad-Feedback einholen und anbieten

Egal ob im Firmenbüro oder zuhause: Klare Vereinbarungen zu Zielen und Entwicklungsmöglichkeiten geben Allen Orientierung. Aber vieles ergibt sich im Laufe der Monate auch mal auf dem Flur oder an der Kaffeemaschine. Dies nicht jedoch für die Leute zuhause. Selbst die, die im Hybrid-Modell nur zweitweise ins Büro kommen, erleben hier weniger Gelegenheiten. Deshalb: Organisieren Sie für das Homeoffice das, was sich dort nicht mal eben so zwischen Tür und Angel ergibt: regelmäßige Zielvereinbarungen, Feedback durch Vorgesetzte auch aber von Kolleginnen im Team, vielleicht auch begleitet durch Moderatoren von außen. Wenn Zielvereinbarungen und tatsächlich erreichte Ziele abgeglichen werden, kann auch keiner behaupten, Homeoffice führe zu klammheimlichem Schlendrian, weil die Kontrolle fehle.

Womit sich der Kreis wohlig schließt: Die Vorbehalte der Distanz gegenüber erledigen sich auf allen Seiten. Immer wieder drüber sprechen. So gelingt es, die aus der Coronakrise heraus erprobten Ideen dauerhaft zu etablieren. Aus der Not einen großen Schritt voran. Viel Erfolg!

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