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Quelle: imago images

Überzeugender Online-Vortrag: Schiebt das Flipchart vor die Cam!

Präsentieren vor der Kamera wird zur Routine. Aber nicht alles, was Videokonferenz-Programme technisch bieten, dient dem obersten Ziel unserer Auftritte: das Publikum zu überzeugen. Erobern Sie sich die Bühne zurück.

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„Ich lege euch das mal vor“. Dieser Satz ist für mich der Satz des Jahres, wenn es um Präsentieren in Pandemie-Zeiten geht. Wenn im Videokonferenz-Programm das Icon angeklickt wird, mit dem die Rednerin oder der Redner die auf seinem Rechner parallel geöffnete Präsentation für alle Teilnehmer im Vollbild auf die Monitore werfen kann. Der Effekt: Der Redner ist nicht mehr zu sehen. Oder wenn überhaupt, dann in einem kleinen Kästchen irgendwo in der Peripherie. Er schießt sich somit im wahrsten Sinne raus.

Erinnern wir uns aber: Nichts überzeugt Zuhörer mit mehr Schlagkraft, als ein anderer Mensch, der mit Leidenschaft und guten Argumenten persönlich sein Anliegen vorträgt. In einer gelungenen Präsentation sind die Folien nur ein Hilfsmittel dafür, dem gesprochenen Wort noch mehr Anschwung zu geben. Wie etwa eine überlebensgroß abgebildete „50“, die die Zuhörer aufmerken lässt, so dass sie denken: Was soll das? Sag es mir. Sag es mir! Bis der Redner, an dessen Lippen jetzt alle hängen, sagt: „Wir liegen dieses Jahr 50 Prozent über den Umsätzen vom vergangenen.“ Aaah! Der Redner liefert die Antwort auf unsere neugierigen Fragen.

Folien sind keine Handouts und keine Redemanuskripte, sie sind nur zu einem da: den Redner dabei zu unterstützen, höchstselbst zu überzeugen. Weil wir es nun einmal besser können als Folien, Zettel und Broschüren. Wäre es anders, könnten wir uns den ganzen Aufwand sparen. Aber wir selbst sind eben unübertroffen.

Doch in den neuen Zeiten mit den Videokonferenzen machen die allermeisten jetzt verheerende Kompromisse. Dort, wo sie früher noch voller Energie in Konferenzräumen die Bühne gesucht und vor Kollegen, Kundinnen oder Partnern stehend an der Beamer-Leinwand das Wort ergriffen haben, sitzen sie heute im Bürodrehstuhl versunken mit Headset am PC und gucken schräg an der Webcam vorbei auf die eigenen Folien. Dann nehmen sie – „ich lege euch das mal vor“ – die Folien ins Vollbild und umkreisen mit dem Mauszeiger für alle sichtbar die relevanten Stellen.

Vorbei ist es da mit mitreißenden Auftritten. Die meisten Videokonferenzen sind eigentlich nichts anderes mehr, als gemeinsam Dokumente durchzugucken und einer führt. Es gibt etwa bei Microsoft Teams sogar die Funktion, dass die Zuhörer die Folien der Rednerin selber durchblättern können. Da muss nun wirklich gar keiner mehr zuhören.

Keine Frage: Es ist toll, zusammen auf Dokumente zu gucken, als wäre man in einem Raum. Gemeinsam mit den Mauszeigern auf Whiteboards zu schreiben (wenn auch oft noch etwas hakelig und krakelig), als stünde man gerade im Kreis bei einem Brainstorming. Die Funktionen sind ideal, um gemeinsam aus der Ferne wie an einem Tisch Dokumente zu wälzen: Bilanzen, Zeitpläne, Social-Media-Analysen, Budget-Planung. Aber Video-Konferenzsysteme sind nicht gut für Sie als Redner und Ihren Auftritt vor Publikum. Das gilt für eine mitreißende Präsentation genauso wie für eine Rede.

Nun könnte man einwenden: Es ist eben ein Konferenz-System und keine Fernsehshow. Stimmt. Aber die meisten nutzen nun eben diese Konferenz-Systeme zur gemeinsamen Kommunikation. Der große Livestream im Internet vor laufenden Kameras ist die Ausnahme. Weil aufwändiger, teurer – und man hat ja schon die Lizenz für die Videokonferenz-Software.

Was ich sagen will: Es ist gut, dass es die Videokonferenz-Systeme gibt. Aber es ist nicht gut, mit den üblichen dort angebotenen Tools Reden zu halten.

Raus aus der Komfortzone. Erobern Sie die Bühne zurück. Jetzt eben vor der Kamera. Sogar mit Videokonferenz-Systemen. Dafür müssen Sie nicht das ganze Haus umbauen und tagelange Seminare besuchen. Mit den folgenden Tipps kriegen Sie auch vor der Cam Ihren Verve zurück. Und vielleicht sogar noch mehr Schwung als vorher.

1. Seien Sie wieder das Zentrum der Aufmerksamkeit

Wenn Sie die Folien ins Vollbild legen, ist das immer ein Kompromiss. Zwar kann jetzt jeder alles gut lesen, aber hört Ihnen nicht mehr so gut zu. Das mag dem Publikum sogar komfortabel vorkommen. Aber es ist nicht Ihre Aufgabe, es Ihren Zuhörern bequem zu machen. Es ist Ihre Aufgabe, alle zu überzeugen. Und dazu ist es wichtig, dass es Ihnen an den Lippen klebt. Verfallen Sie nicht dem Drang, alle Infos auf die Folien zu ballern und dann zu sagen: „Hier steht ja alles. Lest es euch mal durch.“ Halten Sie die Spannung aufrecht. Eine gute Folie ist die, deren Inhalt sich dem Publikum erst erschließt, wenn Sie etwas dazu sagen. Auch, wenn Sie aus dem Off reden oder aus einem Mini-Kästchen am Rand.

2. Entschlacken Sie die Folien

In der Video-Konfi wie auch schon früher gilt: Keine Folie darf mehr Inhalt haben, als das Publikum in drei Sekunden erfassen kann. Sonst hört es Ihnen nicht mehr zu. Selbst, wenn Sie die Folien ins Vollbild nehmen: Entrümpeln, entrümpeln, entrümpeln. Knallen Sie die riesige „50“ dann eben ins Vollbild und sagen Sie, was dahintersteckt: „50 Prozent mehr Umsatz.“ Die Tabelle mit der detaillierten Aufschlüsselung können Sie später an Interessierte mailen. Während des Vortrags gilt: Knackig schlägt komplett.

Zuhörer bei der Stange halten: Bewegung hilft

3. Stehen Sie wieder auf

Es hat sich auch schon vor Corona so eingebürgert, dass wir präsentieren, indem wir vorm Laptop sitzen und die Folien weiter klicken. Muss ja schließlich einer machen. Besser wäre aber, Sie würden mit ganzem Körpereinsatz vor den anderen auftreten. Für mehr Schwung, mehr Gesten, mehr Leben – für mehr Emotionen. Wer mit der Maus in der Hand im Sitzen redet, wirkt wie halb vom Computer verschlungen. Und weniger anwesend. Das Gute ist: Sie können auch vor der Cam stehen. Wenn Sie aus kosmetischen Gründen keine Unter-Ansicht von der Schreibtisch-Kamera unten auf Ihr Gesicht in die Welt senden wollen, befestigen Sie die Cam, das Smartphone oder das Tablett an einem Schwenkarm und den wiederum an der Schreibtischplatte. So ein Ding kostet um die 20 Euro.

4. Nehmen Sie das Mikro mit

Viele Mikrophone machen auch einem Abstand von anderthalb Meter zur Schallquelle, also Ihrem Mund, mit. Ansonsten: Probieren Sie es mit einem Bluetooth-In-Ear-Headset. Die sind dezent und geben Ihnen den Freiraum, vor der Cam herumzulaufen, ohne dass der Ton absäuft. Kabelgebundene Headsets hingegen sind gut für Konferenzen, nicht für Präsentationen und Reden.

5. Kombinieren Sie Toptechnik mit Klassikern

Ein großer Nachteil von Folien im Vollbild ist: Sie als Rednerin oder Redner wirken weniger. Und da geht es nicht um gekränkte Diven-Ehre. Nein: Die Überzeugungskraft leidet.

Deshalb mein Tipp: Holen Sie die Folien einfach zu sich auf die Bühne – und wenn es nur Ihr Büro ist. Etwa, indem Sie die Präsentation auf dem Tablet in der Hand halten und die dort dargestellten Folien in die Kamera zeigen. Ja, stimmt, eine Tabelle mit den Bilanzen kann dann keiner lesen. Aber wir reden ja gerade auch nicht übers Dokumente-Wälzen. Es geht um eine schlagkräftige Rede und eine mitreißende Präsentation. Und die fetten „50“ könnte jeder vom Tablett über die Kamera ins Homeffice gesendet wunderbar erkennen. Probieren Sie es mal aus. Sofern Sie einen gewissen Abstand zur Kamera einhalten, wird sie das Bild scharf ziehen, auch wenn Sie das Tablett davor halten.

Aber es geht noch greifbarer. Haben Sie noch Ihr Flipchart da? Ziehen Sie es wieder hervor und hauchen Sie ihm neues Leben ein. Wann hat in den vergangenen Monaten schon jemand gesehen, dass der Redner vor der Kamera zum Filzstift greift und eine fette 50, knallige Tortendiagramme oder einprägsame Schlagworte mit quietschender Spitze aufs Papier bringt und mit Kraft und Spaß dick und rund umrandet?

Vergessen wir nicht: Egal ob iPhone-Präsentation, Wetterbericht oder Tagesthemen. Die Presenter stehen entweder vor Leinwänden, die ihrerseits von der Kamera erfasst werden oder zumindest in einem virtuellen Studio, in dem sie umherlaufen. Sie sind teil der Szenerie umringt von Inhalten. Nichts anderes ist das Flipchart. Mit dem Vorteil, dass der Redner Inhalte ad hoc manuell entstehen lassen kann. Mehr Identifikation geht wirklich nicht.

Legen Sie die Folien nur ins Vollbild und reduzieren Sie Ihren Einfluss aufs Gezeigte auf einen Mauszeiger, dann driften Sie weg und sind gefühlt nur noch quasselnder Teil der Betrachter.
Aber egal ob das Tablet in Ihrer Hand, mit dem Sie jeden blitzschnell erfassbaren Inhalt zeigen können, oder das Flipchart, mit dem Sie mit viel Bewegung, Einsatz und spontan agieren können: Sie verschmelzen regelrecht mit den gezeigten Inhalten. Sie werden zum Inhalt. Und können so die volle Überzeugungskraft ausspielen.

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Also: Nutzen Sie die Folien, um die von Ihnen vorgetragenen Knaller noch knalliger zu machen. Lassen Sie aber nicht die Folien alleine knallen. Reduzieren Sie die Folien auf 3-Sekunden-Erfassbarkeit. Wer Ihnen länger nicht zuhört, verliert den Anschluss.
Stehen Sie auf und bringen Sie so Bewegung ins Homeoffice Ihrer Zuhörer. Verwenden Sie ein Mikro, dass auch dann dabei ist, wenn Sie richtig schön umher laufen wollen. Lassen Sie sich nicht von den Folien aus dem Bild drängen, sondern holen Sie Ihre Visualisierungen zu sich, indem Sie Tablets zeigen oder sogar auf Flipcharts herum malen.

Und küssen Sie Ihr Publikum in aller Welt im Homeoffice wach. Damit es sagt: Ja, Sie haben mich überzeugt!

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