Karriereleiter

Rhetoriktipps für Schüchterne und Mutige

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„Ich denke nur mal laut...“

Von sich selbst nicht sonderlich überzeugte Leute verwenden solche Formulierungen, um vom imaginären Podest des Redners herabzusteigen. Sie nehmen die Autorität nicht an. Doch damit motivieren sie ihre Zuhörer geradezu, den Standpunkt des Redners oder der Rednerin kritisch zu hinterfragen. Die wohlig warme Honigmilch will einfach nicht runter.

Möchten Sie standfester wirken, sagen Sie lieber:
- „Und jetzt noch ein Thema, das liegt an dieser Stelle nicht auf der Hand, ist aber genauso wichtig.“
- „Noch was. Und jetzt kommt´s.“
- „Ich bin von Folgendem fest überzeugt und ich kann Ihnen auch sagen wieso.“

Standfest – das heißt nicht schnippisch oder pampig. Sondern geradeaus, ohne zu eiern. Sie bleiben trotzdem Sie.

2. So ernten forsche Redner mehr Wohlwollen

Leute, die vor Selbstbewusstsein kaum gehen können und dadurch Chancen auf der Wohlwollen-Ebene verspielen, sollten zu ihren eigenen Gunsten Formulierungen vermeiden wie:
- „Das stimmt doch überhaupt nicht.“
- „Das ergibt doch hinten und vorne keinen Sinn.“
- „Wollen Sie mich nicht verstehen, oder was?“
- „Um das hier mal abzukürzen...“

Während schüchterne Redner Weichmacher vermeiden sollten, lautet mein Tipp für Superforsche grob gesagt: Kommen Sie Ihren Zuhörern entgegen. Lassen Sie die anderen gelten. Sie können sich dabei sogar Weichmacher gönnen, weil es Ihnen als Platzhirsch als charmante Respektbekundung ausgelegt wird – und nicht als Unsicherheit.

Sagen Sie es deshalb auch mal so:
- „Ich verstehe, was Sie meinen. Aber ich bin davon überzeugt, dass da so nicht richtig ist.“
- „Ich befürchte, ich kann Ihnen da nicht folgen.“
- „Wahrscheinlich habe ich mich gerade einfach unklar ausgedrückt.“
- „Darf ich einen Versuch machen, das in meinen Worten zusammenzufassen?“

Eine meiner persönlichen Lieblingsformulierungen ist: „Ich denke gerade nur mal laut...“, um dann einen gerade im Kopf fein geschliffenen Standpunkt zu präsentieren. Zum einen vermittelt die Einleitung, dass das letzte Wort hier noch nicht gesprochen ist, zum anderen geht im Idealfall kein Weg an den gerade vorgetragenen Argumenten vorbei. Die anderen werden zum kreativen Mitdenken eingeladen. Nichts überzeugt besser, als wenn denen dann kein Gegenargument einfällt.

Es macht Spaß, sich voller Selbstbewusstsein charmantes Understatement zu leisten. Sie wirken dadurch weiter von sich selbst überzeugt, nehmen aber auch die Herzen der Zuhörer ein. Weil sie Ihnen hörbar ein rhetorisches Entgegenkommen wert sind.

Entgegenkommen im Ton heißt nicht, dass Sie von Ihrem Standpunkt abrücken oder ihn inhaltlich verwischen. Ihre Argumente bleiben glasklar. Sie servieren sie nur charmanter.

Wenn Sie also beim Reden vor anderen tendenziell unsicher wirken, dann verpacken Sie Ihre inhaltlichen Standpunkte in Geradeaus-Formulierungen ohne Wenn, ohne Aber, ohne Konjunktiv. Geben Sie Ihren Zuhörern das gute Gefühl, dass es an Ihrem Standpunkt nichts zu hinterfragen gibt.

Wenn Sie eher darunter leiden, dass man Sie für einen arroganten Knochen hält, gönnen Sie Ihren Zuhörern das Gefühl, dass Sie sie zwar überzeugen wollen. Aber nicht platt machen. Wer könnte der Mischung aus Standpunkt und Charme schon widerstehen? 

In beiden Fällen justieren Sie dadurch auch gleich Ihre innere Haltung: Klar in der Sache sein, aber auch Mensch.

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