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Vorsicht vor der Konsistenz-Masche!

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So kontern Sie die Konsistenz-Masche

Wer die Befürchtung hat, bei einer Abstimmung in einem Projektteam, einer Ausschusssitzung oder im Betriebsrat könnten sich einzelne Mitglieder von der vermeintlichen Mehrheitsmeinung beeinflussen lassen, kann ihnen ins Gewissen reden: „Sind Sie bereit, zu Ihrer Meinung zu stehen, selbst wenn viele andere die gegenteilige Position vertreten?“ Wer auf diese Frage innerlich bejaht, wird mit einer höheren Wahrscheinlichkeit bei der Abstimmung konsequenterweise gemäß seiner eigenen Haltung votieren.

Selbst die Frage „Wie geht es Ihnen?“ kann uns nichts ahnend in die Konsistenz-Falle tappen lassen. Antworten wir routiniert mit „Danke, gut“, war das schon die Festlegung, die uns zu konsequentem Handeln zwingt. „Wie wäre es dann, wenn Sie jetzt ein bisschen Geld spenden für Leute, denen es nicht so gut geht?“ Wollen Sie als geizig rüber kommen, wo Sie doch gerade erklärt haben, wie gut es Ihnen geht?

Ist man mit der Masche vertraut, kann man gut kontern. Dazu gehört:

1. Bei sich selber ungewollte Konsistenz-Hörigkeit erkennen und bei Bedarf abschalten. Motto: „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?“

2. Dem anderen offensiv vor den Latz knallen, dass jetzt ein widersprüchliches Verhalten folgt:

„Ich weiß, mir geht es gut und anderen geht es nicht so gut. Aber ich spende bei anderer Gelegenheit - ganz ohne schlechtes Gewissen.“

„Mir kommt es bei meinem Abstimmungsverhalten auch darauf an, Geschlossenheit mit den anderen zu demonstrieren.“

„Sie werden mich für verrückt halten, aber ich möchte trotz des guten Preises nun doch nicht kaufen.“

Ich erinnere mich, wie einmal die Zeugen Jehovas bei uns aufkreuzten, als ich als Teenager noch bei meinen Eltern wohnte. Ein älterer Mann mit einem jungen Eleven. Als ich die Tür öffnete, sagte der Alte zum Jungen so etwas wie: „Ach, guck, ein junger Mann wie du. Der sieht doch sympathisch aus. Sprich du doch mal mit ihm. - Sie sind uns doch bestimmt nicht böse, wenn mein junger Kollege ein bisschen mit Ihnen spricht?“

Seine Taktik: Würde ich einmal zusagen, wäre die spätere Abkehr von der zugesagten guten Laune wie ein Wortbruch zu verstehen. Und so viel Inkonsequenz bringen Menschen selbst Fremden an der Haustür gegenüber nicht so leicht fertig. Da ich meinerseits bereits als Teenager in meiner pubertären Trotzphase für mich zum Prinzip erklärt hatte, niemals mit Vertretern an der Haustür zu diskutieren, konterte ich: „Doch, ich werde böse.“ Und lächelte.

„Wie, Sie werden böse, wenn wir mit Ihnen reden?“

„Ja.“ Ich lächelte weiter. Sein Trick hatte versagt und hatte sich gegen ihn gewandt. Denn ich wäre ohne sein Zutun niemals auf die Idee gekommen anzudrohen, unfreundlich zu werden. So aber war das Gespräch dank der vom Taktierer selbst ins Spiel gebrachten Gereiztheit im Keim erstickt. Die beiden dackelten ab und ich war stolz.

Konsistenz macht uns für andere und uns selber berechenbar. Es kann uns aber ausbremsen. Und sobald andere unseren Konsistenz-Druck instrumentalisieren, ist es höchste Zeit, mit Leidenschaft inkonsequent zu sein. Wenn es für uns von Vorteil ist.

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