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So entwaffnen Sie charmant die leisen Nörgler

Sie machen im Meeting großartige Vorschläge, aber irgendjemand mault kaum hörbar aus irgendeiner Ecke? Sie halten einen Vortrag und jemand aus dem Publikum stört? So behalten Sie die Kontrolle.

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Unser Kolumnist Marcus Werner ist Fernsehmoderator und Buchautor und arbeitet als Berater für Kommunikation und Persönlichkeitsentwicklung. Dieser Kolumnenbeitrag erschien erstmals im Juli 2019.

Stellen Sie sich vor, in einer Event-Agentur schlägt Daniel (43), der „Teamleiter Topkunden“, der versammelten Mannschaft von zwölf Leuten vor:
„Was haltet ihr davon, wenn wir statt der traditionellen zentralen Kontaktpflege-Veranstaltung im Spätsommer mit mehreren Kunden hier bei uns lieber kleinere Runden vor Ort mit jedem Kunden einzeln absolvieren?“
Und während Daniel über Budgets, Zeitrahmen und das sonstige Für und Wider philosophiert, sitzt Gunnar (37), „Teamleiter Neukundenakquise“, tief versunken im Freischwinger hinten am Konferenztisch, klickert mit dem Kugelschreiber, zieht konsterniert die Augenbrauen hoch und raunt kaum bis vorne hörbar Dinge wie: „Nä... Quatsch... Wieso das denn? ... Bitte nicht... Oje...“

Was würden Sie an Daniels Stelle tun?

Oder: Franziska (57) hält vor rund 120 Leuten einen Vortrag zum Thema „Schulessen. Preiswert, lecker, gesund, selbstgemacht“. Und während sie davon schwärmt, dass sich moderne Schulkantinen ohne die Bindung an große Caterer viel effizienter organisieren lassen, hört sie irgendwo links im Publikum ein Geraune und anschließendes Gelächter von rund sechs Leuten. Danach kommt es immer wieder zu Gemurmel, Gekicher und am Ende ruft einer von irgendwo rein: „Schöne Worte. Alles viel zu teuer!“ Danach ist das Publikum nur noch unruhiger.

Was sollte Franziska Ihrer Meinung nach machen?

Klammheimliches Gemaule. Das ist die Art des Widerstands derer,

1. die sich nicht trauen, klar eine Gegenmeinung zu vertreten,
2. denen es nichts wert ist, mit ihrer Gegenrede richtig in die Offensive zu gehen,
3. die nicht als Kritiker dastehen wollen.

Das zu wissen, ist wichtig, denn es macht uns klar: Lassen wir das Gemaule links liegen, ist in vielen Fällen nicht mit noch größerem Widerstand zu rechnen. Die Mauler halten danach fürs Erste oftmals einfach still. Also einfach anonym und klammheimlich maulen lassen und weiter im Text?

A. Genörgel ignorieren oder aufgreifen?

Natürlich haben die leisen Mauler ja nicht per se inhaltlich Unrecht. Andererseits ist die Frage: Wollen Sie ganz persönlich an dieser Stelle der Gegenmeinung eine Bühne verschaffen? Das hängt ganz von Ihrer Zielsetzung ab. So, wie auf einer Pressekonferenz manchmal Nachfragen erlaubt sind und manchmal nicht. Wenn nämlich kritische Nachfragen den Effekt des Statements ruinieren würden. Danke und weg. Nicht elegant, weil sehr durchsichtig, aber effektiv.

Die Kunst ist es, während des eigenen Vortrags im Team oder vor Publikum schnell – und vor allem im Sinne Ihrer Sache richtig – zu entscheiden: ignorieren oder aufgreifen?

Sind Sie etwa als Teamleiter wie Daniel daran interessiert, sich von den Meinungen der anderen inspirieren zu lassen oder wollen Sie eine Lösung erarbeiten, die von allen Kollegen mitgetragen wird, dann fällt die Entscheidung leicht. Nörgeln aufgreifen ist hier Programm, denn dann ist getuscheltes Unbehagen womöglich ein wichtiger Hinweis auf wertvolle Gegenargumente. Hier dürfen Sie Ihr Gesicht mit Neugier in den Gegenwind halten. Stellen Sie den Nörgler zur Rede: „Gunnar, was gibt es da zu maulen? Sprich doch bitte einfach lauter, dann können wir es alle hören.“

Reißen Sie die leisen Nörgler also aus ihrer komfortablen Meckerecke. Wer sich anfangs nicht getraut hat, ist nun gezwungen, Farbe zu bekennen. Wer nur beiläufig etwas stänkern wollte, auch. Und wer einfach nur nicht als Kritiker darstellen wollte, hat nun den Freibrief zum Gegenschlag: „Sorry, ihr habt mich gefragt, ich sage meine Meinung.“

Leider ist es mit dem klammheimlichen Dazwischenmaulen und Nörgeln ganz anders, wenn Sie darauf angewiesen sind, dass Ihnen die anderen an den Lippen kleben. Etwa, wenn Sie bei einem Seminar ein klares Ziel vor Augen haben, Ihre Zuhörerschaft mit einem emotionalen Vortrag von Ihrer Position überzeugen wollen oder in einer Podiumsdiskussion klare Kante zeigen sollen.

Darauf achten Personaler im Vorstellungsgespräch
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Wieso Stress eigentlich etwas Gutes ist und warum wir am Bauchumfang ablesen können, wie viel Stress jemand hat. Quelle: imago images
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Hier wird Nörgeln aus der Meckerecke zur echten Gefahr für Ihren Erfolg.

Beispiel: Ein einzelner Seminarteilnehmer lehnt fundamentale Grundideen Ihres Programms ab.

Ich habe das mal erlebt. In einem Kommunikationsseminar verschränkte der älteste Teilnehmer, nennen wir ihn Dirk (geschätztes Alter: 58), nach einiger Zeit die Arme und ließ sich nach hinten fallen. Unterschwellige Aussage: Ich mache nicht mehr mit.

Die jüngeren Teilnehmer (alle so zwischen Mitte 20 und Ende 30) waren hingegen Feuer und Flamme und freuten sich auf die von mir angeregten neuen Möglichkeiten in der künftigen Arbeit. Je mehr die Gruppe Zustimmung signalisierte, desto mehr hielt Dirk mit seinen Körpersignalen gegen: Kopfschütteln, Stöhnen, Abwinken. Irgendwann raunte er: „Das kriegen wir im Unternehmen nicht durch.“ Das Totschlag-Argument in jedem Seminar hatte nun wohl jeder in der Runde gehört: Das wird in der Praxis nicht klappen. Nun war Dirk aber der alte Hase und Abteilungsleiter. Er hatte die Macht, aus meinem Seminar die Luft rauszulassen.

Was also tun? Grundsätzlich finde ich: Stilles Nörgeln ignorieren, so lange es geht. Aber wie lange ist das?
Das hängt zum einen davon ab, wer meckert. Ist es der, der immer motzt oder der Clown im Team, der sich gerne in den Vordergrund spielt, und dessen Einwürfe daher von keinem so richtig ernst genommen werden, ist es etwas anderes, als wenn die Geschäftsführerin durch ihre Seitenhiebe ihr Missfallen kundtut. Hier zählt Fingerspitzengefühl. Heißt auch: Selbst das Gemurmel der Chefin muss nicht immer gleich in den Vordergrund gezogen werden. Vielleicht wollen die Alpha-Tiere einfach ein bisschen wahrgenommen werden.

Zum anderen hängt es davon ab, ob Sie guter Dinge sind, die Einwände zu Ihren Gunsten zu nutzen. Beispiel Kritik: „Wir kennen hier unser Unternehmen ja besser als Sie als externer Berater. Ich sage Ihnen: Das, was Sie hier erzählen, passt nicht zu unserer Philosophie.“
Antwort: „Das mag sein. Und ich freue mich, dass Sie keine praktischen Einwände haben. Denn wenn Sie merken, dass die in der Praxis nötigen Veränderungen nicht mehr zur Firmenphilosophie passen, dann biete ich Ihnen an: Lassen Sie uns gemeinsam ganz neu philosophieren.“

Zurück zum ursprünglichen Beispiel: Im besagten Kommunikationsseminar mit Dirk saßen vielleicht 20 Leute. Dirks Einwände ließen sich nicht länger ignorieren. Ich brauchte einfach seine Rückendeckung als Abteilungsleiter. Ich musste seine vor sich hin geraunten Bedenken zum großen Thema machen. Aber wie?

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