Karriereleiter
Minimalistischer Arbeitsplatz Quelle: imago images

Radikales Ausmisten fördert Ihre Karriere

Wer aufsteigen will, muss Ballast abwerfen. Gnadenlos und ohne Sentimentalität auszumisten hat einen befreienden Effekt für den Blick nach vorne. Auch privat. Denn: Was weg ist, ist auch aus dem Kopf.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Unser Kolumnist Marcus Werner ist Fernsehmoderator und Buchautor und arbeitet als Berater für Kommunikation und Persönlichkeitsentwicklung.

Zu Studienzeiten ist ein Bekannter von mir aus seiner WG in Freiburg mit einer großen schweren Reisetasche durch halb Deutschland bis ins Ruhrgebiet gereist, um ein paar Wochen bei seinen Eltern zu verbringen. Als er dort die Tasche öffnete, wusste er, warum er sich beim Tragen fast einen Bruch gehoben hatte. Seine WG-Mitbewohner hatten ihm aus Spaß aus der Gemeinschaftsküche heimlich die schwere Nudelmaschine eingepackt. Ihr eigener Scherz ließ seinen Mitbewohnern vor Freude die Tränen laufen. Er hatte mit sich herumgeschleppt, was er partout auf seiner Sommerreise nicht gebrauchen konnte. Ein extravagantes Küchengerät.

Weniger witzig, aber umso bemerkenswerter: Wir alle schleppen unnötige Dinge durchs Leben, die uns Kraft und Zeit kosten, ohne den geringsten Nutzwert zu haben. Das sollten wir dringend ändern. Stetig und schnell.

Was ist demnach besser: Der perfekt aufgeräumte Schreibtisch oder der Wust an Akten, die sich fast bis zur Decke türmen? Sie werden jetzt sicher erwarten, dass ich sage: Ordnung ist das halbe Leben. Nö! Ob feinsäuberlich ins Regal sortiert oder wild gemischt auf dem Schreibtisch – solange Sie durchblicken, ist das Geschmacksache.

Worauf es aber in beiden Fällen ankommt: Trennen Sie sich radikal von dem, was Sie nicht mehr brauchen. Das heißt erstmal auch: Geben Sie zu, dass Sie einen großen Teil des ganzen Krempels nicht mehr benötigen. Gerade im systematisch aufgeräumten Aktenschrank und in der liebevoll nach Farben sortierten Sockenschublade stecken oftmals hervorragend archivierte Altlasten, die zu nichts anderem taugen, als Ihnen das ungute Gefühl zu geben: Ich weiß selbst nicht mehr, was ich da alles aufgehoben habe.

Es geht beim Ausmisten darum, das eigene Leben zu vereinfachen. Damit Sie mit gleichem Energieeinsatz schneller die Ziele erreichen, auf die es Ihnen wirklich ankommt – im Privaten und gerade auch bei Ihrer beruflichen Karriere. Sie haben dann schlicht mehr Gelegenheit und mehr Muße dazu. Zur Vereinfachung des privaten und des Berufslebens gehört es deshalb auch, alle langwierigen Aufgaben aus dem Alltag zu eliminieren, die nicht auf Ihr Vorankommen einzahlen. Konzentrieren Sie sich auf die Aufgaben, die den größten Erfolg versprechen. Mit anderen Worten: Killen Sie die Zeitverschwendung. Auch gegen alle Gewohnheiten.

Beispiel: Ihre mehrmals täglich versendeten Info-Rundmails gehen im Arbeitsalltag der Belegschaft unter und werden kaum gelesen? Stellen Sie auf einen wöchentlichen Newsletter mit einer Zusammenfassung um. Das spart Zeit für anderes, sorgt für eine breitere Wahrnehmung und schärft Ihr Profil als schlagkräftige Führungspersönlichkeit. Es kostet Sie jeden Wochentag täglich eine Stunde, um Ihre Kinder in die Schule zu fahren und sie abzuholen? Organisieren Sie Fahrgemeinschaften mit anderen Eltern, die sich genauso über die eigene gesparte Zeit freuen werden.

Was Sie damit tun: Sie reorganisieren sich. Und dafür sollten Sie jeden Tag bereit sein. Überprüfen Sie Ihr Leben immer mal wieder auf Ineffizienz. Das heißt ja nicht, dass Sie anschließend sofort alles mit Verve über den Haufen werfen müssen. Denken Sie einfach in Ruhe nach: Nehme ich diese Ineffizienz gerne in Kauf, weil sie mein Leben bereichert? So macht Sie ein langes Wannenbad nicht sauberer als eine schnelle Dusche. Aber wenn Sie den Sprung in die Badewanne an einem nassen Herbstabend so sehr lieben: ab in die Wanne und genießen!
Oder: Der Austausch beim spontanen Kaffee mit Kollegen am Automaten kostet Sie vielleicht zehn Minuten, die Sie gut am Schreibtisch nutzen könnten, er erspart Ihnen aber eine extra einberufene Konferenz und einige Anrufe. Wo Ineffizienz hingegen nur kostet, ohne Vorteile zu bringen, sollten Sie sie abstellen. Sofort. Dann wird Zeit frei für Wichtigeres und Schöneres.

Das schaffen Sie, wenn Sie sich trauen, alles abzulehnen, was nicht Ihren selbst gesteckten Zielen dient. Und damit sind wir beim Ausmisten. Denn zum einen ist Ausmisten eine tolle Übung, um sich diese neue schlanke Effizienz-Haltung anzutrainieren und zu lernen, alles zu hinterfragen ("Brauche ich wirklich noch, was ich jahrelang für nötig gehalten habe?“)

Und zum Anderen ist Ausmisten nun mal die einzige Methode, sich von altem Ballast zu trennen, der uns den klaren Blick aufs Wesentliche verstellt. Entdecken Sie den Spaß am radikalen Vereinfachen.

Wie ein Computer, der schneller und flüssiger arbeitet, wenn unnötig im Hintergrund mitlaufende Software gelöscht wird und Dateien vom Desktop weg verschoben werden, so geht es auch unserem Hirn. Bei weniger Auswahl kommen wir schneller zur Entscheidung. Bei weniger Aktenordnern müssen wir weniger lang suchen. Bei weniger T-Shirts in der Kommode greifen wir schneller zu. Trennen Sie sich also von allem, das Sie nicht mehr brauchen. Werfen Sie es weg, verschenken Sie es, verkaufen Sie es. Denn das heißt im Umkehrschluss: Alles, was am Ende noch da ist, macht wirklich Sinn. Und das ist doch ein ungemein befreiendes Gefühl: keine Sperenzien.

Aufräumen für den neuen Minimalismus: Was kann weg?

Aber was kann weg? Um zu verhindern, dass Sie aus reiner Sentimentalität oder aus Unsicherheit („Was, wenn ich es dann doch mal brauche?“) an Dingen festhalten, die Sie nie, nie wieder verwenden werden, versetzen Sie sich in die Rolle eines externen kühlen Beraters. Was würde der Ihnen gnadenlos um die Ohren hauen?

„Frau Meyer, in die Gelben Seiten von 2005 werden Sie doch nicht wieder reingucken, oder? Auch wenn Sie in jenem Jahr geheiratet haben.“
„Herr Müller, Sie haben in vergangenen Jahren zwar viel Geld für 47 Businesshemden ausgegeben. Aber sie tragen immer nur die zwanzig schönsten. Was schließen Sie daraus?“
„Frau Schneider, die Ordner zum Hauskauf von 1993 können weg. Das Haus gehört Ihnen seit 1998 nicht mehr.“
„Herr Schmidt, verwenden Sie wirklich das Nespresso-System, eine Cafissimo-Maschine und Senseo parallel?“
„Frau Becker, wozu drucken Sie die 30-seitige Programmvorschau eigentlich jede Woche aus und heften sie ab? Die stehen doch bis 1999 zurück alle im Intranet.“
„Herr Fischer, nutzen Sie alle 180 Apps auf Ihrem Handy wirklich?“
„Frau Bauer, warum liegen auf Ihrem Tisch eigentlich vier angebrochene Post-it-Blöcke?“
„Herr Jäger, die ganzen Handbücher auf der Fensterbank im Büro sind doch immer sofort veraltet, wenn die neue Ausgabe rauskommt. Die acht alten können weg.“

Hilfreich ist es, Prinzipien aufzustellen. Beispiel: Lesen Sie manchmal Romane mehrmals? Wenn nicht, dann können Sie alle gelesenen verschenken. Aus Prinzip. Damit Ihnen keiner vorhalten kann: Die Sammelei macht dann aber doch keinen Sinn. Behalten Sie nur die Bücher, an denen wirklich Ihr Herz hängt. Ja, Sie haben einst Geld für all das Papier investiert. Aber eine teure Urlaubsreise ist irgendwann auch vorbei. Es zählt dann die schöne Erinnerung.

Gehen Sie durch die Datei-Struktur Ihres Computers, löschen Sie Ordner der vor Jahren abgeschlossenen Projekte mit Speicherplatz raubenden Präsentationen und Grafiken und Videos. Gehen Sie durch den Fotoordner und behalten Sie von Urlauben nur die schönsten zwanzig Bilder statt hunderte. Verklappen Sie E-Mails, indem Sie etwa Abwesenheitsnotizen, uralte Newsletter und seit Monaten ungelesene E-Mails per Suchbefehl aufspüren und ein für alle Mal im Papierkorb versenken.
Verzichten Sie aber auf starre Regeln, die Ihnen das Entscheiden verbieten, wie: Was ich ein Jahr nicht mehr angezogen habe, kommt in den Altkleidersack. Sowas macht einen ja panisch. Und manchmal findet man ganz unten hinten ja alte Schätze im Schrank, die mal wieder an die Öffentlichkeit sollten. Die breiteren Krawatten kommen zum Beispiel langsam wieder. Es reicht erstmal, den Spaß zu genießen, radikal abzuwägen.

Es gibt Leute, die machen zu Hause zu zweit kleine Ausmist-Partys mit einer Flasche Sekt vorm Kleiderschrank, der Geschirrschublade oder vorm Bücherregal, für mehr „Ach komm, weg damit!“ So gesehen gesünder als Alkohol vorm Fernseher.

Und am Ende allen Ausmistens stehen vor Ihnen halbleere Regale, locker gefüllte Schubladen und Schränke. Und Sie blicken nur noch auf Dinge, die Ihnen zugute kommen. Und genauso können Sie nun weitermachen. Misten Sie unsinnige Prozesse aus, die Ihre Zeit und Energie fressen. Machen Sie Klarschiff im Tagesablauf. Hinterfragen Sie alles. Weil es Freude macht, es sich einfacher zu machen.
Ein Bekannter, damals Abteilungsleiter bei einem großen deutschen Autohersteller, hat einmal aus Frust über den Wust an unerledigter Arbeit kurzerhand sein gesamtes berufliches E-Mail-Postfach ausgeleert. Zigtausende Mails weg auf einen Schlag. Erst war er über sich selbst erschrocken. Doch dann der Effekt: „Ich hab mich einfach nur frei gefühlt. Und es ist keinem aufgefallen.“

Dem Autor auf Twitter folgen:



© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%