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Person greift zu Hotelschlüssel im passenden Fach. Quelle: dpa

Die ICE-Methode: Überzeugen Sie dank Perspektivwechsel

Die besten Argumente ziehen nicht, wenn die Empfänger sich sagen: „Was hat das mit mir zu tun?“ Um zu überzeugen, müssen Sie sich in die Welt der Anderen reindenken. Mit all ihren Erwartungen und Ängsten. So klappt’s.

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Unser Kolumnist Marcus Werner ist Fernsehmoderator und Buchautor und arbeitet als Berater für Kommunikation und Persönlichkeitsentwicklung.

Wenn es darum geht, andere zu überzeugen, gilt: Der Empfänger oder die Empfängerin meiner Botschaft soll so wenig wie möglich selber abwägen müssen. Das ist ein Denk-Service, der beiden Seiten zugute kommt. Der Empfänger kann sich schnell und ohne Mehraufwand festlegen, und Sie als Absender haben danach jemanden auf Ihrer Seite. Doch gute Argumente allein reichen nicht, klar. Sonst bräuchten wir uns mit Rhetorik gar nicht erst auseinanderzusetzen. Es kommt auch darauf an, sie dem Empfänger eingängig vorzutragen.

Gute Argumente gut vortragen. Das wäre allerdings zu wenig. Was von Rednerinnen und Rednern oft übergangen wird, ist ein wichtiger Schritt vorab. Nämlich die Antwort auf die Frage: Wie tickt mein Gegenüber? Denn je nach Perspektive auf die Sache, um die es geht, überzeugen unterschiedliche Argumente unterschiedlich gut. Es geht also darum, sich in die Gedankenwelt der Anderen hineinzudenken. Mit der Frage: Welche Argumente ziehen bei denen am besten?

Wir haben genau das intuitiv gut drauf, wenn es um Diskussionen mit Kindern geht. Wohl deshalb, weil uns allen klar ist, dass zwischen den Erwartungen der Erwachsenen-Welt und der der Kinder-Welt Lichtjahre liegen. Während die Eltern etwa ihren Nachwuchs ins Bett bringen mit dem Antrieb: „Wenn das Kind jetzt nicht ins Bett geht, ist es morgen im Zoo den ganzen Tag quengelig“, wäre das kein überzeugendes Argument gegenüber den Kleinen. Aus deren Sicht ist es motivierender zu hören: „Du freust dich doch schon so auf den Zoo. Und je früher du jetzt einschläfst, desto schneller ist für dich morgen.“ Unter Erwachsenen hingegen wird offenbar häufig unterstellt: Wir sind alle vernünftig denkende Menschen mit Lebenserfahrung. Am besten bringe ich erstmal alle auf meinen Stand der allgemein gültigen Argumente. Doch damit vergeben wir Überzeugungs-Chancen. Schlüpfen wir in die Anderen rein - mit der ICE-Methode.

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ICE: Interest + Concern + Emotion

Motivation macht den Unterschied. Einem Leser fehlt diese momentan bei seinem Job. Wie er den Sinn in seinen Aufgaben wiederfinden kann, erklärt Coach Lothar Seiwert. Beginnen Sie mit dem Perspektivwechsel, indem Sie sich fragen: Was sind die Interessen (Interest) des Anderen? Dieser Schritt ist spannend, weil es bedeuten kann, sich aus der eigenen Interessenwelt komplett zu verabschieden.

Beispiel: Die Geschäftsführerin eines Hotels möchte den Kundenservice während des Eincheck-Prozesses erhöhen. Dazu sollen die Rezeptionistinnen und Rezeptionisten nicht mehr nur freundlich die Formalitäten erledigen, sondern künftig auch einen Willkommens-Drink servieren, zu Sightseeing beraten und Sonderwünsche beim Frühstück notieren.

Die Argumente aus Sicht der Geschäftsführung dafür:
- ein besserer erster Eindruck der Gäste, der entscheidend ist für die Bewertung des Hauses
- zusätzliche Erlöse durch die Vermittlung von Sightseeing-Touren
- Trotz des verbesserten Services muss keine Concierge-Stelle geschaffen werden, denn das würde sich nun auch wieder nicht lohnen.

Diese Argumente ziehen bei der Geschäftsführung, die am wirtschaftlichen Erfolg des Ganzen gemessen wird. Aber es wäre schon sehr viel Selbstlosigkeit im Spiel, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Frontdesk aus den gleichen Gründen überzeugt wären. Deren Perspektive ist eine andere: Ihre Zufriedenheit im Joballtag hängt nicht davon ab, dass die Geschäftsführerin von den Eigentümern des Hauses für ihre Ideen gelobt wird. Der Tag an der Rezeption ist geprägt von Gesprächen mit Gästen aus aller Welt, die gerade bei Beschwerden Einfühlungsvermögen verlangen, und von Verwaltungsprozessen, die möglichst schnell abgearbeitet werden sollten, um keinen warten zu lassen. Und dabei kommt es darauf an, immer als freundliche, kompetente Repräsentanten des Hauses wahrgenommen zu werden.

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Wie überzeugen Sie hier die Mitarbeiter in deren Interessenwelt? Indem Sie im nächsten Schritt überlegen, welche Erwartungen, Bedenken und Zweifel (Concern) im Zusammenhang mit den Neuerungen in den Prozessen bestehen können.

Denken wir in unserem Hotelbeispiel also weiter: Für die Arbeit an der Rezeption wäre es gut, wenn geplante Neuerungen helfen würden, im direkten Kontakt mit den Kunden gute Gastgeber zu sein. Wird das Ausschenken des Begrüßungs-Getränks nicht sehr viel Zeit in Anspruch nehmen, die dann im klassischen Eincheck-Prozess fehlt? Gehört die Vermarktung von touristischen Ausflügen und Diskussionen zum Frühstück noch zu den Aufgaben, die ich mir damals bei der Entscheidung Rezeptionist zu werden, ausgemalt habe? Werde ich hier klammheimlich ohne Mitsprache vom Gastgeber mit Verantwortung für das Zimmerbuchungssystem zum Kellner und Reisevermarkter umdefiniert?

Wenn Sie aus dieser Perspektive betrachtet die Bedenken erkennen, kommen Sie automatisch zu anderen Argumenten. Etwa dem, dass die neuen Aufgaben mehr Abwechslung bieten. Aber: Bei jemandem, der es als Karriererückschritt empfindet, künftig wegen des Begrüßungs-Getränks zusätzlich typische Aufgaben eines Kellners zu übernehmen, ist es riskant, mit dem Argument überzeugen zu wollen: „Aber Kellner zu sein, ist doch ein ehrwürdiger Job.“ Es kommt darauf an, die Bedenken zu zerstreuen, im Sozialranking der Jobs abzusteigen. Etwa so: „In der Rolle des Gastgebers treten die Rezeptionisten künftig noch ganzheitlicher auf. Vom formalen Check-in bis zu Wohlfühlmomenten, die die Gäste emotional beeindrucken. Dadurch werden die Rezeptionisten stärker als die wahren Repräsentanten des Hauses wahrgenommen. Dies stärkt ihre Autorität im Unternehmen.“ Die Perspektive der Geschäftsführung (mehr Umsatz durch höhere Kundenzufriedenheit) sollten Sie mitliefern, um für mehr Transparenz zu sorgen. Denn so schaffen Sie Vertrauen. Aber die durchschlagenden Argumente sind hier eben die anderen.

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Letztendlich ist bei solchen Umbrüchen auch immer eine Portion Gefühl dabei. Und für diese Emotion steht das E in ICE. Finden Sie am besten schon vorab heraus, wie die Stimmung ist. Gerade wenn Sie vor Gruppen sprechen, kann sich im Vorfeld schon einiges aufgeschaukelt haben. Im Hotel-Beispiel könnten Gerüchte über geplante Veränderungen für eine vorsorgliche kollektive Abwehrhaltung gesorgt haben. Motto: Wir lassen uns nichts gefallen. Veränderungen können aber auch immer Ängste auslösen: Bin ich nicht gut genug? Ist mein Job in Gefahr?

Foyer-Smalltalk mit dem Kaffee in der Hand bringt hier oft wichtige Erkenntnisse über die emotionale Situation. Greifen Sie diese Eindrücke später in Ihrer Rede ruhig auf. Etwa so: „Dass wir unseren Service verbessern wollen, ist übrigens ein gutes Zeichen. Es geht uns wirtschaftlich gut. Wir können es uns erlauben, unseren Gästen künftig mehr zu bieten.“ Oder: „Sie alle leisten jetzt schon hervorragende Arbeit; aber die Ansprüche unserer Gäste ändern sich. Und wir wollen die ersten sein, die sich darauf einstellen.“

ICE: Interest, Concern, Emotion. Was so selbstverständlich klingt, ist dennoch eine Überwindung. Weil wir die Argumente, die uns selber als so einleuchtend vorkommen, unter Umständen dann nicht mehr nach vorne stellen.

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Wer der Belegschaft eines Autokonzerns den Umbruch hin zur Elektromobilität schmackhaft machen möchte, ist wohl gut beraten, weniger mit dem Treibhauseffekt fossiler Treibstoffe zu argumentieren, als mit der Sicherung von Arbeitsplätzen. Beides stimmt. Aber eins der beiden überzeugt besser. Eine Café-Stempelkarte ist aus Sicht der Café-Betreiberin ein geniales Kundenbindungs-Werkzeug. Wenn man sie schon in der Tasche hat, will man sie später ja schließlich auch ausnutzen. Die Kunden kommen also gerne wieder. Das Argument gegenüber den Kunden hingegen lautet: Jeder zehnte Kaffee geht aufs Haus.

Letztendlich folgt die ICE-Formel dem alten Spruch: Der Wurm muss dem Fisch schmecken (und nicht dem Angler). Und jetzt haben Sie bestimmt ein besseres Gefühl dafür, wie Sie den richtigen Wurm finden. Viel Erfolg!

Mehr zum Thema: Motivation macht den Unterschied. Einem Leser fehlt diese momentan bei seinem Job. Wie er den Sinn in seinen Aufgaben wiederfinden kann, erklärt Coach Lothar Seiwert.

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