2. Rausgerutschtes wieder einkassieren
Auch für den Fall, dass Ihnen etwas rausgeplappert kommt, das nicht raus sollte, können Sie fürs ganze Leben vorbeugen. Indem Sie wieder einmal an Ihrer Haltung arbeiten.
Bei meiner Arbeit als Fernsehmoderator gibt es natürlich auch eine Menge an möglichen Fettnapf-Situationen. Was live über den Sender geht, lässt sich nicht rausschneiden.
Meine Schwäche sind Namen. Ich kann sie mir nicht merken. Jeden Quatsch im Leben speichere ich ab (etwa viele persönliche Gespräche, die ich nach Jahren noch detailreich aus dem Gedächtnis abrufen kann), aber Namen gehen bei mir links rein und rechts raus. Schall und Rauch eben.
Nun präge ich mir die Namen durchaus vorab fleißig ein und notiere sie auch. Aber für den Fall, dass ich im Eifer des Gefechts doch einmal durcheinander geraten könnte, habe ich mir vorab überlegt, was ich dann sagen könnte:
„Unfassbar. Ich bin so an dem interessiert, was Sie als Experte erzählen, da ist mir Ihr Name doch tatsächlich flöten gegangen.“
„Nehmen Sie es nicht persönlich. Es ist kein Desinteresse. Es ist mein Namensgedächtnis.“
„Entschuldigung, nicht Meyer, sondern Müller. Ich Depp. Sie dürfen mich jetzt auch einmal Werner Marcus nennen.“
Das soll wieder einmal zeigen: Es steckt keine Respektlosigkeit dahinter.
In die Offensive! Alle Energie in die aufrichtige Erklärung und Entschuldigung investieren. Es bricht einem kein Zacken aus der Krone. Und so verhindern Sie, dass andere Ihnen im Nachgang einen Zacken ausbrechen.
Anderes Beispiel: Der Horror vorm ungewollten Tabubruch. Ein Kollege sagte einmal vor laufender Kamera: „Jedem das seine.“ Und meinte damit: Jeder so, wie er will. Aber dieser antike philosophische Gerechtigkeits-Leitspruch wurde von den nationalsozialistischen Mördern zynisch umgekehrt. Sie haben es in das Tor des Konzentrationslagers Buchenwald schmieden lassen. Darf man den Spruch nun verwenden als antikes Zitat oder klingt der Missbrauch durch das Hitler-Regime bis heute so sehr durch, dass ihn zu verwenden bedeutet, den Nationalsozialismus zu verharmlosen oder gar heimlich gutzuheißen?
Diese Abwägung können Sie vor laufender Kamera nicht in Ruhe treffen. Ich habe mir auch für solche Fälle vorgenommen, in die Offensive zu gehen und klar zu machen, dass keine böse Absicht dahinter steckt. Selbst, wenn es wertvolle Sekunden kostet:
„Mir fällt auf, dass ich gerade etwas gesagt habe, was viele sicherlich als völlig unpassend empfinden. Ich nehme das direkt zurück. Es ist mir rausgerutscht. Das tut mir leid. Es war kein böser Hintergedanke dabei.“ Zack. Hier gibt es nichts mehr zu kritisieren.
Machen Sie es auch so: Schämen Sie sich nicht heimlich in sich hinein, wenn Ihnen etwas über die Lippen gegangen ist, was Sie bereuen. Rudern Sie sofort mit Schmackes zurück. Das glauben die Leute Ihnen. Selbst, wenn Sie die Entschuldigung im Zweifel etwas überziehen: Man merkt, es lag Ihnen wirklich auf der Seele.
3. Keine Angst davor, die eigene Meinung zu ändern
Gerade für Politiker sehr dünnes Eis. Da treten sie für eine Kita-Pflicht ein und müssen sich Videoaufnahmen aus der Vergangenheit vorhalten lassen, auf denen sie rufen: „Mit mir wird es keine verpflichtenden Kita-Besuche für Kleinkinder geben.“
Da wollen sie aus der Atomkraft aussteigen, obwohl sie vorher noch drin bleiben wollten. Es droht eine saftige Blamage: „Auf Ihr Wort ist kein Verlass.“
Oder aus der eigenen Firma: Da befürwortet ein Abteilungsleiter jahrelang die Kooperation mit einem Konkurrenten. Und plötzlich soll alles anders werden? Was für ein Wendehals.
Haben diese Leute kein Rückgrat?
„Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern? Nichts hindert mich, weiser zu werden.“ Ob Konrad Adenauer dies nun so oder ähnlich oder gar nicht gesagt hat, ist umstritten, aber das ist an dieser Stelle egal. Wer so etwas sagt, ist rhetorisch gewitzt. Wenn es neue objektive Umstände gibt, die es nahelegen, seine Meinung zu ändern, dann sollten Sie genau dies in Erwägung ziehen.
Es gehört etwa regelrecht zur Arbeitsweise eines Wissenschaftlers, bei neuen Erkenntnissen aus der Forschung, die dem bisherigen Standpunkt entgegenlaufen, radikal die Meinung zu ändern. Alles andere wäre nur eins: unprofessionell.
Seien Sie in Ihren Standpunkten gerne flexibel. Aber denken Sie daran: Sagen Sie immer dazu, warum Sie Ihre Meinung ändern. Begründen Sie gut und erkennen Sie den anderen gegenüber auch an, dass Meinungsänderungen immer einen gewissen Rechtfertigungsdruck auslösen.
Die Zustimmung zur Kita-Pflicht lässt sich mit den Kompromissen begründen, die man in Koalitionsverhandlungen eingehen muss. Oder mit neuen Studien, die bahnbrechende Erkenntnisse gebracht haben. „Ich weiß, das habe ich bislang anders vertreten, das mag Sie wundern. Aber jetzt ist es so, dass…“
So, wie Kanzlerin Merkel ihren Wunsch, aus der Atomkraft auszusteigen, mit dem persönlichen Umdenken nach dem Unfall in Japan begründet hat. Kühle, der reinen Vernunft verpflichtete Leser könnten jetzt einwenden: „Der eine Unfall hat nichts an der bislang bekannten objektiven Gefährlichkeit von Atomkraftwerken geändert. Das war auch vorher klar.“ Aber Merkels 180-Grad-Wende ließ sich mit der Begründung der persönlichen Ergriffenheit zumindest menschlich nachvollziehen. Das reichte damals aus.
Nur, wenn die Begründung für die Kehrtwende inhaltlich nicht nachvollziehbar ist, blamieren Sie sich:
„Ich ändere meine Meinung so oft, wie ich will.“
„Manchmal muss man eben auch mal neue Wege einschlagen.“
Das erklärt nichts.
Aber solange Sie die anderen daran teilhaben lassen, aus welchen guten Gründen Sie Ihre Meinung geändert haben, wirken Sie in Ihrem Vorgehen vernünftig. Man mag Ihnen dann nur noch vorhalten können, Sie hätten was anderes fest zugesagt. Aber das ist et-was anderes: „Aber du hast doch gestern versprochen, dass wir am Wochenende ins Kino gehen.“ Tja. Da müssen die neuen objektiven Umstände schon wirklich überzeugend sein: „Ich habe gestern ja auch nicht wissen können, dass das Kino heute abbrennt.“
Kränkungen im Keim ersticken, Rausgerutschtes einkassieren, die eigene Meinung ändern - all dies kriegen Sie souverän und überzeugend hin. Wenn Sie vorab Ihre Haltung festzurren.
Damit es nicht allzu unbekümmert und naiv rüber kommt, noch der Tipp: Deuten Sie zwischen den Zeilen an, dass Sie das Blamagepotenzial erkennen.
„Das sollte nicht uncharmant sein.“
„Nehmen Sie es bitte nicht persönlich. Es liegt an mir.“
„Ich weiß, das wundert Sie jetzt. Aber ich kann es erklären.“
So lassen die anderen Sie gerne entkommen aus Ihrem Fettnäpfchen.
Mikrofon kaputt, Lampenfieber vor der Präsentation, keine schlagfertigen Argumente? In seiner Kolumne „Karriereleiter“ gibt Marcus Werner Tipps zu den großen und kleinen Katastrophen des Berufslebens.