Unser Kolumnist Marcus Werner ist Fernsehmoderator und Buchautor und arbeitet als Berater für Kommunikation und Persönlichkeitsentwicklung.
Ich erinnere mich an einen schönen Frühsommernachmittag mit der ganzen Familie. Auf der Terrasse gab es als dritten Gang eine Platte mit diversen französischen Käsesorten. Meine kleine Nichte (3) durfte an den deftigen Stücken schnuppern. Und fragte mit der Nase über einem herrlich reifen Camembert erschrocken: „Ist das A-a-Käse?“
Das Vergnügen unter den Erwachsenen über diese entlarvende Analyse durch meine Nichte war groß und die Kleine war stolz auf ihren zufälligen Pointenvolltreffer.
Sie hatte eben den Gedanken ausgesprochen, den wir uns alle verbaten, um uns selbst nicht den Appetit zu verderben. Denn natürlich hatte meine Nichte Recht. Die olfaktorische Nähe von reifem Käse zu einer Kinderwindel war nicht wegzudiskutieren. Und diese Assoziation hatten nun alle im Kopf. Nun lässt sich meine Familie einen guten Rohmilchcamembert nicht so schnell madig reden. Doch appetitsteigernd war der Hinweis nicht.
Wenn es darum geht, andere von Camembert zu überzeugen, dann sollten Sie abheben auf die Cremigkeit und den sahnig gehaltvollen, leicht bitteren Geschmack. Das ist ja klar. Und gerade deshalb lässt sich aus dieser kleinen Familienanekdote etwas Wichtiges lernen: Ein einziges Wort kann den Ausschlag über Wohl und Wehe geben. Und wir können leicht hochrechnen, wie viele Wörter in Summe den Ausschlag geben, wenn wir eine Rede halten, die aus zigtausend Worten besteht, oder in einer Diskussion leidenschaftlich unseren Standpunkt vertreten.
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Und weil wir nicht jedes einzelne gesprochene Wort auf die Goldwaage legen können, ist es gut zu wissen: Es ist allein schon ein großer Schritt, sich die typischen, immer wiederkehrenden Marotten abzugewöhnen.
1. „Und“ statt „aber“ baut Brücken zu Ihrem Gegenüber
Ich fasse mir hier an die eigene Nase. Das Aber rutscht mir immer wieder raus, wenn ich in Live-Interviews nachhake. Ich arbeite dran. Fiktives Beispiel zum Hineindenken:
Jemand sagt: „Wir haben die Vorschriften zum Arbeitsschutz allesamt eingehalten.“
Sie fragen: „Aber wie erklären Sie sich dann den Unfall?“
Oder Sie fragen: „Und wie erklären Sie sich dann den Unfall?“
Spüren Sie den feinen Unterschied? In der mit „aber“ eingeleiteten Frage schwingt Skepsis mit. Ihr Gesprächspartner kann den Eindruck bekommen, dass Sie ihm nicht so ganz glauben, was er sagt. Oder zumindest, dass Sie eine andere Meinung vertreten als er.
In der mit „und“ eingeleiteten Frage machen Sie deutlich, dass Sie den Punkt „kein Verstoß gegen Vorschriften“ in die weiteren Überlegungen mit einpreisen. Lesen Sie es mal laut: Schon die Betonung wird ganz anders. Weniger vorwurfsvoll. So geben Sie Ihrem Gesprächspartner das Gefühl, dass Sie mit ihm gemeinsam im Gespräch vorangehen. Das Gute ist: Die Stoßrichtung Ihrer Frage bleibt dieselbe. „Wie erklären Sie sich den Unfall?“
Sie haben also die Wahl: Wollen Sie Ihr Gegenüber in die Enge treiben oder es weiter öffnen? Das Aber bildet Lager (das in Streitgesprächen mit konträren Meinungen zur Abgrenzung ja auch gewollt sein kann), das Und baut Brücken. Probieren Sie es in Konferenzen, in denen die Stimmung zu kippen droht, einmal bewusst aus:
„Und wie willst du das umsetzen?“ statt „Aber wie willst du das umsetzen?“
„Und in welchem Zeitraum?“ statt „Aber in welchem Zeitraum?“
Und statt aber. Das gilt auch bei Monologen, also etwa dann, wenn Sie eine Rede halten.
Oben hatte ich nach dem Hinweis, Camembert besser als cremig und so weiter zu beschreiben, formuliert: „Das ist ja klar. Und gerade deshalb lässt sich aus dieser kleinen Familienanekdote etwas Wichtiges lernen.“
Mit „und“ statt „aber“ ergibt sich das Aha-Erlebnis ohne Zweifel aus der Einfachheit des Beispiels.
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2. Verwandeln Sie Angstmacher zu Mutmachern
„Du bist, was du denkst.“ Dieser Satz ist fast schon so etwas wie der Leitspruch der Sprachhygieniker. Und es ist ja etwas dran: Wenn wir uns gewisse Gedanken angewöhnen, werden wir anders. Wir ticken dann anders.
Denken Sie jeden Morgen routinemäßig beim Zähneputzen: „und wieder so ein Misttag“, dann müssten Sie zu Ihrem eigenen Wohl im Laufe des Tages umdenken. Das kostet Denkenergie, die wir uns unterbewusst gerne sparen. Starten Sie den Tag hingegen mit „Ich freue mich heute auf die schönen Momente des Tages“, dann haben Sie die Tür zu mehr Ausgeglichenheit aufgestoßen.
Diese Erkenntnis ist auch in der Rhetorik Gold wert. Setzen Sie Ihren Zuhörern gar nicht erst die Runterzieher in den Kopf. Sicher kennen Sie Leitsprüche wie: „Sag nicht Problem. Sag Herausforderung“. Und es stimmt wirklich: Sie „stehen“ eben vor einem Problem oder sind mit ihm „konfrontiert“. Werden Sie hingegen herausgefordert, dann weckt das Ihre Kräfte, Sie werden angetrieben. Wie beim sportlichen Wettkampf. Und der macht Spaß. Machen Sie Angstmacher zu Mutmachern. Überall dort, wo Formulierungen dazu geeignet sind, Energie abzuwürgen, Skepsis zu schüren oder sogar Ablehnung hervorzurufen, suchen Sie Begriffe, die Perspektiven eröffnen.
Sagen Sie statt Problem also besser Herausforderung, Hürde (über die man springen kann) oder von mir aus auch Baustelle (an der etwas tolles Neues entsteht).
„Streit“ klingt nach nervenaufreibender Zeitverschwendung. „Meinungsverschiedenheit“ hingegen klingt nach Austausch von Argumenten, an dem beide Seiten wachsen können.
„Bislang haben wir allerdings noch keine Ahnung, wie wir das schaffen sollen“ klingt beinahe aussichtslos. „Wir arbeiten noch an einem Plan, wie wir das schaffen können“, verströmt bei selbst Aussage Zuversicht.
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass das klappt“ vermittelt dem anderen Ablehnung des Ganzen. „Ich lasse mich gerne davon überzeugen, dass das klappt“ macht deutlich, dass auch der Skeptiker den Erfolg möchte und doch noch für möglich hält.
Es geht hier übrigens auf keinen Fall darum, die traurige Wahrheit mit billigen Tricks schönzureden, sondern darum, Optionen anzuerkennen, die die Situation verbessern können. Das macht Mut. Und mit mehr Mut geht alles besser.
3. Harte Kante statt Weichmacher
„Das würde ich eigentlich vielleicht manchmal ein bisschen so tun wollen.“ Weichmacher werden als sympathisch wahrgenommen (etwa als Ausdruck von Bescheidenheit), allerdings gleichzeitig auch als unentschlossen und damit wenig überzeugend. Doch es geht Ihnen ja nicht darum, dass alle Sie zuckersüß finden, sondern dass alle Ihnen zustimmen.
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Also: keine falsche Bescheidenheit! Keine Weichmacher, wenn Sie überzeugen wollen.
„Ich finde, im Grunde wir haben da eigentlich ein ziemlich gutes Produkt hinbekommen.“ versus: „Ich sage euch: Das Ding ist wird abgehen wie eine Rakete.“
Weichmacher sind nur dort sinnvoll, wo Sie Dampf rausnehmen wollen, etwa wenn Sie der Gegenseite entgegenkommen wollen, indem Sie Ihre Position aufweichen: „Eigentlich hast du ja recht. Ein bisschen wäre vielleicht schon okay.“ Hier ein paar Beispiele für Weichmacher, die Sie ausbremsen:
a. Abschwächungen: vielleicht, ziemlich, eigentlich, im Prinzip, relativ, ein bisschen, manchmal, eventuell, möglicherweise, unter Umständen, normalerweise
Damit machen Sie deutlich, dass Ihr Standpunkt wackelt.
b. Konjunktiv: ich hätte den Vorschlag, wir könnten, ich würde das gerne wollen, das fände ich ganz gut. Besser einfach weglassen.
Sie machen Ihren Standpunkt also von Eventualitäten abhängig. Klingt höflich, aber auch zögerlich. Sagen Sie besser: Ich schlage vor. Wir können. Ich möchte. Ich finde das gut.
c. Negierungen: gar nicht mal so schlecht, nicht unklug, kein Anlass zur Sorge
Damit setzen Sie den Leuten entweder Begriffe in den Kopf, die negativ besetzt sind („schlecht“, „Sorge") oder drehen durch doppelte Verneinungen Umwege im Kopf, die Sie Schlagkraft kosten („nicht unklug“).
Sagen Sie besser: „Richtig gut“, „schlau“ und „Da kannst du ganz optimistisch sein!“
Seien Sie das auch. Und bitten Sie Ihr Umfeld um Unterstützung beim Wandel: „Sag mir bitte, wenn ich wieder eigentlich sage.“
Und statt aber. Angstmacher zu Mutmachern. Und harte Kante statt Weichmachern. Der Dreierpack für Ihre neue Rhetorikhygiene. Viel Erfolg!
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