Unser Kolumnist Marcus Werner ist Fernsehmoderator und Buchautor und arbeitet als Berater für Kommunikation und Persönlichkeitsentwicklung.
Es ist so simpel wie faszinierend: Ich kann Sie fernsteuern. Sie werden gleich tun, was ich Ihnen sage. Es gibt nicht den geringsten Zweifel daran. Es geht los:
Denken Sie bitte an einen rosafarbenen Hasen.
Sie werden mir recht geben: Nicht ein einziger Leser wird sich meiner Bitte widersetzen können. Und auch Sie haben jetzt so einen albernen pinken Hoppelhasen im Kopf.
Dieser rosa Hase setzt sich jetzt eine Kochmütze auf, ergreift einen Hammer und zerschlägt damit die Frontscheibe eines randvollen Aquariums.
So einen Unsinn wollen Sie nicht denken? Sorry, dass ich Ihr Gehirn für einen Moment gekapert habe. Das Gute ist: Das kann jeder. Und wir machen es auch ständig: „Also, bei uns regnet‘s“. Und schon denkt der Gesprächspartner an schlechtes Wetter.
Letztendlich funktioniert auf diese Weise jeder gut geschriebene Roman. Aber nur geschulte und talentierte Rhetoriker feilen so geschickt an ihren Formulierungen, dass sie von den Bildern im Kopf der anderen profitieren, um sie auf diese Weise leichter vom eigenen Anliegen zu überzeugen.
Wenn dann am Ende des Vortrags die Hörer begeistert den Raum verlassen und breit grinsend den anderen vorschwärmen: „Himmel, der Vortrag war echt mitreißend“, dann sind die Leute letztendlich angetan von den faszinierenden Bildern im eigenen Kopf. Und Sie stellen sich gerade in dieser Sekunde natürlich die begeisterten Leute vor. Genau das möchte ich. Denn ich will, dass Sie davon träumen, wie diese Leute von einem Ihrer Vorträge schwärmen.
Viele Leute halten sich jedoch damit zurück, bei den Zuhörern die Phantasie wach zu kitzeln. Das liegt im Wesentlichen daran, dass
- die meisten froh sind, wenn sie ihren eigenen Vortrag hinter sich haben. Da fehlt es ihnen gerade noch, auf der emotionalen Ebene aufzudrehen. Die anderen könnten einen ja für einen Traumtänzer halten.
- Viele meinen, dass Fakten seriöser sind als Phantasien. Denn die Zuhörer sind ja schließlich nicht blöd und können sich ihren Reim auf die nackten Zahlen und Daten schon selbst machen.
Tipps für die perfekte Rede
Schon beim Betreten des Raumes oder auf dem Weg zum Rednerpult müssen Sie konzentriert sein und Ihre Sprechhaltung einnehmen. Denn die Zuhörer nehmen Sie schon wahr, bevor Sie die Bühne betreten.
Reden Sie nie ohne Plan. Auch wenn Sie sich im Thema blind auskennen – überlegen Sie sich ganz genau, wie Sie Ihren Zuhörern die Informationen vermitteln wollen.
Machen Sie sich Stichwörter auf Moderationskarten. Ein ausformulierter Text ist unübersichtlich und verführt zum monotonen Ablesen.
Verzichten Sie auf lange Handouts oder eine vollgestopfte PowerPoint-Präsentation – Folien oder Charts sollen den Vortrag unterstützen und ihn nicht überflüssig machen.
Was wollen Sie erreichen? Bauen Sie eine Beziehung zu ihrem Publikum auf und verzichten Sie auf Belehrungen von oben herab. Damit die Distanz zwischen Ihnen und Ihren Zuhörern nicht zu groß wird, sprechen Sie sie direkt an und beziehen Sie sie so in den Vortrag mit ein.
Ihre Gesten müssen das Gesagte unterstreichen und gezielt eingesetzt werden. Zu viel Bewegung kann vom Inhalt ablenken und wirkt hektisch. Symmetrische Gesten und eine geschlossene Körperhaltung, zum Beispiel verschränkte Arme, kommen beim Zuhörer nicht gut an.
„Meiner Meinung nach“, „Am Ende des Tages“, „äh“ oder „übrigens“ sind Floskeln, die Sie nicht brauchen und den Zuhörer nerven. Überlegen Sie, was Sie stattdessen sagen können, damit Sie diese Lückenfüller nicht brauchen.
Wählen Sie Ihre Formulierungen so, dass Sie deren Inhalt glaubwürdig vertreten können. Neutrale Ausdrücke können dabei helfen, falls eigenes Empfinden und Firmenpolitik auseinander fallen.
Sich über Nervosität zu ärgern oder sie verdrängen zu wollen, macht es meist noch schlimmer. Nehmen Sie ihre Nervosität hin. Häufig erhöht sie sogar die Konzentration.
Kurioses Resultat: In Powerpoint-Präsentationen, in Broschüren, auf Messeständen und in Demo-Filmchen stürzen einem dennoch die bunten Bilder nur so entgegen. Weil die Macher dafür aus vorgefertigten Hochglanz-Bildarchiven und Marketing-Schmuckgrafiken auswählen können. Um das Ganze aufzupeppen. Aufpeppen ist aber zu wenig.
Was dadurch nämlich flöten geht: die Chance, die Adressaten bei der Entwicklung von fantasievollen Wunschvorstellungen beim Mitdenken einzuspannen.
Stellen Sie sich vor, Sie sind Geschäftsführer oder Geschäftsführerin eines privaten Kinderfernsehsenders und verkünden auf der Weihnachtsfeier kurz vor Eröffnung des Büffets:
„Dieses Jahr haben wir unseren Marktanteil in der Zielgruppe zwischen 6 Uhr und 20 Uhr 15 wieder um anderthalb Prozentpunkte steigern können. Dieser Erfolg ist unser aller Erfolg. Prost und fröhliche Weihnachten.“ Dazu werfen Sie eine Powerpointfolie an die Wand, die ein Balkendiagramm zeigt und daneben ein Foto von einer Gruppe von einer Agentur gecasteter Kinder-Models, wie sie auf dem Sofa sitzen und fröhlich auf den Fernseher blicken.
Und jetzt vergleichen Sie sie das mit folgendem Vortrag:
„Stellt euch mal vor: 1,5 Prozent. Das sind tausende von Kindern in ganz Deutschland mehr. Tausende Kinder, denen es in den Fingern kribbelt, nach den Hausaufgaben endlich die Fernbedienung schnappen zu dürfen und ihr Lieblingsprogramm einzuschalten. Uns! Die gucken unser Programm. Und sind glücklich. Weil unser Programm ihren Tag schöner macht. Sie nehmen sich was zu trinken ans Sofa, wickeln sich in eine Decke, lassen heimlich den Hund auf die Couch und genießen ihre freie Zeit mit uns. Ist das nicht toll? Und das in zigtausenden Familien in diesem Land zur gleichen Zeit. Das ist unser gemeinsamer Erfolg.“
Die lebendige Vorstellung von glücklichen, dankbaren Kunden ist stärker als jedes Diagramm. Die guten Zahlen lesen sich wunderbar. Aber daran zu denken, was hinter den Zahlen steckt, ist ein unschlagbares Denkerlebnis.
Probieren Sie es aus. Trauen Sie sich, bunte Bilder in den Köpfen der anderen zu malen.
Wenn Sie etwa moderne Schließsysteme für Haustüren verkaufen: Sie könnten nur die neue Statistik zu Wohnungseinbrüchen vorlesen und dabei ein in blauem Licht gehaltenes Foto eines vermummten Mannes zu zeigen, der gerade mit dem Stemmeisen am Rollladen ansetzt. Aber schildern Sie besser das Geräusch, wenn das Fenster aufspringt, und wie bedrückend es sich für Einbruchsopfer anfühlt, wenn jemand Fremdes tief ins Innerste ihres Privatlebens vorgedrungen ist.
Bild im Kopf schlägt Bild auf Folie
Sie suchen einen Investor für Ihre geniale App-Idee? Anstatt beim Pitch allein die dekorativ aufbereiteten Ergebnisse einer Meinungsumfrage zu zeigen, die den Bedarf an Ihrer Idee belegen, schildern Sie besser zusätzlich in konkreten lebensnahen Beispielen, wie viel schöner das Leben mit Ihrer App wäre. Je näher an der Lebenswelt des Investors, desto besser: „Stellen Sie sich vor, was Sie künftig an jedem Tag zusätzlich erleben könnten, wenn Sie nie mehr im Stau stünden: …“
Und es kommt noch besser: Sie können Ihren Zuhörern Bilder in den Kopf setzen, ohne selbst zu wissen, wie die aussehen. Anstatt ein Foto irgendeiner perfekt arrangierten Geburtstagstorte auf einer Folie zu zeigen und dazu zu sagen: „Ach, der eigene Geburtstag. Als wir Kinder waren, war der noch toll“, schwärmen Sie lieber:
„Wie war das bei Ihnen damals als Kind? War das nicht wunderbar, der aufregende Moment, in dem Sie morgens an den Frühstückstisch gekommen sind? Wie sah der Kuchen aus, den Ihre Mutter für Sie immer gebacken hat? Wie hat der geschmeckt?“
So stellen sich Ihre Zuhörer den Kuchen ihrer Kindheit vor und träumen sich in die Zeit von damals hinein. Haben Sie dann gerade einhundert Zuhörer, schwirren im Raum gerade in diesem Moment einhundert Bilder von herrlichen Geburtstagskuchen in den Köpfen herum, ohne dass Sie dazu selber auch nur ein Detail wissen müssen. Ihr Foto hingegen kann immer nur irgendeine Torte zeigen.
Oder: „Stellen Sie sich jetzt bitte mal vor, wie es sich für Sie anfühlt, wenn im tiefsten Schmuddelwinter der Wecker um sechs Uhr klingelt. Schneegraupel prasselt aus der Dunkelheit ans Fenster. Was, wenn jetzt auch noch das Wasser in der Dusche nicht warm wird…?“
Dazu müssen Sie nichts wissen. Die anderen wissen es genau.
Nun gibt es auch Fälle, da schlägt ein Foto oder Film auf der Folie jede Vorstellungskraft. Nämlich dann, wenn Sie beim Zuhörer Bilder im Kopf erzeugen wollen, die aber mangels Erfahrung und Vorwissen nicht entstehen können („Sie wissen ja, wie es aussieht, wenn Hautcreme mit Bleichmittel die Bettwäsche angreift.“ - Hä? Nö. Bilder bitte.)
Natürlich zeigt Daimler Fotos von seinem neuen Mercedes EQC, anstatt zu sagen: „Stellen Sie sich jetzt bitte ein toll designtes E-Auto mit einem Stern vorne dran vor. Das ist dann unser EQC.“
Und dennoch steht Daimler - wie alle anderen Autohersteller auch - trotz toller Bilder vor einem Problem: Die meisten Menschen wissen noch nicht, wie toll es sich anfühlt, mit einem Elektroauto lautlos zu beschleunigen. Appelle an die eigene Vorstellungskraft verpuffen. Denn die durch Erfahrung inspirierten perfekten Bilder im Kopf können nicht entstehen.
3 Vorüberlegungen, bevor Sie eine Präsentation anfangen
„Nicht jedes Vortragsthema eignet sich für eine Powerpoint-Präsentation“, sagt Jeannine Halene. Alternativen seien die Programme Keynote - das Apple-Pendant zu PowerPoint - und Prezi, ein unabhängiges Präsentationsprogramm. „Manchmal empfehle ich auch ein Dialogbild als Alternative“, sagt Halene. Dialogbilder sind große Poster, auf denen zum Beispiel Organisationsabläufe visualisiert sind. „Oder warum nicht auch mal ein Film?“
Es hängt entscheidend davon ab, was eigentlich den Zuhörern vermittelt werden soll, um die geeignete Form zu wählen. Auch hier ist zu überlegen, ob eine Präsentation mit wechselnden Folien und vielen Informationen darauf das Mittel der Wahl ist. „Es ist in Unternehmen so verankert, dass Vortrag gleichzeitig heißt, eine Präsentation zu erstellen, dass gar nicht mehr darüber nachgedacht wird“, sagt die Werbefachfrau.
„Es geht nicht nur um die Präsentation an sich, es geht um den Auftritt“, sagt die Expertin. Grundsätzlich steigen die Möglichkeiten einer Präsentation, wenn der Präsentator für solche Auftritte geeignet ist. Anders ausgedrückt: Bei einem schlechten Redner hilft die beste Präsentation wenig, ein begnadeter Redner kommt im Zweifel auch ganz ohne aus. „Der eine kann super gut frei vortragen, der andere muss sich an Folien festhalten“, sagt Jeannine Halene. Sie empfiehlt, entsprechende Trainings zu absolvieren, wenn man öfter Vorträge halten muss. Ein guter Redner kann mit der Darstellungsweise seines Vortrags leichter spielen und kommt mit einem Dialogbild vermutlich leichter zurecht als ein ungeübter Redner.
Was tun? Fotos und Filme allein überzeugen ja nicht optimal. Einzige Chance: Erfahrungen ermöglichen. Deshalb integrieren die deutschen Autohersteller ihre E-Autos in die Carsharing-Flotten. Wer einmal den BMW i3 gemietet hat, weiß künftig ganz genau, was gemeint ist, wenn es etwa jemals heißen sollte: „Stellen Sie sich vor, wie es ist, mit einem Elektroauto zu starten. Und künftig geht das auch per Sprachbefehl. Das Auto erkennt Ihre Stimme.“ Jetzt kann der Adressat der Botschaft beide Erfahrungen in seiner Phantasie elegant kombinieren.
Bild im Kopf schlägt Bild auf Folie. Was sollten Sie vor Ihrer nächsten Präsentation oder Rede also konkret tun?
- Trauen Sie sich, lebendig und bildreich zu erzählen. Ihre Schilderungen sind zwar nicht in Tabellen zu pressen, sind ja aber trotzdem treffend. Setzen Sie sich über die Konventionen Ihrer Firma hinweg. Dafür brauchen Sie nur ein bisschen Mut.
- Reduzieren Sie die Anzahl der dekorativen Bilder in Ihren Präsentationen. Immer wenn Bilder Emotionen beim Betrachter auslösen sollen (und nicht Informationen vermitteln), fragen Sie sich: „Kann ich meine Zuhörer nicht viel besser mit einer kleinen Geschichte begeistern, die ich selbst erzähle?“ Und dann räumen Sie die Folie leer und fabulieren Sie.
- Berichten Sie von eigenen Erlebnissen, rufen Sie aber auch Ihre Zuhörer dazu auf, an die entsprechende Situation in deren eigenen Leben zu denken. („Ist das bei Ihnen nicht auch so?“) Die Grenze liegt dort, wo die Zuhörer keine Erfahrungen haben, um das Bild im Kopf entstehen lassen. Sonst stehen Ihnen alle Phantasien offen.
Damit steigen Ihre Chancen rapide, die Zuhörer von Ihrem Anliegen zu überzeugen. Denn wer es in seinem eigenen Kopf durchlebt, kann sich der Kraft der von Ihnen gelieferten Bilder einfach nicht entziehen. Ihre Worte sind stärker als jede bunte Folie.