




Studien zufolge erhalten Angestellte jeden Tag zwischen 18 und 37 E-Mails, die an sie persönlich gerichtet sind - und vielen missfällt das. 60 Prozent der Menschen sind davon genervt und ignorieren sie weitgehend. Angeblich wird nur jeder dritte E-Mail-Anhang vom Empfänger geöffnet.
Gleichzeitig beschweren sich viele Menschen über den permanenten E-Mail-Stress - vor allem Top-Manager brüsten sich gerne, ständig in einer Flut von Mails zu versinken. Und das verursacht Stress - nachweisbar.
Die größten Fehler beim Einsatz von E-Mails
„Welche negativen Auswirkungen ergeben sich aus einem unreflektierten Umgang mit dem Medium E-Mail?“ Der E-Mail-Spezialist Günter Weick, der mit seinen Kollegen von SofTrust Consulting seit 2001 die E-Mail-Kultur internationaler Unternehmen gestaltet, nennt in seinem Buch „Wenn E-Mails nerven“ zwölf potentielle negative Nebenwirkungen.
Eine davon ist die Verschwendung von Arbeitszeit. Beratungsgesellschaften beziffern den Wert der verlorenen Arbeitszeit auf mehrere Milliarden Euro jährlich.
E-Mails haben Suchtpotenzial. Auf lange Sicht leisten die Mitarbeiter so in der regulären Arbeitszeit weniger.
Wer sich von E-Mails treiben lässt, ermüdet schneller, wie Studien belegen. Die ständigen Unterbrechungen durch Emails erhöhen das Bournout-Risiko.
Jeder dürfte es schon mal erlebt haben, dass der Text einer E-Mail falsch verstanden wird. Missverständnisse passieren einfach sehr viel häufiger als in direkten Gesprächen. Zudem treten auch fachliche Fehler leichter auf.
Hierarchien haben sich ja nicht aus Zufall gebildet. Wer berichtet was an wen – das umgeht die E-Mail-Kommunikation viel häufiger, als es alle Beteiligten wahr haben wollen. Vielleicht geht der „kleine Dienstweg“ per Email manchmal schneller, aber das geht zu Lasten von Zuverlässigkeit und Qualität.
Anstatt richtig in Prozessen organisiert zu sein, wird vieles immer wieder als Einzelfall betrachtet. Das ist nicht nur aufwendiger, sondern es passieren auch mehr Fehler.
Soziologen und Psychologen sagen, dass jene Menschen, die vor allem elektronisch kommunizieren, die Fähigkeit und das Interesse verlieren, sich mit Menschen direkt auseinanderzusetzen.
Es gibt viele Themen, in den E-Mails einfach die uneffektivere Kommunikationsform sind (siehe Seite 2). Die Geschäftsvorfälle dauern länger als notwendig und erfordern mehr Aufwand. So manches Thema, das sich per E-Mail über Wochen hinzieht, ist in einer Zehn-Minuten-Besprechung vom Tisch.
Das dringende Kleine im Posteingang wird wichtiger als das wirklich wichtige Große. Auch das ist ein Nachteil der E-Mail-Kommunikation. Umso wichtiger ist es, sich da gut zu organisieren.
Es kommt schnell zu einem Realitätsverlust: Mitarbeiter schicken Dutzende E-Mails durch die Gegend und glauben, sie hätten wirklich gearbeitet. Doch wie produktiv sind die meisten E-Mails wirklich? Hat man für das Unternehmen tatsächlich so viel bewegt, wie man in derselben Zeit hätte können?
Wer über weitere Strecken des Tages auf eingehende E-Mails reagiert, hat folglich weniger Zeit zum Agieren. Das frustriert den Einzelnen und bringt dem Unternehmen wenig.
Jeder will E-Mails schnell vom Tisch haben. Also wo immer möglich gilt da die Devise: weiterleiten statt erledigen.
Zu diesem Ergebnis kommt jetzt eine neue Studie von Kostadin Kushlev und Elizabeth Dunn, die beide an der Universität von British Columbia in Kanada tätig sind. 124 Freiwillige mit einem Durchschnittsalter von 30 Jahren sollten zunächst eine Woche lang exakt dreimal täglich E-Mails checken, den Posteingang ansonsten meiden und alle Benachrichtigungsfunktionen über neue E-Mails ausschalten.
So werden Sie der E-Mail-Flut Herr
Susanne Wagner und Günter Weick von SofTrust Consulting zeigen in ihrem Buch „Management by E-Mail“ auf, wie Führungskräfte sich aus der E-Mail-Falle befreien können. Gemäß dem „Management-By-E-Mail“-Methode sollten sich Führungskräfte im ersten Schritt darüber klar werden, wie stark E-Mail sie wirklich belastet. SofTrusts E-Mail-Effizienzprojekte zeigen, dass sich die gefühlte und reale Belastung durch E-Mail meist deutlich unterscheiden. Meist ist die Belastung deutlich höher als subjektiv wahrgenommen.
Es gibt kaum eine Zahl in der Unternehmenswelt, über die man trefflicher streiten kann, als die „richtige“ Anzahl an E-Mails, die ein Manager pro Tag bewältigen sollte. Einige finden 300 völlig normal, andere regional aktive Angestellte schreiben 20 und erhalten 30 E-Mails pro Tag. Natürlich ist es vom Einzelfall abhängig.
Wer 100 E-Mails oder mehr pro Tag bekommt, liegt aus Sicht der Autoren „auf jeden Fall jenseits einer akzeptablen Grenze“. Es gäbe keinen relevanten Managerjob, in dem er über täglich 100 Sachverhalte informiert werden muss. Wenn doch, macht er irgendetwas falsch.
Lassen Sie sich aus jedem Verteiler löschen, den Sie nicht zwingend brauchen. Falls Sie ein Kollege unerwünscht in (s)einen Verteiler aufnimmt, sprechen Sie mit darüber.
Wenn Sie E-Mails von bestimmten Personen bekommen oder mit bestimmten Schlüsselwörtern, können Sie ihren Email-Client so programmieren, dass sie entweder sofort gelöscht oder in einen bestimmten Ordner verfrachtet werden.
Überprüfen Sie die Informations-E-Mails wie Newsletter, die Sie bekommen. Filtern Sie die, die sie nicht (mehr) brauchen, hinaus. Lassen Sie diese E-Mails in einen bestimmten Ordner einlaufen. Wenn Sie an einem Tag keine Zeit haben, sie zu lesen, stören Sie Ihren Alltag nicht.
Es gibt Unternehmen, bei den machen Empfangs- und Lesebestätigungen 30 Prozent des E-Mail-Aufkommens aus. Schalten Sie diese Tools ab. Zum einen sind sie ohnehin unzuverlässig und zum anderen nerven sie viele Empfänger massiv.
Wenn Sie noch Spam bekommen, informieren Sie dringend Ihre IT-Abteilung. Es ist heutzutage absolut möglich, völlig frei von Spams zu leben.
Nicht nur, aber besonders leitende Angestellte müssen sich auf ihre Kernaufgaben fokussieren. Und das gilt auch für ihr E-Mail-Postfach. Wer mal nachzählt, kommt auf maximal 40 Prozent. Also weniger als die Hälfte der E-Mails eines Managers haben mit seinen Kernaufgaben zu tun.
Ein besonderes Problem ist das in CC-Setzen. Doch eine E-Mail, in der ein Vorgesetzter in Kopie gesetzt wird, zählt keineswegs zu „Personal führen“ oder „Fortschritte kontrollieren“. Also reduzieren sie jede überflüssige E-Mail und sagen Sie es auch den Kollegen, dass sie nicht mehr zwingend in CC gesetzt werden wollen. Von Ausnahmen abgesehen sollte keine E-Mail mehr als zwei Empfänger haben.
Früher mussten Mitarbeiter Zeit investieren, um Informationen so aufzubereiten, dass sie für den Vorgesetzten nutzbar waren. Eine CC-Kopie dreht den Arbeitsaufwand um: null für den Mitarbeiter, viel für den Chef. Da Kopien ja für den Empfänger und nicht den in CC-Gesetzten gedacht sind, braucht Letzterer überdurchschnittlich viel Zeit, um sie zu lesen.
Wenn jemand eine E-Mail in Kopie erhalten hat, hat er deren Inhalt nicht automatisch gelesen und voll verstanden. Das scheint eine triviale Wahrheit zu sein, doch die Anspruchshaltung in Unternehmen ist oft eine andere. Bedenken Sie also, dass ihr Chef oder Ihr Kollege nicht jede CC-Email auswendig kennt.
Kopiert ein Mitarbeiter seinen Chef bzw. ein Kollege den anderen auf seine E-Mail, werden die Empfänger der E-Mail ihn auch wieder mit hinein nehmen.
Legen Sie fest, wie Sie informiert werden möchten. Wenn Sie keine CC-Kopie wollen, heißt das ja nicht, dass Sie auf Informationen verzichten möchten. Etablieren Sie ein Berichtswesen, verlangen Sie kommentierte Info-Kopien, demotivieren Sie externe CC-Setzer und verweisen Sie konsequent auf die Kompetenz der zuständigen Mitarbeiter.
Nun muss ein leitender Angestellter auch solche Aufgaben lösen, die nicht zu seinem Kernbereich gehören und man notwendiges Übel nennen könnte. Diese Dinge kommen in aller Regel per E-Mail. Gänzlich vermeiden lässt sich das nicht, wohl aber reduzieren. Differenzieren Sie zwischen Notwendige-Übel-E-Mails und solchen, die tatsächlich unnötige Zeitverschwendung sind. Der Anteil ist höher als Sie denken.
Viele Mitarbeiter ziehen ihre Führungskräfte mit E-Mails viel zu sehr in das Tagesgeschäft hinein. Das ist oft ein Anzeichen dafür, dass sie überfordert sind, ihnen wichtige Informationen fehlen oder sie sich absichern wollen. All dies kann ein guter Chef anders lösen, so dass täglich Dutzende E-Mails ausbleiben.
In der zweiten Woche sollten sie so häufig wie möglich E-Mails checken, das Postfach die ganze Zeit im Blick haben und sämtliche Benachrichtigungsfunktionen über neue E-Mails aktivieren.
Täglich um 17 Uhr schickten Kushlev und Dunn den Teilnehmern einen Link zu einer Umfrage. Dort sollten sie angeben, wie oft sie an dem jeweiligen Tag E-Mails gecheckt hatten und wie es ihnen psychisch ging - ob sie sich nervös oder gestresst fühlten, wie glücklich und entspannt sie waren.
Ein Leben ohne Mails ist entspannter
Das Ergebnis: In jener Woche, in denen die Probanden auf E-Mails möglichst selten zugriffen, ging es allen besser. Sie waren entspannter, weniger gestresst, glücklicher und konzentrierter. Ganz anders war es in der Woche, in der sie sich möglichst oft im elektronischen Briefkasten tummelten – dann waren sie gestresster, unkonzentrierter und unglücklicher.
Aber wieso? Die beiden Wissenschaftler erklären sich das Ergebnis mit der menschlichen Aufnahmefähigkeit: Wir haben eben nur begrenzte geistige Ressourcen. Je häufiger wir E-Mails checken, desto öfter unterbrechen wir eine andere Tätigkeit – und dieser ständige Wechsel ermüdet. Mehr noch: Je größer die Müdigkeit, desto eher lassen wir uns ablenken – und checken umso häufiger E-Mails. Ein Teufelskreis eben.
Hinzu kommt: Wir brauchen unsere geistigen Ressourcen, um Emotionen zu regulieren. Doch je erschöpfter wir sind, desto schlechter funktioniert das.
Es kann also nicht schaden, ab und an auf E-Mails zu verzichten – um den Stress unter Kontrolle zu halten.