Frau Azad, Sie sind seit zehn Jahren selbstständige Mediatorin, schlagen sich also ständig mit den Problemen anderer herum. Da geht es wahrscheinlich um große Eklats vor versammelter Mannschaft, Machtproben zwischen Abteilungsleitern und so weiter.
Das kommt schon vor, aber der Großteil meiner Aufträge ist wesentlich trivialer. Ich würde sagen in 80 Prozent der Fälle geht es zunächst um Sachkonflikte. Mitarbeiter, die sich wegen der Urlaubsplanung nicht einigen können. Neue Produkte, die nicht rechtzeitig fertig werden und so Unruhe in die Abteilung bringen.
Sie sagen, es ginge „zunächst“ um Sachkonflikte. Was meinen Sie damit?
Naja, wenn ich dann in das Unternehmen komme, mich mit den Beteiligten unterhalte, dann merke ich häufig, dass dieser Sachkonflikt nur die Bombe zum Platzen gebracht hat. Meistens geht es um zwischenmenschliche Verwerfungen, die über Monate oder Jahre gewachsen sind. Die Mitarbeiter wünschen sich mehr Anerkennung oder sie haben das Gefühl, stets viel zu geben, aber nichts zurückzubekommen.
Zur Person
Sosan Azad, 46, ist seit zehn Jahren selbstständige Mediatorin in Berlin.
Um das herauszubekommen, müssen Sie aber erstmal richtig nah an die Streithähne heran oder?
Ja, das stimmt. Eine Mediation beginnt meist mit einem Gespräch mit der Leitung – also Abteilungsleiter, direkte Vorgesetzte, in kleinen Unternehmen eventuell auch die Geschäftsführung. Sie stellen das Problem dar und ich muss herausfinden, ob es überhaupt ein Fall für mich als Mediatorin ist. Manchmal ist es auch eine Aufgabe für die Geschäftsleitung.
Wann zum Beispiel?
Wenn in einer Abteilung beispielsweise sehr viele Überstunden gemacht werden, einige Mitarbeiter dadurch kurz vor dem Burnout stehen und deshalb dünnhäutig oder aggressiv sind. So etwas kann ich nicht auflösen, ohne dass im Vorfeld die Strukturen geändert werden. Die Führungskräfte sind also zunächst gefragt.
Okay, aber bleiben wir bei einem Fall, bei dem Sie helfen können.
Genau, dann gucke ich mir einige Fakten an. Wer hat mit wem ein Problem? Sind es die Angestellten untereinander? Ist der Vorgesetzte involviert? Sind zwei Abteilungen sich spinnefeind? Je nach Fall konzipiere ich das Mediationsdesign.
Was bedeutet das?
Manchmal führe ich zuerst Einzelgespräche. Bei sehr vielen Beteiligten lasse ich zunächst einen Fragebogen ausfüllen. Wann kann ich wen zu einem Gruppengespräch dazu holen? Wann ist es sinnvoll auch die Vorgesetzten zu hören?
Holen Sie die Vorgesetzten häufig dazu?
Ja. Eine sehr interessante Beobachtung, die ich über die Jahre gemacht habe. In 70 Prozent der Fälle sind sie nämlich Teil des Problems.
Inwiefern ist ein Abteilungsleiter verantwortlich, wenn Angestellte nicht miteinander klar kommen?
Nehmen wir mal an, die Stimmung in einem Team ist schlecht, weil die Konkurrenz zwischen den Mitgliedern groß ist. Dann würde ich schauen, wo dieser Machtkampf herkommt. Nehmen wir weiter an, die Angestellten haben befristete Verträge und einer bekommt einen Festvertrag, die anderen nicht. Jeder bekommt es mit, aber der Chef erklärt seine Entscheidung nicht. Das ist Gift für das Arbeitsklima.
Was würden Sie in diesem Fall raten?
Ganz häufig ist es in der Tat ein Kommunikationsproblem. Die Vorgesetzten sollten ihre Entscheidungen ansprechen und den anderen Mitarbeitern klar machen, dass sie auch wichtig sind. Chefs müssen außerdem ein deutliches Profil haben. Sie können nicht an einem Tag abends mit der Belegschaft ein Bier trinken und am nächsten Morgen knallharte Entscheidungen fällen. Auch das sorgt für Unruhe und Spannungen im Team.