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Vom Teleprompter vorgetragen wirkt das gesprochene Wort häufig eben nicht abgelesen. Quelle: imago images

Reden mit dem Teleprompter: Wie würden Sie es Freunden beim Abendessen erzählen?

Der Teleprompter erlaubt uns bei wortgenauen Reden den ständigen Blick in die Kamera. Doch das geht oft auf Kosten der Authentizität. Vor allem bei zu geschliffenen Texten. Hier die Tipps von unserem Teleprompter-Profi, wie Sie komfortabel ablesen und dabei mit Nähe zum Publikum überzeugen.

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Unser Kolumnist Marcus Werner ist Fernsehmoderator und Buchautor und arbeitet als Berater für Kommunikation und Persönlichkeitsentwicklung.

Produktpräsentationen auf Messen werden abgelöst durch exklusive Video-Hochglanz-Events auf der Website des Unternehmens. Vorträge laufen über Zoom, Teams und Webex. Berater halten weniger Seminare in Konferenz-Räumen ab und erstellen stattdessen Video-Lehrgänge für ihren YouTube-Kanal. Und so wie früher nur Bundeskanzlerin und Bundespräsident das Volk im Fernsehen grüßten, informieren heute CEOs und Abteilungsleiterinnen ihre Teams per Videobotschaft im Intranet.

Die wenigsten Manager halten ihre Ansprachen aber allein mit drei Überschriften im Kopf oder sogar komplett aus dem Stegreif. Die meisten nutzen Redemanuskripte. Manche mit Stichworten, manche ausformuliert. Anders als in den USA etwa ist der Teleprompter als elektronischer Ersatz für die Zettel in der Hand hierzulande allerdings noch nicht sehr weit verbreitet – außer im Fernsehen vielleicht.

Doch mittlerweile gibt es einige Apps, mit denen wir etwa per Smartphone oder Tablet über die Selfie-Kamera Videobotschaften und ganze Reden aufzeichnen können. Während der Aufnahme lesen wir den auf dem Display automatisch durchgescrollten Redetext ab. Dass wir dabei eigentlich gar nicht ins Kamera-Objektiv blicken, sondern haarscharf an ihm vorbei auf den Text, fällt praktisch nicht auf. Zumindest dann nicht, wenn wir mehr als einen Meter Abstand zur Kamera halten.

Wer jeden Zweifel ausräumen möchte und etwas mehr Budget zur Verfügung hat, besorgt sich eine Teleprompter-Vorrichtung, bei der der Text spiegelverkehrt auf einem Display unterhalb der Videokamera auf eine um 45 Grad gekippte Glasscheibe gespiegelt wird, die vor der Kamera angebracht wird. So blickt man tatsächlich direkt ins Objektiv, während man abliest. Mit ordentlicher Beleuchtung drumherum wäre das dann schon ein richtig kleines Video-Studio. Aber dafür benötigen Sie zumindest ein Tablet für den Text und ein Smartphone für die Aufzeichnung des Videos.

Aber all die tolle Technik schafft keine Nähe zum Publikum, wenn wir durch das Vortragen der dargestellten Texte

- in einen Lesemodus-Singsang verfallen
- vor lauter Konzentration auf den Inhalt vergessen, dass uns hinter der Kamera Menschen zugucken
- uns vorab Körpergesten und Mimik vornehmen, die wir an bestimmten Textstellen wie auf Knopfdruck vorführen wollen.

Heute soll es hier um Prompter-taugliche Formulierungen gehen. Druckfertige Texte rauben uns meist unsere Authentizität. Wir wirken dann schnell förmlich, distanziert und oft sogar unfreundlich.

Ohnehin ist Reden nach Manuskript – selbst auf Papier – eine Herausforderung: Wenn wir an unseren Aufschrieben hängen, reden wir nicht mehr von dem, was uns gerade in den Kopf kommt, sondern wir geben wieder. Aber immerhin sehen die Leute ja, dass wir ablesen. Vom Teleprompter vorgetragen wirkt das gesprochene Wort aber eben nicht abgelesen. Wir blicken dem Publikum ja direkt in die Augen. Wenn wir dann aber artig geschliffene Texte rezitieren, kommt das den Betrachtern besonders befremdlich vor. Das schmälert unsere Überzeugungskraft.

Souveränes Vortragen vom Teleprompter folgt deshalb ganz eigenen Regeln.

1. Perfekter Satzbau ist etwas für den Schulaufsatz

Und jetzt möchten wir Ihnen voller Stolz und eigener Begeisterung eine unserer seit langem erwarteten Neuheiten vorstellen, von der Sie ja schon erste Bilder in den Online-Fachmedien sehen konnten. Freuen Sie sich mit uns auf die Premiere von…

Dieser Absatz ist grammatikalisch korrekt und auch ganz gut lesbar. Aber so reden wir nicht. Wenn Sie einen solchen Text vom Teleprompter ablesen, wirkt er gestelzt und damit unnahbar. Gewöhnen Sie sich Formulierungen an, die Ihnen in der zehnten Klasse jede Deutschlehrerin entsetzt rot angestrichen hätte. Etwa so:

Und jetzt kommen wir zu unserer großen Neuheit. Ja, ich weiß, da warten Sie schon die ganze Zeit drauf. Wir selber sind auch ganz stolz und begeistert, muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen. Vielleicht haben Sie erste Bilder schon online entdeckt. Aber jetzt! Hier. Die offizielle Premiere. Von…

Fragen Sie sich also nicht: Wie liest es sich gut? Sondern: Wie würde ich es Freunden beim Abendessen erzählen?

Und da fällt auf: Wir entwickeln unsere Gedanken meistens häppchenweise.

Nicht so verschachtelt: Und jetzt möchte ich, bevor ich es vergesse, euch noch von einem Erlebnis in der S-Bahn erzählen, das mich sehr beschäftigt hat. Es sei denn, ihr kennt die Geschichte schon.
Sondern Schritt für Schritt:
Ach, übrigens. Bevor ich´s vergesse: Habe ich euch schon diese Geschichte erzählt, die ich in der S-Bahn erlebt habe? Schreit, wenn ihr die schon kennt. Aber das war echt ungeheuerlich. Das treibt mich jetzt noch um.

Sie merken: kurze Sätze. Ein Aspekt nach dem anderen. „Die“ (Geschichte) wechselt zu „Das“ (Erlebnis). Einfach so. Weil wir so denken. Das Gute ist: So formulierte Texte lassen sich wunderbar locker ablesen. Und noch besser: So können Ihnen alle besser folgen. Punkt für Punkt sickern Ihre Gedanken in Kopf und Bauch Ihrer Zuhörer ein. Das macht es allen leicht zu sagen: Ja, das verstehe ich. Das finde ich auch. Dem stimme ich zu. Und das wollen wir ja. Von unserem Ziel überzeugen.

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