Karriereleiter
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) spricht mit der Belegschaft der PCK Raffinerie vor dem Hintergrund des geplanten Öl-Embargos der EU gegen Russland. Rhetorisch kann man von Habeck viel lernen. Quelle: dpa

Rhetorik: So reden Sie mehr wie Habeck (und weniger wie Scholz)

Überzeugen lernen vom Vizekanzler. Während der Bundeskanzler mit seinen rhetorischen Ausflüchten seine Zuhörer oft unbefriedigt zurücklässt, gelingt es Habeck, selbst in heiklen Situationen zu punkten. Adaptieren Sie einfach seine Methoden. Ein paar Tipps. Eine Kolumne.

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Unser Kolumnist Marcus Werner ist Fernsehmoderator und Buchautor und arbeitet als Berater für Kommunikation und Persönlichkeitsentwicklung.

Wenn Sie diese Kolumne ab und an (oder am liebsten ja sogar regelmäßig) lesen, dann wissen Sie vielleicht, dass ich folgender Meinung bin:
Die Qualität einer Antwort misst sich aus Sicht des Gefragten nicht an der Erwartungshaltung des Fragestellers, sondern am eigenen Ziel.
Der Knackpunkt lautet also immer: Was wollen Sie mit Ihrer Antwort erreichen?

Nehmen wir das Arbeitsleben: Manchmal wollen Sie im Team mit Wissen punkten, manchmal wollen Sie sich aus der Verantwortung stehlen, manchmal Fehler klein reden, manchmal Erfolge loben, auf Veränderungen vorbereiten, von Ideen überzeugen, andere in Schutz nehmen und so weiter.
Der Aspekt, den Fragesteller zu befriedigen, ist dabei kein Selbstzweck, sondern höchstens Mittel zum Zweck, dass die Adressaten sagen: „Stimmt. Überzeugt mich“.

Werden Sie also etwa in einer großen Videokonferenz in Ihrem Unternehmen mit der Frage konfrontiert: „Sagen Sie mal, können Sie bei den Zuständen in Ihrem Bereich eigentlich noch gut schlafen?“, ist die nächstliegende Antwort „Ja!“ nicht unbedingt die beste in Ihrem Sinne. Eine dezidierte Antwort auf diese Ja/Nein-Frage wäre hier sicher der bessere Weg.

Scholz hat allerdings zum obersten Stilmittel erkoren, den Gegenstand der Fragen durch Journalistinnen und Journalisten regelmäßig ganz nach eigenem Geschmack in seinen Antworten aufzugreifen oder links liegen zu lassen - mit klarem Hang zum Liegenlassen. Mit diesem rhetorischen Trick ist es allerdings so wie mit Rotwein. Ab und an ist gut - aber bitte nicht nur.
Denn mittlerweile hat sich in der Gesellschaft herumgesprochen, dass genau dieser Scholz-Stil einen überwiegend unbefriedigt zurücklässt. Mit dem Eindruck, dass hier jemand
1. überheblich über das Informationsbedürfnis der Fragesteller (im Namen der Öffentlichkeit) hinweg geht
2. sich nicht traut, klare Positionen und Ziele zu vertreten und
3. (und das ist das rhetorisch Schlimmste) den Fragestellern die Wahrheit nicht zumuten möchte.

So entsteht der Eindruck, dass sich Scholz Transparenz nicht leisten kann. Und das macht ihn für viele suspekt. Auf die Frage: „Was will er?“ und: „Kann ich ihm wirklich vertrauen?“ finden die Menschen für sich folglich keine klare Antwort.

Was kann der Kanzler also von seinem Vize lernen? Und was können letztendlich alle von Robert Habeck lernen, die sich vor Publikum zu ihrem Tun oder ihren Standpunkten verhalten sollen, etwa in Präsentationen, Vorträgen oder Podiumsdiskussionen?

A. Gegenposition anerkennen - und dann erst abschmettern

Scholz hat diese Woche bei RTL dazu Stellung bezogen, warum er nicht nach Kiew reist, anders als andere Staatschefs. Seine Antwort: „Ich werde mich nicht einreihen in eine Reihe von Leuten, die für einen Fototermin rein- und rausgehen.“

Ein klarer Standpunkt, das ja. Allerdings lässt er hier am Vorgehen seiner Kolleginnen und Kollegen kein gutes Haar. Fototermin im Kriegsgebiet - das klingt nach Effekthascherei und damit abwertend.

Wie hätten Sie im Habeck-Stil antworten können? Das sehen wir, wenn wir uns seine Antworten auf Forderungen etwa nach einem sofortigen Gasembargo ansehen: Die Ukraine formuliert gegenüber Deutschland da ja klare Forderungen. Robert Habeck antwortet in diesen Zusammenhängen zunächst sinngemäß: „Wenn ich Ukrainer wäre, wenn ich erleben würde, wie mein eigenes Land im Krieg versinkt, dann würde ich genau solche Forderungen formulieren, wie die Ukraine es tut.“

Heißt: Der Standpunkt der Anderen ist für ihn verständlich. Mit so etwas ernten wir Sympathien. Weil wir die Meinung der Gegenseite als nachvollziehbar anerkennen.

Dass es nicht bedeutet, den Standpunkt als richtig anzuerkennen, kommt erst im zweiten Teil, wenn es in etwa heißt: „Aber wir müssen ein solches Gasembargo ja auch über den nächsten Winter durchhalten.“ Mit anderen Worten: Die Forderung der Gegenseite ist unrealistisch. Weil der Schaden mindestens für die deutsche Gesellschaft zu hoch wäre.

Undiplomatisch könnte man formulieren: Die Forderung der Anderen wäre ganz in deren Sinne, berücksichtigt aber nicht die Interessen beider Seiten.
Habeck-Stil ist, sich in die andere Seite hineinzuversetzen, um dann dafür um Verständnis zu bitten, dass sich die Situation objektiv ganz anders darstellt. Tenor: „Dein Standpunkt ist verständlich, aber richtig ist meiner.“

Tipp: Nehmen Sie sich also durchaus Zeit, den Standpunkt der Gegenseite zu würdigen. Nicht aus Heuchelei, sondern aus ehrlichem Respekt. Dadurch gewinnen Sie Zuneigung, die Sie benötigen, um mit Ihrem vielleicht sogar unpopuläreren Standpunkt durchzudringen.

B. offen mit innerer Zerrissenheit umgehen

Viele glauben: Der eigene Standpunkt wirkt dann besonders überzeugend, wenn man selber keine Zweifel an dessen unumstößlicher Richtigkeit aufkommen lässt: „Brenne für deine Meinung!“
Dazu gehört irgendwie auch die von Angela Merkel geprägten Kategorie der „alternativlosen“ Standpunkte. Andere Meinungen kann es da demnach nicht geben.

Lassen Sie uns allerdings wie Habeck an Ihren eigenen Überlegungen teilhaben, die am Ende zu Ihrer Entscheidung geführt haben, dann sorgt diese Transparenz für Vertrauen in Ihren Sachverstand.

Beispiel: Warum ist es für den Grünen Habeck in Zeiten des Klimawandels akzeptabel, statt russischem Gas künftig Gas aus Katar zu importieren? Antwort: „Wir ziehen mit unserem täglichen Handeln eine Spur der Verwüstung durch die Erde.“ Und weiter: „Was immer wir tun, hat Konsequenzen. Wir sind keine Engel. Aber wir können versuchen, die Konsequenzen ein bisschen weniger schlimm zu machen. Und da ist aus meiner Sicht der Besuch in Katar ein bisschen weniger schlimm, weil er uns befreit von dem Gas von Putin, der ein Land überfällt.“

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