Grundsätzlich gilt: Konflikttrainer raten dazu, erst die eigene Sicht der Dinge zu schildern, dann zu sagen, welche Auswirkungen das Verhalten des Gegenübers hat und wie man sich damit fühlt. Dann sollte man nach der Sichtweise des anderen fragen – häufig versteht man Dinge nämlich ganz anders, als sie gemeint waren. Und gerade die Aussage eines Vorgesetzten beziehen Mitarbeiter in der Regel deutlich stärker auf sich, als die eines Kollegen.
Wenn Ihr Chef Sie fälschlicherweise eines Fehlers bezichtigt hat, Sie seiner Meinung nach mit einem Projekt trödeln oder er Ihnen wichtige Informationen für Ihr Projekt nicht oder zu spät mitgeteilt haben, sollten Sie Ihren Ärger nicht herunter schlucken. Bitten Sie um ein Vier-Augen-Gespräch. Dort können Sie Ärger und Enttäuschung klar benennen. Zum Beispiel so: „Ich verstehe, dass Sie sich ärgern. Auch ich hätte das Projekt gerne früher zum Abschluss gebracht.“ Oder: „Ich bin frustriert / enttäuscht, weil ...“
Wenn der Vorgesetzte nicht im pathologischen Sinne verrückt ist, wird er kaum mit der Kündigung wedeln, wenn eine solche Kritik sachlich vorgebracht wird.
So gehen Sie mit einem narzisstischen Chef am besten um
Akzeptieren Sie den Narzissten so, wie er ist. So banal es auch klingt, aber manche Menschen ändern sich nicht – und für diese Sisyphos-Aufgabe sind Sie ohnehin nicht der oder die Richtige.
Stellen Sie seine vermeintliche Großartigkeit nie öffentlich infrage – denn selbst auf konstruktive Kritik reagieren Narzissten häufig allergisch.
Seien Sie auf Detailarbeit vorbereitet – aber erwarten Sie nicht, für Ihre Ideen und Überstunden gelobt zu werden. Denn das Rampenlicht will ein Narzisst nicht teilen. Deshalb sollten Sie Ihre Zufriedenheit nie von seiner Laune und seinem Wohlwollen abhängig machen.
Schützen Sie sich selbst. Bleiben Sie dem Narzissten gegenüber professionell. Ihre Gefühle sollten Sie mit ihm nicht teilen. Dadurch bieten Sie ihm so wenig Angriffsfläche wie möglich.
Achten Sie auf Ihre Formulierungen. Wenn Sie etwas von einem Narzissten wollen, betonen Sie nicht, was Sie selbst davon haben – sondern welche Vorteile er daraus ziehen könnte.
Schwierig wird es, wenn die gesamte Unternehmenskultur dafür steht, Fehler der Führungskräfte totzuschweigen. Laut der Studie "Einfluss des HR-Managements auf den Unternehmenserfolg" der Personalberatung Rochus Mummert, ist das aber leider in jeder vierten Firma der Fall.
Trotzdem: Auch wenn der Chef als nahezu unfehlbar gilt, muss man sich nicht alles gefallen lassen. Unerträgliche Situationen lassen sich schließlich auch im Kleinen verändern, wenn Kündigung keine Option ist. "Da sich die meisten Konflikte in Unternehmen an Fehlern entzünden, muss es erlaubt sein, auch die der Chefs zu thematisieren", sagt Hans Schlipat, Studienleiter und Managing Partner der RochusMummert-Gruppe. Belassen Sie es hier nicht bei Wünschen oder Bitten, sondern sagen Sie klar, was Sie erwarten und fordern.
Lass uns streiten, Chef
Das Persönlichkeitsmodell der Psychologen Fritz Riemann und Christoph Thomann unterscheidet vier Grundcharaktere.
Der Distanz-Typ grenzt sich von anderen Menschen ab, um sich abzuheben. Er arbeitet lieber eigenständig, liebt die Freiheit, Unabhängigkeit und Autonomie. Am liebsten diskutiert er auf der Sachebene.
Der Nähe-Typ hingegen wünscht sich vertrauten Kontakt in einem Team. Er kann in einer harmonischen Atmosphäre am produktivsten arbeiten, gibt anderen Feedback und hat viel Empathie.
Der Dauer-Typ setzt auf Zuverlässigkeit und Ordnung. Er arbeitet strukturiert, ist sehr gut organisiert, plant mit Vorsicht und Voraussicht. Er mag Macht und klare Hierarchien. Dauer-Typen sind oft in Führungspositionen zu finden, denn sie tragen gern Verantwortung.
Ganz anders ist der Wechsel-Typ. Er ist kreativ, mag den Reiz des Unbekannten. Abenteuer sind ihm lieber als festgefahrene Strukturen. Er ist spontan, hat viel Temperament und neigt in der Teamarbeit zu unorthodoxen Ideen und eigenwilligen Lösungsvorschlägen.
Sozialer Konflikt: Eine Interaktion, bei der es Unvereinbarkeiten gibt, die als Beeinträchtigung erlebt werden.
Innerer Konflikt: Ein Konflikt innerhalb einer Person, bei dem es zwei Impulse gibt, die nicht zu vereinbaren sind.
Struktureller oder organisationsbedingter Konflikt: Ein Konflikt, der durch den Aufbau und die Abläufe einer Organisation verursacht wird.
Daneben gibt es zahlreiche Unterarten wie etwa Verteilungskonflikte. Sie entstehen, wenn die Ressourcen knapp sind. Zielkonflikte treten auf, wenn die Parteien unterschiedliche Interessen hegen. Weiter gibt es noch Beziehungs- und Rollenkonflikte, Macht- und Informationskonflikte, Wert- und Identitätskonflikte.
Nach Konfliktforscher Glasl gibt es neun verschiedene Konfliktstufen.
In Stufe 1 verhärtet sich ein Problem, auf Stufe 2 wird darüber diskutiert. Kommen die Beteiligten nicht zu einer Lösung, kommt es zu Stufe 3: Nun macht sie von Taten statt Worten Gebrauch.
In Stufe 4 schließen die Gegner Koalitionen. Eskaliert ein Streit weiter, kommt es in Stufe 5 zum Gesichtsverlust. Der Gegner wird öffentlich bloß gestellt. In Phase 6 drohen sich die Parteien. Es kommt zur ersten Vernichtungsschlägen (Stufe 7), der andere soll vernichtet werden (Stufe 8) – bis beide am Ende gemeinsam in den Abgrund stürzen (Stufe 9).
Nur: Die offene Kommunikation mit den Vorgesetzten pflegen lediglich 38 Prozent, wie die Orizon-Studie zeigt. Mehr als 60 Prozent haben Angst, ihrem Chef zu sagen, dass er sie nicht anschreien soll und dass sie nun wirklich gerne an der vor Jahren versprochenen Weiterbildungsmaßnahme teilnehmen wollen.
Die Angst davor, sich mit dem Vorgesetzten auseinanderzusetzen führt häufig zu der sogenannten sozialen Ansteckung. Man macht sich bei den Kollegen Luft über die unmögliche Type in der Führungsetage, die vergessen hat, Bescheid zu sagen, dass sich das Budget verändert hat. Den Verbündeten, bei denen man sich Luft macht, fällt bestimmt auch noch eine Geschichte ein und schon heizt sich die Stimmung auf. Das ist menschlich und nachvollziehbar, aber nicht hilfreich. Der Vorgesetzte merkt gar nicht, dass seine Angestellten unter seiner Schusseligkeit leiden. Und das Team nimmt die Vergesslichkeit des Chefs fortan als bösen Absicht wahr.
Je höher das Eskalationsniveau, desto schwieriger lässt sich ein Streit lösen. Haben sich die Mitarbeiter schon mehrere Wochen lang gegenseitig angestachelt, wie bösartig und ungerecht ihr Vorgesetzter ihnen gegenüber ist, ist die Atmosphäre vergiftet. Das macht ein klärendes Gespräch schwieriger. Am Anfang eines Konflikts lässt sich die Situation dagegen noch konstruktiv und ruhig lösen. Richtig problematisch wird es, wenn der Vorgesetzte wirklich der Auslöser eines Konfliktes ist, also sich tatsächlich im Ton vergriffen oder einen Mitarbeiter absichtlich übergangen hat. In dem Fall bleibt vielen nur der Weg über den Betriebsrat oder die Personalabteilung. Im Zweifelsfall muss ein externer Konfliktmanager das Problem lösen.