Ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten, aber Sie haben in gewisser Weise Ähnlichkeit mit einem Hund. Ich übrigens auch. Lassen Sie mich etwas ausholen: Es gibt Hunde, die, wenn man sie über eine Wasseroberfläche hält, sofort anfangen, hektische Schwimmbewegungen mit allen Vieren zu machen, obwohl sie keinerlei Wasserkontakt haben. Das sieht dann einigermaßen drollig aus. Ich habe das selber einst schon einmal an einem Baggersee beobachtet und sowohl Hund als auch Halter taten mir ein wenig leid.
Allerdings zu Unrecht, wie ich jetzt weiß: Denn das Verhalten des Hundes war gar nicht mal so dumm. Denn: Hat man nur noch Wasser unter sich, wird man in wohl 99,9 Prozent aller Fälle im Leben kurz darauf hineinfallen und schwimmen müssen. Der Hund hat es sich eben einfach gemacht: Er hat sich den gesonderten Gedankengang „Soll ich jetzt im konkreten Fall wirklich mit den Pfoten rudern?“ gespart und hat – die Wahrscheinlichkeit auf seiner Seite – einfach im Trockenen drauf los gepaddelt.
Und das meine ich, wenn ich sage: Wir legen in gewisser Weise ein ähnliches Verhalten an den Tag wie ein Hund. Das Ganze fällt unter den Begriff Automatic Responding (automatisches Reagieren) und ist im Alltag eines Tieres wie auch von uns Menschen ein ungemein effizientes Verhalten. Anstatt jedes Mal erst nach eingehender Recherche und Nachforschung eine Entscheidung zu treffen (Controlled Responding), reagieren wir auf gleiche Schlüsselinformationen jedes Mal einheitlich. Weil wir mit diesem Vorgehen bereits in der Vergangenheit gute Erfahrungen gemacht haben oder es so von anderen als sozial adäquates Verhalten gelernt haben. Dieses automatische Reagieren spart uns Zeit und Hirnschmalz.
Wer Kapern probiert hat und weiß, dass sie ihm nicht schmecken, muss sie nicht jedes Mal von Neuen probieren, um zu sagen: „Meine Pasta bitte ohne Kapern.“ Wer die Erfahrung gemacht hat, dass Busfahrer manchmal noch einmal die Türen öffnen, wenn man in letzter Sekunde an die Bushaltestelle gerannt kommt, der riskiert gerne mal einen Sprint zum Bus.
Reagieren ohne langes Nachdenken. Das geht so weit wie beim Sozialexperiment der amerikanischen Psychologie-Professorin Ellen Langer von 1978. Es zeigt, dass wir eher zum Ziel kommen, wenn wir eine Bitte nicht einfach nur vorbringen, sondern sie außerdem begründen. Bei diesem Experiment wurden Leute, die an einem Fotokopierer in der Bibliothek anstanden, von einer eingeweihten Person hinter ihnen in der Warteschlange gefragt: „Entschuldigung, ich habe fünf Seiten. Darf ich bitte vor? Weil ich es sehr eilig habe.“
In 95 Prozent der Fälle wurde der Fragende vorgelassen. Hingegen führte die Bitte „Entschuldigung, ich habe fünf Seiten. Darf ich bitte vor?“ nur in 60 Prozent der Fälle zum Erfolg. Der einzige Unterschied war die fehlende Begründung. Und jetzt kommt´s. Lautete die Bitte: „Entschuldigung, ich habe fünf Seiten. Darf ich bitte vor? Weil ich kopieren muss“, ließen sich 93 Prozent der Wartenden erweichen. Obwohl die Begründung keinerlei neue Information enthielt. Denn es war klar: Wer am Kopierer ansteht, der will kopieren.
Es kam also allein auf das Wörtchen weil an. Darauf, dass die Bitte begründet wurde. Wie die Begründung lautete, war hingegen zweitrangig. Der Schlüsselreiz durch das Wort weil reichte aus. Wir sind eben so sozialisiert, dass wir schon ganz gerne einen Grund dafür geliefert bekommen wollen, einem Wildfremden einen Gefallen zu tun. Aber im Endeffekt ist uns oftmals egal, wie der Grund lautet. Hauptsache wir hören, dass einer geliefert wurde. „Weil“ eben.
Dieses automatisierte Reagieren entlastet uns im Alltag meistens. Manchmal, in Fällen wie dem Kopierer, unterscheiden wir uns aber kaum mehr von einem Hund, den man über eine Wasseroberfläche hält und der sofort anfängt zu paddeln. Die automatische Reaktion ist manchmal eben nicht von Vorteil.
Warum ein teures Kissen häufiger gekauft wird als ein billiges
Und so ist es oft auch mit unserem Kaufverhalten. Was Verkäufer für sich ausnutzen können. Eine Freundin hatte einst die Erfahrung gemacht: Kaum einer wollte ihre selbst genähten Deko-Kissen auf dem Handarbeitsmarkt kaufen. Dabei sollten die je nach Größe nur zwischen 5 und 15 Euro kosten. Bis ihr eine Bekannte erzählte: „Ganz ähnliche Kissen habe ich jüngst auf einem Weihnachtsmarkt für den dreifachen Preis gesehen.“ In einem Anflug der Verzweiflung sammelte meine Bekannte daraufhin alle ihre Preisschilder ein und ersetzte sie durch welche mit dem dreifachen Preis: Alles zwischen 15 und 45 Euro. Und siehe da: Die Leute kauften. Das Geschäft begann zu brummen. Was war da los?
Antwort: Die Leute regierten automatisch nach dem sozial erlernten Prinzip „teuer bedeutet hochwertig“. Sie hatten keine Ahnung, was ein solches dekoratives Kissen normalerweise kostet. Aber sie sagten sich wohl: Das muss schon was taugen, bei dem Preis. Und wer sich an einem schönen Sonntagnachmittag etwas Besonderes gönnen will, für den ist ein großes Sofakissen für 15 Euro zu wenig. Da muss es schon etwas Exklusives für den dreifachen Preis sein.
Und wir kennen das doch auch von uns selber. Wenn Sie auf einem dieser Foodmarkets an einem Stand das Angebot sehen:
Gefüllte Teigtaschen
Variante „Hamburger Jung“ € 3,80
Variante „Münchner Mädel“ € 5,20
In welcher Teigtasche vermuten Sie die hochwertigeren Zutaten?