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Verhandlungsstrategie: So kontern Sie die Konsistenz-Masche Quelle: imago images

Vorsicht vor der Konsistenz-Masche!

Konsequentes Verhalten hat für uns viele Vorteile. Clevere Verhandlungsstrategen wissen allerdings, wie sie daraus Profit schlagen. So kontern Sie ihre Tricks.

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Unser Kolumnist Marcus Werner ist Fernsehmoderator und Buchautor und arbeitet als Berater für Kommunikation und Persönlichkeitsentwicklung.

Wenn wir auf das Verhandlungsgeschick anderer reinfallen, ist das in den seltensten Fällen Ausdruck von Dummheit. Es ist meist die Folge der Überzeugungsstärke der Anderen. Und die basiert oft auf einer cleveren Strategie: Überzeugungsmethoden nutzen aus, was wir uns an Verhaltensweisen angewöhnt haben, die im normalen Alltagsleben eine Menge Vorteile bieten.

Die hier vor kurzem von mir erläuterte Reziprozitätsregel etwa besagt, dass wir gerne bereit sind, zu geben, wenn wir das Gefühl haben, dass wir es dem anderen als Gegenleistung schulden. Wie stünden wir sonst da? Noch besser: Ich kann ohne nennenswertes Risiko in Vorleistung gehen und meiner Nachbarin drei Eier schenken, die sie zum Backen braucht. Nach den gelernten gesellschaftlichen Gepflogenheiten kann ich schließlich damit rechnen, dass sie mir dafür bei Gelegenheit meine DHL-Sendung entgegennehmen wird. Das ist effizient und die Gesellschaft kommt voran.

Verhandlungsstrategen nutzen dieses Prinzip aus, indem sie beim anderen aus Kalkül das Gefühl auslösen, ihm etwas Gutes getan zu haben. Das erzeugt aus gelernter Reziprozität den Drang, sich zu revanchieren. Der Andere kann einfach nicht ablehnen.

Es reicht manchmal zu sagen: „Wenn Sie keine Spenden-Dauerüberweisung einrichten wollen, wie wäre es dann mit einer einmaligen Spende jetzt und hier?“ Der vermeintlich großzügige Verzicht auf die Maximalforderung als Entgegenkommen ringt vielen eine Einzelspende ab.

Eine andere im Alltag bewährte Verhaltensweise ist das konsequente Handeln als Prinzip. Etwas hochtrabend „Konsistenz“ genannt. Konsequentes Handeln entlastet uns davon, bei vergleichbaren Sachverhalten neu Entscheidungen treffen zu müssen. Wir halten uns an das, was wir einmal für uns als richtig definiert haben. Das ist effizient und entlastet den Kopf.

„Ich bin Vegetarier“ - Wer das von sich sagt, kann konsequent entscheiden, ob ein Lebensmittel für ihn in Frage kommt. Überlegungen wie „Ist ein bisschen Speck in den Bratkartoffeln heute akzeptabel?“ scheiden damit aus. Wer Speck isst, wäre kein Vegetarier mehr. Und das wäre inkonsequent. Eine einmal eingegangene Festlegung erzeugt den Druck, bei seinem Standpunkt zu bleiben. Zack, bumm.

Dieser Druck führt dazu, dass wir bereit sind, uns negative Konsequenzen aus einmal getroffenen Entscheidungen schönzureden: „Aber ist die Pendelei von zwei Stunden pro Tag zum neuen Job nicht eine Strapaze?“ - „Ach, mir macht das nichts aus.“ - Dieses konsequente Kleinhalten von Nachteilen der eigenen Entscheidung ist oft sinnvoll in Situationen, in denen das Für und Wider vorab gut abgewogen wurde. Was nützt es im Nachhinein, jeden Tag von Neuem die Nachteile zu beweinen? Ich nenne es den Frankfurt-Effekt. Solange wir dort nicht hinziehen müssen, finden wir die Stadt unsexy. Wer aus beruflichen Gründen in die Stadt am Main zieht, sagt häufig: „Och, eigentlich hat Frankfurt was.“ Ist doch gut, wenn man es so empfindet.

Aber es gibt Fälle, in denen der Druck, beim einmal eingenommenen Standpunkt zu bleiben, uns schadet. Albtraumhafte Folgen für das eigene Leben hat es etwa, wenn wir uns nicht trauen, den eingeschlagenen Karriereweg zu verlassen, weil dies als Eingeständnis einer Fehlentscheidung gewertet würde. Das Studium, das einen langweilt oder überfordert, die Firma, deren unethisches Agieren schlimme Gewissensbisse verursacht. Wer hier konsistent handelt, zerstört sich aus Prinzip einen großen Teil von Lebensfreude.

Nun können Sie selber entscheiden: Ist es clever oder hinterhältig, wenn obendrein professionelle Verhandler unser Streben nach Konsistenz ausnutzen?

Eine knallharte Verkaufswaffe ist es, die Kunden dazu zu bringen, sich festzulegen. Damit sie aus dem Drang, konsistent zu handeln, bei ihrer Linie bleiben und konsequenterweise zu weiteren Schritten bereit sind.

Der Psychologe Robert B. Cialdini schildert in seinem Buch „Die Psychologie des Überzeugens“ etwa, wie ein extrem erfolgreicher Autohändler aus den USA seine Kunden mit solchen Fragen festnagelt: „Angenommen, der Preis würde stimmen: Sind Sie dann bereit, direkt jetzt ein Auto zu kaufen?“

Nun, wenn der Preis stimmt, warum nicht? Sagt der Kunde einmal ja, geht es nicht mehr um das ob. Würde ein Verkäufer dann fragen: „Finden Sie, dass das ein guter Preis ist?“ und der Kunde stimmt zu, kann dieser nur einen Kauf verweigern, wenn er seiner eigenen Zusage zuwider handelt, bei einem guten Preis sofort zu kaufen. Das bringen einige Kunden aber nicht übers Herz.

So kontern Sie die Konsistenz-Masche

Wer die Befürchtung hat, bei einer Abstimmung in einem Projektteam, einer Ausschusssitzung oder im Betriebsrat könnten sich einzelne Mitglieder von der vermeintlichen Mehrheitsmeinung beeinflussen lassen, kann ihnen ins Gewissen reden: „Sind Sie bereit, zu Ihrer Meinung zu stehen, selbst wenn viele andere die gegenteilige Position vertreten?“ Wer auf diese Frage innerlich bejaht, wird mit einer höheren Wahrscheinlichkeit bei der Abstimmung konsequenterweise gemäß seiner eigenen Haltung votieren.

Selbst die Frage „Wie geht es Ihnen?“ kann uns nichts ahnend in die Konsistenz-Falle tappen lassen. Antworten wir routiniert mit „Danke, gut“, war das schon die Festlegung, die uns zu konsequentem Handeln zwingt. „Wie wäre es dann, wenn Sie jetzt ein bisschen Geld spenden für Leute, denen es nicht so gut geht?“ Wollen Sie als geizig rüber kommen, wo Sie doch gerade erklärt haben, wie gut es Ihnen geht?

Ist man mit der Masche vertraut, kann man gut kontern. Dazu gehört:

1. Bei sich selber ungewollte Konsistenz-Hörigkeit erkennen und bei Bedarf abschalten. Motto: „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?“

2. Dem anderen offensiv vor den Latz knallen, dass jetzt ein widersprüchliches Verhalten folgt:

„Ich weiß, mir geht es gut und anderen geht es nicht so gut. Aber ich spende bei anderer Gelegenheit - ganz ohne schlechtes Gewissen.“

„Mir kommt es bei meinem Abstimmungsverhalten auch darauf an, Geschlossenheit mit den anderen zu demonstrieren.“

„Sie werden mich für verrückt halten, aber ich möchte trotz des guten Preises nun doch nicht kaufen.“

Ich erinnere mich, wie einmal die Zeugen Jehovas bei uns aufkreuzten, als ich als Teenager noch bei meinen Eltern wohnte. Ein älterer Mann mit einem jungen Eleven. Als ich die Tür öffnete, sagte der Alte zum Jungen so etwas wie: „Ach, guck, ein junger Mann wie du. Der sieht doch sympathisch aus. Sprich du doch mal mit ihm. - Sie sind uns doch bestimmt nicht böse, wenn mein junger Kollege ein bisschen mit Ihnen spricht?“

Seine Taktik: Würde ich einmal zusagen, wäre die spätere Abkehr von der zugesagten guten Laune wie ein Wortbruch zu verstehen. Und so viel Inkonsequenz bringen Menschen selbst Fremden an der Haustür gegenüber nicht so leicht fertig. Da ich meinerseits bereits als Teenager in meiner pubertären Trotzphase für mich zum Prinzip erklärt hatte, niemals mit Vertretern an der Haustür zu diskutieren, konterte ich: „Doch, ich werde böse.“ Und lächelte.

„Wie, Sie werden böse, wenn wir mit Ihnen reden?“

„Ja.“ Ich lächelte weiter. Sein Trick hatte versagt und hatte sich gegen ihn gewandt. Denn ich wäre ohne sein Zutun niemals auf die Idee gekommen anzudrohen, unfreundlich zu werden. So aber war das Gespräch dank der vom Taktierer selbst ins Spiel gebrachten Gereiztheit im Keim erstickt. Die beiden dackelten ab und ich war stolz.

Konsistenz macht uns für andere und uns selber berechenbar. Es kann uns aber ausbremsen. Und sobald andere unseren Konsistenz-Druck instrumentalisieren, ist es höchste Zeit, mit Leidenschaft inkonsequent zu sein. Wenn es für uns von Vorteil ist.

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