Kahle Bürowände, schlechter Automatenkaffee, hektisches Großraumbüro. Der Arbeitsplatz vieler Deutsche wirkt nicht gerade wie das ideale Biotop für Schmetterlinge im Bauch. Und trotzdem: Laut einer Umfrage der Dating-Plattform Elitepartner unter 4000 Arbeitnehmern aus dem Jahr 2019 hat sich jeder dritte Arbeitnehmer schon mal in einen Kollegen oder eine Kollegin verliebt, jeder vierte hatte sogar schon mal eine Beziehung am Arbeitsplatz. Eine komplizierte Konstellation für alle Beteiligten, so die einhellige Meinung, die auch Juliane Hennecke bis vor einigen Monaten teilte.
Die Verhaltensökonomin, die Research Affiliate am Bonner Institut zur Zukunft der Arbeit (kurz: IZA) war und für die Auckland University of Technology arbeitet, hatte damals angefangen genauer zu betrachten, welche Auswirkungen es auf die Zufriedenheit von Menschen hat, wenn sie und ihr Partner dem gleichen Beruf nachgehen und in der gleichen Branche arbeiten. „Wir haben erwartet, dass der gleiche Job mehr Stress bedeutet, da sich für die Paare Konflikte aus dem Berufsleben stärker nach Hause übertragen“, sagt Hennecke. „Aber das ist nicht so.“
Für ihre Untersuchung zogen die Forscherin und ihr Kollege Clemens Hetschko von der Universität Leeds das Sozioökonomische Panel zurate, in dem seit 30 Jahren die gleichen Haushalte zu ihrer Zufriedenheit befragt werden. Diese unterteilt sich in mehrere Kategorien: die allgemeine Lebenszufriedenheit, die Einkommenszufriedenheit, die Jobzufriedenheit, die Freizeitzufriedenheit und die Familienzufriedenheit. All diese Bereiche bewerten die 30.000 Befragten auf einer Skala von eins bis zehn.
Karrierefaktor Verständnis
Vor allem in den Bereichen Job- und Einkommenszufriedenheit konnte Hennecke feststellen, dass Paare mit den gleichen Berufen besser abschneiden. „Wir gehen davon aus, dass die Partner in einer solchen Konstellation sich gegenseitig besser unterstützen können“, argumentiert Hennecke. Sie verstünden besser, welche Anforderungen eine Karriere in diesem Bereich mit sich bringe und könnten sich bei Problemen eher in den Partner hineinversetzen. „Mit diesem Insiderwissen wächst auch das Verständnis etwa für Überstunden“, sagt Hennecke. „Das entlastet die Partner vor allem bei der Arbeit psychologisch ungemein.“ Außerdem könnten sie sich gegenseitig auch beim beruflichen Aufstieg unterstützen, da sie dem anderen etwa Zugang zu nützlichen Netzwerken verschaffen könnten.
Auch mit dem eigenen Einkommen sind Partner mit dem gleichen Beruf zufriedener. Dies führt die Verhaltensökonomin auf zwei Punkte zurück: Zum einen seien die durch die gegenseitige Unterstützung gewachsenen Jobchancen auch die Einkommen höher. Zum anderen bewerten Menschen ihr eigenes Einkommen immer im Vergleich zu dem von anderen Menschen. Dabei spiele das Gehalt des Partners eine besonders wichtige Rolle. „Vor allem der Partner mit dem geringeren Einkommen war deutlich zufriedener, wenn beide im selben Beruf arbeiteten“, sagt die Forscherin. „Das könnte daher kommen, dass er sieht, wie viel mehr der Besserverdienende leisten muss, um auf dieses Gehalt zu kommen oder dass er den guten Verdienst des Partners als Signal zukünftiger eigener Lohnerhöhungen wahrnimmt.“ Haben beide Partner sehr unterschiedliche Berufe ist dieser Vergleich deutlich schwieriger.
Schwierigkeiten abzuschalten
Im Bereich der Freizeitzufriedenheit konnten keine nennenswerten Unterschiede zu anderen Paaren entdeckt werden. Das spreche dafür, dass die meisten Paare zu Hause gut abschalten können, auch wenn der Partner im gleichen Job arbeitet. „Ob das auch so wäre, wenn die Paare den selben Arbeitgeber haben, können wir nicht sagen“, räumt Hennecke ein. Das geben die Daten nicht her. Allerdings geht sie davon aus, dass das Abschalten dann deutlich schwerer falle. Darauf würden zumindest die Daten bei den Selbstständigen hindeuten. Wenn Paare angaben selbstständig und in der gleichen Industrie beschäftigt zu sein, gingen die Forscher davon aus, dass sie die Gründer oder Gesellschafter eines Familienunternehmens sind. Bei diesen Paaren war die Freizeitzufriedenheit deutlich verschlechtert. „In Familienunternehmen ist der Betrieb häufig auch beim Abendessen noch das bestimmende Thema, Entspannung kommt da zu kurz.“
Insgesamt überwiegen für Juliane Hennecke aber die positiven Effekte, wenn ein Paar den gleichen Beruf ausübt. Deshalb appelliert sie an Unternehmen, sich dies zu Nutze zu machen. „Wer heute hochqualifizierte Bewerber haben möchte, sollte auch dem Partner ein Angebot machen.“ Und weiter: „Ohne sie direkt ins gleiche Projekt zu stecken.“
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