Karriereleiter
Präsentation oder Rede: Wie Sie auf der Bühne eine Rolle spielen Quelle: imago images

Wie Sie auf der Bühne authentisch eine Rolle spielen

„Sei du selbst“, diese Faustregel gilt für Präsentationen. Das heißt nicht, dass Sie auf der Bühne so sein sollen wie beim Bier mit Kollegen. Sie dürfen authentisch in eine Rolle schlüpfen – das ist kein Widerspruch.

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Unser Kolumnist Marcus Werner ist Fernsehmoderator und Buchautor und arbeitet als Berater für Kommunikation und Persönlichkeitsentwicklung.

Authentisch, authentisch, authentisch. Ich würde mich nicht wundern, wenn es unter Ihnen nun einige gibt, die sich denken: Wenn ich noch einmal authentisch höre, fange ich an zu weinen.

Und in der Tat: Das Streben nach der stets geforderten Authentizität beim Präsentieren vor Kollegen, beim Vortrag auf der Bühne oder beim Interview vor der Kamera kann einen regelrecht fertig machen. Wenn man nämlich irrtümlich denkt, dass es nur die eine eigene Echtheit gibt. So kommt das wurmende Gefühl auf: Mir gelingt es einfach nicht, vor Publikum so zu sein, wie ich sonst immer bin.

Hier kommt direkt die erlösende Nachricht: Das müssen Sie auch gar nicht. Und Sie können trotzdem „authentisch“ sein. Ein Beispiel:

Als ich damals angefangen habe, fürs WDR Fernsehen ein Regionalmagazin zu moderieren und parallel dazu eine Show für Kinder bei Nickelodeon, wurde ich von einem Kollegen gefragt: Wie kann man denn auf der einen Seite Fernsehen für Kinder machen und dann mal eben locker-flockig für Erwachsene moderieren? Ist das nicht ein brutaler Spagat?

Meine spontane Gegenfrage damals: „Hä?“
Hinter den Bedenken des Kollegen steckte wohl die Vermutung: Kinderfernsehmoderator sei ein Charakterzug. Man könne entweder authentisch für Kinder oder für Erwachsene moderieren.

Es gibt viele Moderatoren, die bewiesen haben, dass es möglich ist, überzeugend verschiedene Genres abzudecken: Show, Talk, Sport, News-Magazin, Kinderfernsehen. Und das ist kein Kunststück. Es ist richtig: Die Ansprache etwa von Kindern im Fernsehen ist eine andere als die von Erwachsenen. Im Kinderfernsehen sind wir im T-Shirt durchs Studio getobt, haben wild angefeuert und die Spielregeln für die Gameshow so erklärt, dass auch Sechsjährige sie verstehen.

In Nachrichtenmagazinen stehen Moderatoren in aller Ruhe mit Hemd und Sakko vor einem riesigen Bildschirm und liefern Infos zu Politik, Mord und Totschlag, Wirtschaft und Kultur.

Zwei ganz unterschiedliche Rollen. Und beide lassen sich ganz authentisch ausfüllen. Weil wir nicht immer gleich sind im Leben. Wir schlüpfen jeden Tag in unterschiedliche Rollen. Und sind darin trotzdem einfach wir selbst:

Wenn wir unseren Kindern morgens noch halb verschlafen Frühstück machen, füllen wir unsere Rolle in der Familie aus. Und sind dabei vielleicht gestresst, ertappen uns beim Herumkommandieren „Luis, zum letzten Mal. Zieh dich jetzt bitte endlich an, in zehn Minuten müssen wir los.“

Im Job wiederum sind wir kumpelhafte Kollegen, zuverlässige Mitarbeiter, souverän führende Chefs in einer Person. Im Supermarkt wiederum der wortkarge Kunde an der Kasse mit Kopfhörern in den Ohren.

Und abends, wenn die Kinder im Bett sind, der anschmiegsame Partner, der gerne kuscheln möchte und seinem Schatz süße Komplimente ins Ohr flüstert.

All diese Facetten passen in eine einzige Persönlichkeit.

Und deshalb ist da noch Platz für eine weitere Rolle: Ihre Bühnenrolle. Und auch die können Sie authentisch ausfüllen. Ohne dabei ein Abziehbild einer anderen Rolle liefern zu müssen.

So entdecken Sie Ihr Bühnen-Ich

Dass Sie sich eine neue Rolle aneignen können, wissen Sie, wenn Sie zum Beispiel schon einmal eine Videobotschaft mit dem Smartphone für Freunde oder Familie aufgenommen haben. Dort gucken Sie lächelnd in eine schwarze Linse und sagen Dinge wie: „Hey ihr alle, liebe Grüße vom Bodensee. Es ist zwar Mistwetter aber wir haben trotzdem unseren Spaß“.

Aber warum lächeln Sie? Nicht, weil es dort in dieser kleinen schwarzen Linse etwas zu sehen gibt, das Sie zum Lachen bringt. Ist das unauthentisch, wenn Sie im wahrsten Sinne auf Knopfdruck ins Nichts hinein lachen? Nein, Sie sind es, weil Sie ganz souverän auf Knopfdruck freundlich lächeln, um sympathisch zu wirken.

Selfie-Videos verlangen von uns Echtheit in unserer Kamera-Rolle. Diese auszufüllen, macht einigen von uns Spaß, während andere sich damit ganz und gar unwohl fühlen. Meist wohl deshalb, weil sie ihr eigenes authentisches Auftreten vor der Smartphone-Kamera noch nicht entdeckt haben und sich deshalb unecht oder sogar lächerlich vorkommen: „Nee, komm, weg mit der Kamera, ich mag das nicht.“ Es gibt zum Glück Wichtigeres im Leben als Selfie-Videos aus dem Urlaub.

Aber jetzt zurück zu Ihrem Auftritt vor Publikum: Es geht also darum, dass Sie Ihre ganz eigene authentische Rolle vor Publikum finden. „Sei du selbst“ gilt. Lesen Sie dazu auch gerne die Karriereleiter „So überzeugen Sie mit Ihrer Persönlichkeit“. Aber genauer gesagt könnte es im ersten Schritt auch heißen: „Entdecke dein Bühnen-Ich.“

Wenn Ihnen das gelingt, wird das Publikum am Ende wahrscheinlich den Eindruck haben: Sie sind auf der Bühne bestimmt genauso wie im Privatleben auch. Das heißt dann nichts anderes als: Sie haben Ihre Bühnenrolle authentisch ausgefüllt. Denn woher soll das Publikum wissen, wie Sie privat sind? Es kennt Sie nur von der Bühne. Und dort wirken Sie offensichtlich unverstellt. Dafür müssen Sie auf der Bühne nicht der Mensch sein, der Sie beim Frühstückmachen, an der Supermarktkasse oder beim Kuscheln sind.

Wie also finden Sie Ihr Bühnen-Ich, um sich vor Publikum wohler zu fühlen?

Wem „sei einfach du selbst“ nicht reicht, dem empfehle ich aus eigener Erfahrung folgende Überlegungen:

1. Auf welche Facetten meiner Persönlichkeit kommt es mir bei meinem Auftreten auf der Bühne an und was davon kriege ich nicht hin?
Zum Beispiel spontanes Reagieren auf Einwürfe der Anderen, was Ihnen im kleinen Kreis sonst so schlagfertig gelingt. Vergessen Sie dabei nicht: Sie dürfen auf der Bühne anders sein als im Büro, ohne Ihre Persönlichkeit zu verraten.

2. Woran liegt es, dass ich einzelne Facetten meiner Persönlichkeit auf der Bühne nicht zeigen kann?
In den meisten Fällen dürfte Nervosität der Grund sein. Im Büro beim Vier-Augen-Gespräch entwickelt man Gedanken eben unverkrampft spontan. Und beim Dinner mit Freunden gehen einem kleine Gags besser über die Lippen als auf der Bühne. Dort gilt: lieber auf Nummer Sicher. Aber mit Üben und Routine bekommen Sie nach und nach auch die gewünschte Spontanität und Unbekümmertheit auf der Bühne hin. Erlauben Sie sich das nächste Mal testweise einen kurzen Ausflug in eine spontane Anekdote und überprüfen Sie, wie sich das anfühlt. Platzieren Sie das übernächste Mal eine gut überlegte Pointe (wenn das zum Thema passt). Aber setzen Sie sich nicht unter Druck. Lassen Sie weg, was Sie noch verunsichert.

3. Strebe ich einem Ideal hinterher, das wohlmöglich nicht meinem Naturell entspricht?
Wollen Sie zum Beispiel so souverän vor Leuten reden wie Barack Obama? Geben Sie Ihr Ziel nicht auf, aber versuchen Sie nicht, den Mann in Gestik, Mimik und Wortwahl zu imitieren. Werden Sie mit Ihrer ganz eigenen Art souverän. Mit Ihrer eigenen Bühnen-Art.

Unterm Strich: Erwarten Sie nicht von sich, vor Publikum so zu sein, wie sonst auch immer. Erweitern Sie Ihre Persönlichkeit einfach um Ihr neues Bühnen-Ich. Denn es ist völlig egal, wie Sie in den sonstigen Rollen Ihres Lebens sind. Hauptsache Sie überzeugen mit Ihren Inhalten vor Ihren Zuhörern. Und das klappt am besten, wenn Sie - Achtung - authentisch sind. Das geht in jeder Rolle des Lebens. Wenn Sie sich dabei wohl fühlen.

Tipps für die perfekte Rede

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