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Rhetorik: Souverän reagieren bei Witzen auf Ihre Kosten

„Liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Uwe...“ Gags auf Kosten anderer können wehtun und entgleiten auch mal Richtung Mobbing. Aber wer jetzt genial reagiert, punktet sogar und geht als Sieger vom Platz. Hier ein paar Tipps für alle Fälle.

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Unser Kolumnist Marcus Werner ist Fernsehmoderator und Buchautor und arbeitet als Berater für Kommunikation und Persönlichkeitsentwicklung.

„Dass das Produkt so wenig verkauft wurde, ist doch eigentlich ein Erfolg. So haben nur wenige Kunden gemerkt, wie schlecht es ist.“

Humor bei der Arbeit macht alle erfolgreicher. Wer etwa Niederlagen mit Galgenhumor sieht, übersteht sie besser. Mit Scherzen kann es wunderbar einfach gelingen, hitzige Diskussionen wie mit einer erfrischenden Dusche abzukühlen: „Leute, da draußen rast gerade ein Komet auf die Erde zu! Versöhnt euch! Schnell.“

Auch Kritik lässt sich mit Humor abfedern: „Beschmeiß mich bitte nicht mit den Keksen, wenn ich jetzt sage: Ich glaube, du bleibst hier unter deinen Möglichkeiten.“ So zeigen wir: Ich bin mir der unangenehmen Situation bewusst, die ich jetzt für dich schaffen werde, und sorge deshalb unserem guten Verhältnis zu liebe für Lockerheit.

ABER: Scherze können auch eine brutale Angriffswaffen sein. Sie sind deshalb so besonders vernichtend, weil sie sich tarnen als „nicht so gemeint“. Darauf cool zu reagieren, ist oft schwer. Zumal es ja meist schnell gehen muss. Ein Scherz auf unsere Kosten vor Publikum macht es sogar noch komplizierter. Denn wie schon den Angriff nimmt das Publikum auch die Gegenreaktion aufmerksam wahr - mit dem Wohlgefühl, selbst nicht in der Schusslinie zu stehen.

1. Der Scherz soll treffen: Jetzt humorvoll zurückkeilen

Eine gute Pointe kann Millionen Menschen zum Lachen bringen. Gibt es allerdings ein „Opfer“ der Pointe auf offener Bühne, muss dieses nun reagieren. Politiker oder Prominente aus Wirtschaft, Show oder Sport werden professionell beraten, damit umzugehen. Wer es beherrscht, diese Scherze auszuhalten, schläft selbst als Bundeskanzlerin gut.

Aber im Arbeitsalltag trifft es viele von uns wie eine Ohrfeige. Eine brutal einschlagende Pointe auf unsere Kosten. Jetzt gilt es, Haltung zu zeigen. Am elegantesten ist das gekonnte Noch-einen-Draufsetzen. Damit das gelingen kann, brauchen wir zunächst die richtige Grundhaltung: „Den Schlagabtausch mache ich gerne mit.“ Erkennen wir sportlich an: Die Vorlage ist nicht schlecht. Dann die Überlegung: Wie toppe ich das noch?

Bekanntes Beispiel: „Wenn ich Ihre Frau wäre, würde ich Ihnen Gift in den Tee mischen.“

„Wenn Sie meine Frau wären, würde ich ihn trinken.“

Wie gelingt dieser Konter? Indem wir mitspielen. Das Gegenteil davon wäre, die Provokation abzuwehren: „Was soll das denn? Können wir bitte mal ernst bleiben hier?“ Das geht eher unter vier Augen, wirkt auf Publikum aber schnell beleidigt.

Nächster Versuch: „Wenn ich in Ihrer Firma arbeiten würde, würde ich durchs geschlossene Fenster aus dem zehnten Stock springen.“ Stellen Sie sich die Situation real vor. Und? Was kommt Ihnen in den Sinn? Ich habe da das splitternde Glas vor Augen. Und mir fällt ein: „Oh, bitte, machen Sie das Fenster vorher auf.“

Oder: „Da knallen Sie doch gegen die Scheibe und fallen vor die Heizung.“

Oder (gleiches Prinzip wie oben mit dem Tee): „Wenn Sie hier arbeiten, springen alle anderen.“

Diese Konter verlangen vom Zuhörer immer ein kurzes Weiterdenken. Warum soll er das Fenster vorher aufmachen? Weil es schlimmer ist, dass das Glas kaputt geht, als dass er sich durch den Sturz verletzt. Warum fällt er vor die Heizung? Weil er offenbar ein dünnes Hemd ist.

Warum sprängen alle anderen? Aus dem gleichen Grund, aus dem der Mann den vergifteten Tee trinken würde: Weil der Angreifer einen wahnsinnig macht.

Ohne das Weiterdenken allerdings wird es plump und uncharmant: „Springen Sie doch. Ist mir doch egal.“ Das wäre zwar wohl ironisch. Aber nicht witzig.

Die sportliche Denkweise ist Trainingssache. Wer das gut kann, macht gerade im Rhetorik-Kampf auf der Bühne, etwa bei Podiumsdiskussionen, eine gute Figur.

Und machen Sie klar, dass Sie Spaß am Spaß haben. Lachen Sie, zwinkern Sie. Alles nur ein Spiel. Ein Spiel, das Sie gerade gewonnen haben.

Scherz oder getarnter Ausgrenzungsversuche?

2. Der Witz kommt gut an, kränkt uns aber

Vor Zuhörern müssen wir in Sekunden entscheiden, wann es eine gute Idee ist, aus persönlicher Befindlichkeit zurückzuschlagen. Denn wenn ein Witz für Außenstehende charmant wirkt, dann könnte eine persönliche Kränkung, von der keiner etwas ahnt, uns selbst ins Aus manövrieren.

Beispiel: eine Diskussion unter Kolleginnen und Kollegen über Kinder oder Karriere oder beides? Und da sagte einer, nennen wir ihn Daniel, vor versammelter Mannschaft: „Katja hat sich ja offenbar entschieden: weder Kinder, noch Karriere“. Dieser Gag wäre eigentlich ganz gelungen gewesen, war doch für alle offensichtlich, dass Katja eine beachtliche Karriere hingelegt hatte, so dass der Spruch nur anerkennend ironisch gemeint gewesen sein konnte.

Was aber keiner wusste: Katja hätte sehr wohl gerne Kinder gehabt, es war ihr aber nie vergönnt gewesen. Daniels Spruch traf sie ins Mark. Sollte sie nun mitlachen oder ihrem Entsetzen freien Lauf lassen?

Mein Tipp: Immer dann, wenn andere Scherze reißen, die harmlos sein sollen, aber unsere wunden Punkte treffen, ohne dass dies jemand ahnt, gilt: Machen wir uns klar, dass der andere es nicht böse meint. Dies hilft bei der Entscheidung, ob es angebracht ist, den eigenen wunden Punkt aufzudecken.

Grundsätzlich spricht nichts gegen Offenheit und Ehrlichkeit. Aber wer im Hinterkopf hat, dass hier kein Grund für Empörung ist, weil es nur gut gemeint war, hat mehr Gelassenheit, um den richtigen Zeitpunkt auszuwählen, sich den Kollegen zu öffnen.

Nun könnte man sagen: Witze über Kinderlosigkeit sind immer ein großes Potenzial für Fettnäpfchen. Ok, das mag sein. Das Gleiche gilt für nette Witze übers Aussehen, Alter, Ausdrucksweisen. Gerade Akzente werden von Außenstehenden oft als unverwechselbar charmant wahrgenommen, da liegen kleine nett gemeinte Parodien nah. Wer mit Akzent spricht, hört es aber oft nicht gern, dass er mit seiner Art zu reden irgendwie Außenseiter ist.

„Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, lieber Uwe…“ Einfach nur mal so ein Gag? Schmeißen wir unser extrafeines Mobbing-Radar an: All diese Scherze können auch getarnte Ausgrenzungsversuche sein. Im Zweifel unter vier Augen ansprechen. Und sich den Rat von befreundeten Kollegen einholen.

3. Der finale Rettungsschuss: Ironisches ernst nehmen

Am Anfang ging es noch darum, den Schlagabtausch mit Spaß am Witz mitzumachen. Es gibt allerdings Leute, die sich bewusst so ausdrücken, dass wir uns nicht sicher sein können: Meint der oder die das jetzt ernst oder ist das übertrieben oder ironisch gemeint. Das verunsichert, weil es passieren kann, dass man sich in der Interpretation für die falsche Ebene entscheidet und dem Anderen damit auf den Leim geht.

„Ihr Konzept ist ja so lang, da muss man sich ja einen Tag freinehmen, um es zu lesen.“



„Oh. Tut mir leid, wenn Sie das viel Zeit gekostet hat.“

„Nein, nein, Quatsch, war ein Witz. Alles gut.“

Ja, was denn jetzt? Das Gegenteil von der Wahrheit zu sagen, ist keine Kunst. Die Masche ist billig, führt aber zu Verwirrung. Und weil der Andere ja angeblich zum Scherzen aufgelegt ist, kann man kaum etwas dagegen sagen. Sonst ist man schließlich ein Spielverderber. Oder? Vielleicht ja, aber Sie verderben das unfaire Spiel ja völlig zu recht. Achten Sie darauf, ob Ihr Gegenüber diese Ironie-Verunsicherungs-Taktik häufiger fährt. Viele tun dies aus eigener Verunsicherung. Auch unbewusst. Wer sich so ausdrückt, dass man das Gesagte nicht so richtig greifen kann, ist obenauf. Aber nicht mit uns:

„Oh, ist das kalt hier drin.“

„Finden Sie? Ich finde es angenehm warm.“

„War ironisch. Es ist fast zu warm. Machen Sie sich keine Sorgen.“

„Ach, das sollte witzig sein. Wenn Sie wollen, mache ich zur Abkühlung auch kurz die Fenster auf. Sagen Sie einfach ehrlich, wie Sie es gerne möchten.“

Die rote Linie

4. Rote Linie: Die völlige Entgleisung

Klare Kante braucht es natürlich bei klar rassistischen, misogynen oder genderphoben Gemeinheiten. Hier lässt sich schnell kurzer Prozess machen: „Achtung, Achtung. Der kleine Thomas möchte gerne aus dem Mittelalter abgeholt werden.“

So zeigen Sie: Der Angreifer hat sich gerade selber „klein“ gemacht und spricht hier nicht auf Augenhöhe mit.

Sind offensichtlich die Grenzen des Respekts gerissen, verlassen Sie die Ebene des Scherzes: „Ich verbitte mir hier solche als Witz getarnten Herabwürdigungen.“

Tipp: Machen Sie sich vorab einmal allgemeingültig klar, wo generell Ihre roten Linien sind. Dann können Sie sofort ohne zu zögern robust reagieren. Die Außenstehenden werden Ihre Entschlossenheit anerkennen.


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5. Der Witz für alle Fälle

Bei Vorstellungsgesprächen kommt es manchmal vor, dass Bewerber gebeten werden, ihren Lieblingswitz zu erzählen. Das ist zwar abgeschmackt, aber wer dann sagt: „ich hab keinen“, enttäuscht. Halten Sie am besten für alle Fällen Ihren Witz bereit und üben Sie, den gut zu erzählen. Er sollte vor allem dem Zuhörer gefallen. Und nicht zu lang und nicht kompliziert. Wie finden Sie den:

Zwei ältere Pärchen treffen sich zum Kaffee. Die zwei Damen sitzen irgendwann gemütlich am Esstisch, die Herren plaudern zu zweit auf dem Sofa: „Wir waren neulich sehr lecker essen.“

„Ja, wo denn?“

„Ach, wie hieß nochmal der Laden? Mensch, ich komme nicht drauf. Wie nennt man nochmal die Blume mit den feinen roten Blütenblättern?“

„Nelke?“

„Nein, die mit den Stacheln.“

„Rose.“

„Ach ja“, er dreht sich zum Esstisch: „Rose, wie hieß noch mal dieses eine Restaurant da neulich?“

Da kennen Sie bessere? Nur zu.

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